Im Nachgang zu der Rechtsprechung des BSG vom 22.06.2022, B 1 KR 19/21 R, traf das Sozialgericht Detmold in einer vergleichbaren Konstellation mit Urteil vom 15.05.2023, S 10 KR 306/21, eine Beweislastentscheidung zulasten der Krankenkasse. Strittig war auch hier die Kostenübernahme für eine bariatrische Operation, welche die Kasse ohne Einleitung eines Prüfverfahrens mit der Begründung abgelehnt hatte, es sei gegenüber der Versicherten nach Prüfung durch den Medizinischen Dienst - ein Jahr vor dem hier streitgegenständlichen Eingriff - bereits ein ablehnender Bescheid ergangen und im Übrigen seien konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion auch nicht ausgeschöpft worden. Das Sozialgericht wies zunächst im Einklang mit dem BSG darauf hin, dass die im Verhältnis zu der Versicherten erfolgte Leistungsablehnung keine Auswirkung auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses entfalte und dieses auch nicht verpflichtet sei, eine eventuelle Leistungsablehnung vorab zu erfragen. Die vorherige negative Einschätzung eines Anspruchs auf Sachleistung durch die Krankenkasse gegenüber der Versicherten möge zwar für das Krankenhaus Indizwirkung haben, dieses sei jedoch nicht gehindert, die Behandlung gleichwohl als Sachleistung zu erbringen, wenn es sich hierzu aus medizinischen Gründen verpflichtet fühle. Es sei nicht ausgeschlossen, dass trotz einer früheren negativen Empfehlung des MD später allein schon aufgrund des Zeitablaufs die Erforderlichkeit der stationären Behandlung bestehe. Ob dies der Fall sei und sich insoweit eine veränderte medizinische Sachlage ergäbe, könne allerdings nicht ermittelt werden, da die Beiziehung von Behandlungsunterlagen durch den Verzicht der Kasse auf Durchführung eines Prüfverfahrens nicht mehr zulässig sei. Aus den nach § 301 SGBV übermittelte Daten ergäbe sich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, welcher mangels weiterer zulässiger Beweiserhebung nicht entkräftet werden konnte.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Die Tübinger Verpackungssteuer ist im Wesentlichen rechtmäßig. Das hat das BVerwG in dem von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner für die Stadt geführten Rechtsstreit mit Urteil vom 24.05.2023 (9 CN 1.22) entschieden.
Seit Januar 2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, "sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden". Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 Euro, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 Euro. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 Euro begrenzt.
Die Inhaberin eines Schnellrestaurants im Stadtgebiet Tübingen stellte gegen die Satzung einen Normenkontrollantrag, der vor dem VGH Baden-Württemberg zunächst Erfolg hatte. Der VGH erklärte die Satzung insgesamt für unwirksam und begründete dies mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer, ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht sowie der mangelnden Vollzugstauglichkeit der Obergrenze der Besteuerung.
Auf unsere Revision für die Stadt Tübingen hat das BVerwG die kommunale Steuer nun für überwiegend rechtmäßig erklärt und ist dabei unserer Argumentation gefolgt: Entgegen der Ansicht der Vorinstanz handle es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinn des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als "take-away", verkauften Speisen und Getränken sei der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfinde. Damit sei der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt. Die kommunale Verpackungssteuer stehe als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einwegkunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ergibt; erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer auf ein abfallrechtliches "Kooperationsprinzip" gestützt hat (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. - BVerfGE 98, 106 <117 ff.>), lässt sich ein solches dem heutigen Abfallrecht nur noch in - hier nicht maßgeblichen - Ansätzen entnehmen.
Das BVerwG urteilte zwar, dass die zu unbestimmte Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro pro "Einzelmahlzeit" (§ 4 Abs. 2 der Satzung) und das der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht (§ 8 der Satzung) rechtswidrig seien. Diese punktuellen Verstöße lassen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt.
Wir freuen uns mit den Vetretern der Stadt Tübingen, dass das BVerwG sich unserer Rechtsauffassung angeschlossen hat. Damit steht nun bundesweit Kommunen die Möglichkeit offen, mit dem Instrument einer Verpackungssteuersatzung vergleichbare Ziele zu verfolgen.
Ihre Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas und Prof. Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Mit Urteil vom 21.02.2023, S 32 KR 2389/19, hat das Sozialgericht Detmold einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses in einer notstandsähnlichen Krankheitssituation des Versicherten aus § 2 Abs. 1a SGB V bejaht. Diese Regelung setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, BvR 347/98 – sog. Nikolausbeschluss) fort, wonach es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard und dem Qualitätsgebot entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von einer Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Im entschiedenen Fall befand sich der Patient in einem therapieresistenten und absolut lebensbedrohlichen septischen Schock, für welchen als die behandelnden Ärzte als ultima ratio einen sog. Cytosorb-Filter einsetzten. Hierbei handelt es sich um ein Blutreinigungsverfahren, mit dem Entzündungsmediatoren aus dem Blut entfernt werden sollen. Zum Zeitpunkt der Behandlung lag keine positive Entscheidung des G-BA vor, es gab jedoch Fallberichte und retrospektive Studien, die über positive Einsätze von Cytosorb bei Patienten mit Sepsis berichteten. Das Sozialgericht erkannte hieraus eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, zumal die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsmaßstab und die abstrakte und konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung umso geringer sind, je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation des Betroffenen ist.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Das BSG hat mit Urteil vom 11.5.2023 - B 1 KR 14/22 R - über die Wirksamkeit von Aufrechnungen nach einem Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 SGB V entschieden. In den übrigen Verfahren, die u.a. die in den Landesverträgen von Thüringen und Hamburg geregelten Aufrechnungsverbote betreffen, haben die Krankenkassen die Revision zurückgenommen (B 1 KR 32/21 R, B 1 KR 5/22 R, B 1 KR 38/22 R, B 1 KR 42/22 R). Die Vereinbarung in dem nordrhein-westfälischen Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, welche die Aufrechnung gegen Vergütungsforderungen des Krankenhauses verbietet, war im Jahr 2015 außerhalb des Anwendungsbereichs der Prüfverfahrensvereinbarung mit höherrangigem Recht vereinbar. Rechtsgrundlage hierfür ist § 112 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1b SGB V. Die Vorschrift ermächtigt die Vertragspartner unter anderem, die Abrechnung der Entgelte zu regeln, was die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots einschließt. § 9 Prüfverfahrensvereinbarung 2014, der eine vorrangige Aufrechnungsbefugnis enthält, war nicht anwendbar, da die Prüfung nicht in den Anwendungsbereich der Prüfverfahrensvereinbarung 2014 fiel. Gegenstand war allein eine sachlich-rechnerische Prüfung. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Absatz 1 Satz 1 SGB V) sowie die Verpflichtung der Krankenkasse, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben (§ 76 Absatz 1 SGB IV), stehen der Wirksamkeit des landesvertraglichen Aufrechnungsverbots nicht entgegen, da die anderweitige Durchsetzung der Ansprüche hierdurch nicht verhindert wird. Allerdings kann bei einer wirtschaftlichen Krise des Krankenhausträgers oder seiner Insolvenz eine Aufrechnung die Liquidierung von Gegenansprüchen der Krankenkassen erleichtern und sichern. Das Aufrechnungsverbot ist jedoch vor dem Hintergrund der Vorleistungspflicht des Krankenhauses zu betrachten. Es bietet den Vertragsparteien die Möglichkeit, das kompensatorische Beschleunigungsgebot zu stärken. Die Verständigung der Vertragsparteien auf ein Aufrechnungsverbot ist unter Abwägung der sich aus § 71 Absatz 1 Satz 1 SGB V und § 76 Absatz 1 SGB IV ergebenden gewichtigen Interessen der Krankenkassen zwar nicht rechtlich geboten, aber ebenso wenig rechtlich zu beanstanden. Der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 4 Absatz 4 SGB V) bezieht sich nur auf die Betriebs- und Haushaltsführung der Krankenkassen. Ebenfalls steht das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4, 12 Absatz 1, 70 Absatz 1 Satz 2 SGB V) der Vereinbarung von Aufrechnungsverboten nicht entgegen, da Ansprüche der Krankenkassen dadurch weder aufgegeben werden noch deren Durchsetzung vereitelt wird. Eine Einschränkung des Gestaltungsspielraums ergibt sich schließlich nicht aus der entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften (§ 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 134, 138, 242 BGB). Auch stellt es grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich das Krankenhaus auf das vertragliche Aufrechnungsverbot beruft, selbst wenn die Gegenforderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird.
Das BSG hat damit die jahrzehntelange, ständige Rechtsprechung des LSG NRW bestätigt.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das SG Dortmund hat in einem von uns vertretenen Verfahren auf Antrag hin mit Beschluss vom 3.5.2023 - 95 SF 108/23 AB - einen Richter wegen Befangenheit abgelehnt. Anlass für den Ablehnungsantrag gaben Ausführungen des Richters in einem Beschluss, mit dem der Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen zurückgewiesen worden war. Danach sei „gerichtsbekannt", dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Gutachten, die nicht zugunsten ihrer Mandantschaft ausgingen, regelmäßig angreife oder durch ärztliche Stellungnahmen aus dem Haus der jeweiligen Klägerin angreifen lasse und dem Gutachter dabei „wahlweise Oberflächlichkeit, eine zu wissenschaftliche Herangehensweise und/oder mangelnde Vertrautheit mit den in Streit stehenden Behandlungsmethoden" vorwerfe, wobei die Einwände gegen das jeweilige Gutachten dabei „regelmäßig -zumindest unterschwellig - auch mit Anwürfen gegen die Person des Sachverständigen" verbunden seien. Vergleichbare Bedenken hinsichtlich der Person des Gutachters oder der Qualität des Gutachtens würden „verständlicherweise nicht" gehegt, sofern sich derselbe Sachverständige in einem anderen Gutachten zugunsten der Sichtweise der jeweiligen Klägerin ausspreche.
Diese Ausführungen des Richters – so die Kammer, die über den Ablehnungsantrag zu entscheiden hatte - beinhalten vom Standpunkt eines objektiven Dritten aus die Unterstellung, dass die Prozessführung der Klägerbevollmächtigten regelhaft, d. h. nicht nur im vorliegenden Rechtsstreit, von Unsachlichkeit und mangelnder Professionalität geprägt sei. Es drängt sich hierdurch für die Klägerin bei vernünftiger Betrachtungsweise der Eindruck auf, dass der abgelehnte Richter eine grundsätzlich negative Einstellung gegenüber der Arbeitsweise der Klägerbevollmächtigten bei der Wahrnehmung ihrer prozessualen Aufgaben als Parteivertreterin gefasst
habe, die über die konkrete Sachentscheidung hinausgeht. Die Ausführungen begründen damit bei objektiver Betrachtung für die Klägerin die Befürchtung, dass der Richter in der Sache selbst ihr Anliegen - und dabei insbesondere ihren durch die Bevollmächtigte vorgebrachten medizinischen Vortrag im Rahmen der Auseinandersetzung mit gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht unvoreingenommen zur Kenntnis nehmen und in die Entscheidungsfindung einbeziehen werde. Eine Differenzierung zwischen der Besorgnis der Voreingenommenheit gegenüber der Bevollmächtigten einerseits und der Klägerin selbst andererseits ist bei dieser Sachlage nicht angezeigt, da jedenfalls mit der Verfahrensführung der Bevollmächtigten auch das Anliegen der Beteiligten in der Sache betroffen ist (vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 31.10.2012, 4 WF 121/12, juris).
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das BSG hat mit Urteil vom 11.5.2023 - B 1 KR 10/22 entschieden, dass einer Kürzung der Vergütung unter Zugrundelegung der vom Senat hierzu aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot entwickelten Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens seit dem 1. Januar 2019 § 8 Absatz 5 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz entgegen steht. Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist seither abschließend den Vertragsparteien der Fallpauschalenvereinbarung zugewiesen. Diesen steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, bei dem sie die Grundsätze des Wirtschaftlichkeitsgebots beachten müssen (§ 17b Absatz 2 Satz 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz). Sie dürfen dabei auch aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität Verallgemeinerungen in Form von Generalisierungen, Pauschalierungen oder Standardisierungen vornehmen. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Im vorliegenden Fall haben die Parteien der Fallpauschalenvereinbarung 2019 Ausnahmen vorgesehen, die hier einer Fallzusammenführung entgegenstehen. Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wirtschaftlichkeit einer Entlassung und Wiederaufnahme im Einzelfall nicht zu überprüfen ist, gilt für Missbrauchsfälle. Ein solcher liegt vor, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich ist und diese offensichtlich allein dazu dient, eine weitere Fallpauschale zu generieren. Ein solcher Missbrauchsfall lag nach den vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen hier nicht vor.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Mit einer Änderung zu den Abstandsflächenvorschriften in der LBO will der Gesetzgeber in Baden-Württemberg erreichen, dass die Nachverdichtung in bebauten Gebieten vereinfacht wird. In § 5 Abs. 5 Satz 2 LBO BW ist nunmehr geregelt, dass eine Aufstockung um bis zu 2 Geschosse auf die Wandhöhe nicht angerechnet wird, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens 5 Jahre zurückliegt. Das heißt, soweit sich durch diese Aufstockung eine Unterschreitung der ansonsten erforderlichen Abstandsflächen ergibt, bleibt dies unbeachtlich. Hintergrund ist, dass ansonsten vielfach im Bestand eine Aufstockung unmöglich ist, weil die bestehenden Abstände eben nicht vergrößert werden können. Nach der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass bei einer maximalen Ausnutzung der Erleichterung durch eine Aufstockung mit 2 Geschossen mit einer Höhe von ca. 2,5 m je Geschoss sich bei Zugrundelegung des regelmäßig anzuwenden Berechnungsfaktors 0,4 der Wandhöhe nach § 5 Abs. 7 LBO eine Verkürzung der Abstandsflächentiefen um ca. 2 m ergibt. Die damit verbundene begrenzte Einschränkung des Nachbarschutzes sei angesichts des hohen öffentlichen Interesses an den Zielen der Flächeneinsparung und damit des Klimaschutzes, aber auch der Schaffung zusätzlichen Wohnraums verhältnismäßig. Allerdings lässt der Gesetzgeber außer Betracht, dass die zulässige Aufstockung nur durch die Anzahl der Geschosse, aber nicht durch deren Höhe begrenzt wird. Das heißt, auch deutlich höhere Geschosse sind nach dem Wortlaut der Vorschrift zulässig.
Nunmehr hatte erstmals das VG Sigmaringen einen Fall zu entscheiden, in dem diese gesetzliche Neuregelung anzuwenden war. Das VG Sigmaringen geht davon aus, dass die abstandsflächenrechtliche Privilegierung von Gebäudeaufstockungen mit höherrangigem Recht, insbesondere der Eigentumsgarantie, vereinbar ist. Allerdings könne bei privilegierten Gebäudeaufstockungen nach dieser Vorschrift nicht von der Einhaltung des Abstandsflächenrechts auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung geschlossen werden. Vielmehr sei ein-zelfallbezogen zu prüfen, ob mit dem Vorhaben für den Nachbarn unzumutbare Einschränkungen der abstandsrechtlichen Schutzgüter verbunden sind (VG Sigmaringen, Urteil vom 05.04.2023 – 10 K 101/21). Im Übrigen sind bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit die bauplanungsrechtlichen Vorschriften unbeschränkt zu berücksichtigen. Gleichwohl dürfte es keine allzu gewagte Prognose sein, dass zukünftig bei Maßnahmen unter Anwendung dieses Privilegs die Prüfung der Frage, ob eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots vorliegt, erhebliche Bedeutung erlangen wird. Wie die zuständigen Baurechtsbehörden damit umgehen, bleibt abzuwarten.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Peter Sieben
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 1.2.2023 - L 10 KR 32/22 KH zugunsten eines von uns vertretenen Krankenhaus entschieden, dass bei MD-Prüfungen, die im Begehungsverfahren vor Ort im Krankenhaus erfolgen, von vornherein keine Präklusion von Krankenunterlagen eintreten kann. Eine solche sehe § 7 Abs. 2 S. 6 PrüfvV 2016 nur für Prüfungen im schriftlichen Verfahren vor. Der Wortlaut der PrüfvV sei eindeutig, eine erweiternde Auslegung komme nicht in Betracht, eine analoge Anwendung der Präklusionsregelegungen für das schriftliche Verfahren scheide aus, weil es schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die beklagte Krankenkasse hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Arbeitgeber und Dienstherrn sehen sich regelmäßig mit dem Vorwurf von Angestellten oder Beamtinnen und Beamten konfrontiert, sie wären an der Arbeitsstelle einem Mobbing ausgesetzt. Es geht vielfach um zahlreiche, oft auch kleinere Vorkommnisse, nicht nur um einzelne schwerwiegendere Verfehlungen. Sowohl für den Dienstherrn, der bei einem Mobbing seine Fürsorgepflicht verletzen kann als auch die Betroffenen ist oft schwierig zu bestimmen, ob tatsächlich ein sog. Mobbing vorliegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28.03.2023 konkretisiert, wie der Begriff des Mobbing zu fassen ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts liegt die Besonderheit der als Mobbing bezeichneten Rechtsverletzung gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann. Dies auch dann, wenn die jeweilige Einzelmaßnahme oder der einzelne Vorfall für sich betrachtet nicht zu beanstanden ist oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich damit inhaltlich weitestgehend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, das Mobbing allgemein als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte definiert (grundlegend BAG, Urteil vom 15.01.1997 – 7 ABR 14/96, NZA 1997, 781). Entscheidend ist also nicht, dass eine einzelne abgrenzbare Handlung, sondern vielmehr die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Betroffenen führen kann, wobei die einzelnen Teilakte für jeweils für sich betrachtet rechtlich sogar neutral sein können.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2023 (2 C 6/21) enthält die wünschenswerte Klarstellung, dass in der Rechtsprechung von einem einheitlichen Mobbingbegriff auszugehen ist. Die tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Klärung der Frage, ob ein Mobbing vorliegt und welche rechtlichen Konsequenzen sich im Einzelnen daraus ergeben, kann diese Entscheidung natürlich nicht lösen. Die Beurteilung und im Streitfall der Beweis der Behauptung, es liege aufgrund zahlreicher für sich in der Regel nicht einmal zu beanstandender Verhaltensweisen oder Maßnahmen in der Gesamtschau ein Mobbing vor, bleibt schwierig.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Peter Sieben
Die Frage, anhand welcher Kriterien Krankenhäuser eine Sepsis kodieren durften, war aufgrund der ab dem Jahr 2016 erfolgten wissenschaftlichen Überarbeitung der Sepsis Kriterien heftig umstritten. Während zuvor auf das Vorliegen eines SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom) abgestellt wurde, steht gemäß der sog. Sepsis-3-Definition nun das Organversagen, ermittelt durch den SOFA-Score (Sequential Sepsis-related Organ Failure Assessment), im Vordergrund. Die Krankenkassen vertreten vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass spätestens ab 2017 die kodierrelevante Diagnose einer Sepsis nur noch anhand des SOFA-Score vorzunehmen sei. Allerdings wurde die Definitionsänderung der Sepsis erst mit der Überarbeitung der S3-Leitlinie der Deutschen Sepsis-Gesellschaft zum 31.12.2018 aufgegriffen und in den ICD-10-GM erst für das Jahr 2020 überführt. In den DKR findet sich der Hinweis auf die geänderte Definition sogar erstmalig im Jahr 2020 in der Kodierregel 0130u.
Das LSG NRW hat nunmehr mit Urteil vom 18.01.2023 ( L 11 KR 281/21) entschieden, dass jedenfalls bis zur Veröffentlichung der geänderten Sepsis-3 Leitlinie zum 31.12.2018 eine Kodierung der Sepsis noch allein anhand der SIRS-Kriterien erfolgen könne, da erst nach diesem Zeitpunkt überhaupt von einer wissenschaftlichen Akzeptanz der SOFA-Kriterien auszugehen sei und den Leitlinien der einschlägigen Fachgesellschaft bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse besonderes Gewicht zukomme. Ggf. sei die Übernahme der neuen Sepsisdefinition sogar erst mit Übernahme der Definitionsänderung in die ICD-10-Klassifikation ab 2020 vollzogen, wobei es im zugrundeliegenden Behandlungsfall aus 2018 hierauf nicht ankam.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Mit Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R, hat das BSG bekräftigt, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275c Abs. 1 SGB V besteht, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Im entschiedenen Fall hatte die Krankenkasse gemäß § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V nach Überschreiten der gemeldeten, voraussichtlichen Verweildauer vom Krankenhaus eine medizinische Begründung verlangt, welche dieses jedoch unter Verweis auf datenschutzrechtliche Gründe verweigert hatte. Die Kasse leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein, in dessen Ergebnis es nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages kam. Da die Weigerung des Krankenhauses zur Abgabe der - gesetzlich vorgesehenen - medizinischen Begründung eine eindeutige Pflichtverletzung darstellte und Anlass für die Beauftragung des MD war, schied ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale aus.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Das BSG hat mit Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R, ebenso wie bereits das LSG NRW mit Urteil vom 19.01.2022, L 10 KR 142/20, entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch der Krankenkassen nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB in Höhe der durch die Verlegung eines stationär behandelten Patienten verursachten Mehrkosten bestehen kann, wenn kein sachlicher Grund für die Verlegung besteht. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern in Betracht. So kann die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (Grundversorger) gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Versicherten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht (mehr) bedarf und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt werden. Den sachlichen Grund hat das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Keines gesonderten sachlichen Grundes für die Verlegung bedarf es dagegen, wenn und soweit hierdurch für die Krankenkasse keine Mehrkosten entstehen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Es ist unsere Tradition, nicht nur im Rahmen unserer Publikationen und Vorträge über aktuelle Rechtsentwicklungen zu informieren, sondern auch auf dieser Internetseite unter "Aktuelles", sowie durch einen Newsletter. Unsere beiden aktuellen Newsletter im Gesundheitsrecht und im Öffentlichen Recht sind ab sofort auf unserer Homepage unter "News" abrufbar. Alle Beiträge betreffen rechtliche Entwicklungen, die in unserer täglichen Praxis eine wesentliche Rolle spielen und an denen wir häufig einen eigenen Anteil haben.
Der VGH BW hat mit einem Grundsatzurteil vom 6.12.2022 (9 S 3232/21) in zweiter Instanz die Rechtmäßigkeit von Bescheiden des Kultusministeriums, mit denen dieses sechs Gemeinden (Klägerinnen) verpflichtet hat, mit der Stadt Geislingen (Beigeladene) eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Generalsanierung einer Realschule in Geislingen abzuschließen, bestätigt.
Die Beigeladene ist Schulträgerin der Realschule, die zu einem erheblichen Anteil auch von auswärtigen Schülerinnen und Schülern besucht wird, die im Gemeindegebiet der Klägerinnen wohnen. In der Zeit von 2013 bis 2016 führte die Beigeladene eine bereits seit etwa 2009 geplante Generalsanierung der Schule durch, deren Gesamtkosten sich auf 3.624.013,99 € beliefen. Nachdem die Klägerinnen zu einer freiwilligen Beteiligung an den Kosten nicht bereit waren, beantragte der Oberbürgermeister der Beigeladenen beim Kultusministerium auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 Satz 2 SchG die Feststellung des „dringenden öffentlichen Bedürfnisses" zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Beteiligung an den Kosten der Generalsanierung. Einen entsprechenden Bescheid des Kultusministeriums aus dem Jahr 2014 hob das Verwaltungsgericht Stuttgart aus formellen Gründen auf. Nach erneuter Antragstellung stellte das Kultusministerium mit Bescheiden jeweils vom 18. Februar 2019 das „dringende öffentliche Bedürfnis zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung" für die Generalsanierung der Realschule gegenüber der Beigeladenen und den Klägerinnen fest. Die hiergegen von den Klägerinnen erhobene Klage blieb auch vor dem VGH BW ohne Erfolg.
Zur Begründung seines Urteils führt der 9. Senat des VGH aus: Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sei § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SchG. Danach seien Gemeinden zur gemeinsamen Erfüllung der ihnen als Schulträger obliegenden Aufgaben zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung verpflichtet, wenn die oberste Schulaufsichtsbehörde feststelle, dass ein dringendes öffentliches Bedürfnis hierfür bestehe. Mit der Feststellung des dringenden öffentlichen Bedürfnisses stehe fest, dass sich die nicht selbst mit der Einrichtung und Fortführung einer Schule belasteten Umlandgemeinden an der Erfüllung der Schulträgeraufgaben durch die Schulstandortgemeinde (finanziell) zu beteiligen hätten. Die Vorschrift sei nicht nur auf Neubaumaßnahmen, sondern auch auf die Generalsanierung eines bestehenden Schulgebäudes anwendbar.
Ein „dringendes öffentliches Bedürfnis" liege vor. Maßgebliche Voraussetzung für die „Dringlichkeit" im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SchG sei, dass es der Schulstandortgemeinde nicht zumutbar sein dürfe, die Lasten der Schulträgerschaft allein zu tragen. Dies sei bezogen auf die konkrete Schule als öffentliche Einrichtung der Gemeinde unter Beachtung der verfassungs- und kommunalrechtlichen Vorgaben wertend zu ermitteln. Danach gebiete es der Grundgedanke der äquivalenten Lastenverteilung und des Vorteilsausgleichs in der Regel, dass sich die entlasteten Umlandgemeinden angemessen an den zusätzlichen Lasten der Schul-standortgemeinde beteiligten. Zusätzliche Lasten seien dabei jene Lasten, die unter Abzug der konkret gewährten Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich, der sonstigen Zuschüsse (z.B. Schulbauförderung, Denkmalschutz usw.) und eines Standortvorteils von 5 bis 15 % der Gesamtbaukosten für die konkrete Maßnahme anfielen und den auswärtigen Schülern zugerechnet werden könnten.
Danach sei es der Beigeladenen nicht zumutbar, die ungedeckten auf die auswärtigen Schüler entfallenden Kosten der Generalsanierung der Realschule allein zu tragen. Sie habe in der Vergangenheit durch die Unterhaltung dieser Schule die Schulbedürfnisse der Klägerinnen in erheblichem Umfang und nicht nur vorübergehend erfüllt. Der Anteil auswärtiger Schüler habe in den Schuljahren 2005/2006 bis 2015/2016 stets über 50 % gelegen. Zwar habe sich der Auswärtigenanteil ab dem Schuljahr 2016/2017 bis zum Schuljahr 2018/2019 auf 41,7 % reduziert. Dieser Anteil dokumentiere aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Verfügungen immer noch eine „erhebliche" bzw. „wesentliche" überörtliche Bedeutung der Realschule. Die ungedeckten Investitionskosten, die auf die auswärtigen Schülerinnen und Schüler entfielen, beliefen sich auf 158.267,44 € und fielen damit sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch nach ihrem relativen Anteil an den auf die Beigeladene entfallenden ungedeckten Kosten (11,3% von 1.400.198,85 €) objektiv ins Gewicht.
Die Entscheidung des VGH BW ist von grundsätzlicher Bedeutung, da sich vergleichbare Fallgestaltungen in einer Vielzahl von Baden-Württembergischen Kommunen ergeben; die Anwaltskanzlei Quaas & Partner berät weitere betroffene Kommunen. Im Einzelfall bedarf es der genauen Prüfung, ob die Entscheidung übertragbar ist oder nicht, etwa, weil es bestehende ältere öffentlich-rechtliche Vereinbarungen zu berücksichtigen gilt.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Moritz Quaas
Das SG Duisburg hat in mehreren von uns vertretenen Verfahren den Klagen auf Rückzahlung verrechneter Strafzahlungen gem. § 275c Abs. 3 SGB V stattgegeben und auch die Bescheide der Krankenkasse zur Festsetzung dieser Aufschlagszahlungen aufgehoben (Urt. v. 30.1.2023 S 17 KR 2190/22, S 17 KR 2197/22 und S 17 KR 2252/22). Die Aufrechnung gegen andere unstreitige Forderungen verstoße gegen das in NRW landesvertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot und die Festsetzungsbescheide seien materiell rechtswidrig. Anknüpfungspunkt für die Aufschlagszahlung seien die Rechnungen des Krankenhauses, die aber aus dem Jahr 2021 stammen. Auf Behandlungsfälle vor 2022 finde aber die gesetzliche Regelung zur Aufschlagszahlung keine Anwendung. Das Gericht hat bzgl. der tenorierten Aufhebung der Bescheide die Berufung zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das LSG NRW hat in einem von uns vertretenen Verfahren bestätigt, dass Aufwandspauschalen in vier Jahren verjähren. Die Krankenkasse hatte sich auf eine dreijährige Verjährungsfrist berufen. Ob mit Inkrafttreten des neuen § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V und der neuen zweijährigen Verjährungsfrist für Krankenhausabrechnungen etwas anderes gilt, war vom LSG nicht zu entscheiden, weil es sich um einen Altfall handelte (LSG NRW L 10 KR 102/22 vom 7.12.2022).
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Der VGH Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 23.11.2022 - 12 S 2224/22 - die Beschwerde des Landkreises Böblingen gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart zurückgewiesen, mit dem der Landkreis im Wege einer einstweiligen Anordnung zum Nachweis eines zumutbaren Betreuungsplatzes in einer Kindertageseinrichtung verpflichtet worden ist. Die Stadt Böblingen hatte den berufstätigen Eltern eines im Dezember 2022 vier Jahre alten Kindes im Mai 2022 mitgeteilt, dass ein Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung nicht entsprechend der Bedarfsanzeige angeboten werden könne. Auf den dagegen erhobenen „Widerspruch" verwies die Stadt auf die Zuständigkeit des Landkreises als örtlich zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Daraufhin beantragten die Eltern für Ihre Tochter beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Landkreis Böblingen zu verpflichten, ihr einen bedarfsgerechten und zumutbaren Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung im Umfang von fünf Stunden nachzuweisen, der unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in nicht mehr als 30 Minuten von ihrer Wohnung erreichbar ist.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart erließ die begehrte einstweilige Anordnung, wobei es die Zuweisung eines Platzes auf sechs Monate begrenzte, und wies den Antrag im Übrigen ab. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde machte der Landkreis geltend, der Anspruch sei wegen Kapazitätsauslastung nicht erfüllbar und die ausgesprochene Leistung sei auf etwas Unmögliches gerichtet. Die Beschwerde des Landkreises blieb vor dem VGH erfolglos: Die Einwände des Landkreises, er könne die nach dem Gesetz unbedingte Pflicht, einen Kita-Platz zu gewährleisten, nicht erfüllen und er könne nicht zu Handlungen verpflichtet werden, die ihm unmöglich seien, seien nicht begründet. Von der gesetzlichen Pflicht zur Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Betreuungsplätzen entbänden den Landkreis weder der angeführte Fachkräftemangel noch andere vergleichbare Schwierigkeiten. Das Gericht verkenne nicht die Schwierigkeiten bei der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Betreuungsplätzen. Diese seien jedoch nicht geeignet, den individuellen und vorbehaltlos gewährleisteten Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu relativieren. Denn ein Anspruch, der gerade dann nicht gerichtlich durchsetzbar sein solle, wenn aktuell sämtliche Plätze belegt seien, würde unter einem Kapazitätsvorbehalt stehen; der Gesetzgeber habe sich jedoch eindeutig gegen einen Kapazitätsvorbehalt entschieden. Daher sei der Anspruch auf Kapazitätserweiterung auch kurzfristig zu erfüllen, etwa über eine zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigung zur Überbelegung im Einzelfall nach dem Kriterienkatalog des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) mit Stand Oktober 2018.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas, Stuttgart
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 15.11.2022 – L 5 KR 742/20 seine langjährige Rechtsprechung zur Wirksamkeit des landesvertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbots bekräftigt. Insbesondere sieht es auch keinen Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht: Weder liegt ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 SGB IV noch gegen § 71 Abs. 1 S. 1 SGB V vor. Auch der Neuregelung des § 109 Abs. 6 SGB V lässt sich eine Unwirksamkeit des landesvertraglichen Aufrechnungsverbotes nicht entnehmen.
§ 76 Abs. 1 SGB IV bestimmt, dass Einnahmen durch die Sozialversicherungsträger vollständig und rechtzeitig zu erheben sind. Unter die Norm fallen nicht nur Beiträge, sondern alle geldwerten Forderungen, die ihnen aus ihren öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beziehungen zustehen Grundsätzlich fallen damit auch öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der Krankenkassen gegenüber Krankenhausträgern unter die Norm. Die Norm steht jedoch einer vertraglichen Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes nicht entgegen. Denn die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes im SVTr ist nicht gleichzusetzen mit einem gänzlichen Verzicht auf den Anspruch. Die Krankenkassen begeben sich damit lediglich jenseits der in § 15 Abs. 4 S. 2 SVTr geregelten Fälle der Möglichkeit, eine streitige Forderung geltend zu machen, ohne selbst den Klageweg beschreiten zu müssen. Der ihnen aus § 76 Abs. 1 SGB IV auferlegte Verpflichtung der Geltendmachung von Erstattungsforderungen können und müssen sie aber weiterhin durch außergerichtliche Einigungsversuche oder Klageerhebung nachkommen.
Auch der in § 71 Abs. 1S. 1 SGB V niedergelegte Grundsatz der Beitragssatzstabilität steht dem landesvertraglichen Aufrechnungsverbot nicht entgegen, weil deren Anwendungsbereich vorliegend schon nicht eröffnet ist. Die Norm bestimmt, dass die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten haben, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten. Absatz 1 Satz 1 erfasst daher nach seinem Regelungsgehalt alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V, die zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern geschlossen werden. Bei dem Vertrag nach $112Abs. 2 S. 1Nr. 1SGB V handelt es sich aber gerade nicht um eine Vergütungsvereinbarung. Das Bestehen von Vergütungsvereinbarungen ist vielmehr zwingende Voraussetzung für die vorliegend streitige Norm des § 15 SVTr. Erst das Bestehen eines konkreten Vergütungsanspruchs macht es nämlich möglich, eine Vereinbarung über , die Zahlungs- und Verrechnungsmodalitäten zu treffen (so auch LSG NRW, Urteil vom 22.12.2021 -L 11 KR 637/20 Rn. 49 <juris>). Selbst wenn man aber annähme, dass durch § 15 SVTr grundsätzlich eine Vereinbarung über die Vergütung getroffen würde, so bleibt festzuhalten, dass zumindest Abs. 4 der Norm sich nicht auf die von der Krankenkasse zu zahlenden Vergütungen bezieht, sondern auf die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche und deren vereinfachte Geltendmachung durch Aufrechnung durch die Krankenkassen. Die Erstattungsansprüche fallen aber nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 71 Abs. 1S. 1 SGB V nicht unter die darin enthaltene Regelung.
Schließlich lassen sich auch aus der zum 01.01.2020 neu geschaffenen Regelung des S 109 Abs. 6 SGB V keine Erkenntnisse über die Zulässigkeit eines bereits bestehenden Aufrechnungsverbotes gewinnen. Die Norm bestimmt, dass gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 01.01.2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen können. Die Aufrechnung ist nach Satz 2 allerdings möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. In der PrüvV können zudem abweichende Regelungen vorgesehen werden. Nach der Gesetzesbegründung war diese Neuregelung notwendig geworden, weil Krankenkassen in der Vergangenheit Rückforderungsansprüche gegen Krankenhäuser wegen überzahlter Vergütungen durch Aufrechnung realisiert hätten, was zu Liquiditätsengpässen auf Seiten der Krankenhäuser geführt habe (BT-Drs.19/13397, S. 54). Der Gesetzgeber hatte also erkannt, dass zu weitreichende Aufrechnungsmöglichkeiten der Krankenkassen die Krankenhäuser in finanzielle Schieflage bringen konnten. Dies zum einen, weil durch Aufrechnungen die Krankenkassen ihre behaupteten Erstattungsansprüche schnell und ohne den Klageweg zu beschreiten geltend machen konnten. Zum anderen verlagerte sich so das Prozess- und insbesondere das Prozesskostenrisiko eines Klageverfahrens, in dem die klagenden Krankenhäuser zunächst den Kostenvorschuss einzahlen müssen, auf diese. Wenn der Bundesgesetzgeber aus diesen Gründen nun bundesgesetzlich ein weitgehendes Aufrechnungsverbot statuiert hat, so mag dies eine Neuerung darstellen. Dies sagt jedoch nichts über die Zulässigkeit bereits zuvor bestehender Aufrechnungsverbote aus. Vielmehr liegt es nahe, dass die Neuregelung gerade das Ziel verfolgte, die landesvertraglich sehr unterschiedlich geregelten Verrechnungsmodalitäten zu vereinheitlichen, weil bislang nicht in allen Bundesländern derartige Aufrechnungsverbote bestanden hatten. Wenn der Gesetzgeber einem bisherigen Missstand durch die Einführung eines bundeseinheitlichen Aufrechnungsverbotes begegnen wollte, so ist es fernliegend anzunehmen, dass er bereits bestehenden landesrechtlichen Aufrechnungsverboten ihre Zulässigkeit absprechen wollte. Die Revision zum BSG wurde zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Mittlerweile liegen die schriftlichen Urteilsgründe der Grundsatzentscheidung des BSG vom 22.6.2022, B 1 KR 19/21 R vor. Dieses hält fest, dass der - zulässige - Verzicht einer Krankenkasse auf das Prüfverfahren diese mit Einwänden gegen den Vergütungsanspruch nicht ausschließt, jedoch die Amtsermittlungspflicht des Gerichts beschränkt und bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Das Gericht darf weder Unterlagen des Krankenhauses beiziehen noch Ärzte des Krankenhauses als Zeugen über das Behandlungsgeschehen vernehmen noch auf anderem Weg sich Kenntnis von Vorgängen im Krankenhaus verschaffen, die vom MDK im Prüfverfahren zulässigerweise hätten ermittelt werden können. Insoweit besteht für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts. Dem Krankenhaus bleibt allerdings unbenommen, freiwillig Unterlagen vorzulegen oder andere Beweismittel anzubieten; diese unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot.
Da bei Nichtdurchführung des Prüfverfahrens der Krankenkasse ihre Einwände nicht abgeschnitten sind, ist das Sozialgericht in einem Vergütungsstreit zwar zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts - ausgehend vom Vortrag der Kasse - verpflichtet . Zur weitergehenden Ermittlung durch das Gericht besteht allerdings nur dann Anlass, wenn von der Kasse ein dem Gericht nicht bekannter Sachverhalt so vorgetragen wird, dass seine Entscheidungserheblichkeit erkennbar wird und sich daraus Anlass zu Ermittlungen ableiten lässt. Dies erfordert, dass die Kasse auf konkrete Beweismittel außerhalb der Behandlungsunterlagen des Krankenhauses Bezug nimmt, aus denen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden können, die, wenn sie zutreffen, geeignet sind, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu reduzieren oder gar auszuschließen.
Es ergeben sich für die Kasse somit bei Verzicht auf ein Prüfverfahren gesteigerte Darlegungsanforderungen. Sie muss im Vergütungsstreit ihre Einwände gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses auch ohne die Notwendigkeit der Datenerhebung beim Krankenhaus schlüssig vortragen. Nur wenn sich hieraus Tatsachen ergeben, die für sich genommen dem Vergütungsanspruch entgegenstehen können, ist weiter zu ermitteln, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hingegen ist eine Überzeugungsbildung des Gerichts zugunsten der Kasse nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich immer auch (irgend)etwas anderes aus den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses ergeben könnte.
Bleiben jedoch relevante Tatsachen für die von der Kasse erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten. Das Krankenhaus soll nicht unter dem Druck der Beweislast letztlich doch gezwungen sein, Behandlungsunterlagen zu offenbaren, deren Anforderung dem Gericht verwehrt ist. Ansonsten würde eine berechtigte Weigerung des Krankenhauses, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, oder ein Verwertungsverbot für unzulässig erhobene Beweise dem Krankenhaus entgegen der gesetzlichen Wertung zum Nachteil gereichen, wenn sich das Gericht auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht die Überzeugung bilden kann, der Vergütungsanspruch des Krankenhauses sei berechtigt.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Das VG München hat im rechtskräftigen Beschl. v. 02.06.2022 – M 2 S 22.1725 – BayVBl. 2022, 755 f., nochmals klargestellt, dass der Begründungsmangel eines Verwaltungsaktes nur geheilt werden kann, wenn dem Adressaten des Verwaltungsakts gegenüber eine schriftliche Erklärung erfolge. Die bloße Verteidigung des angegriffenen Bescheids in einem an das Verwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz reiche als Ergänzung der Begründung nicht aus. Hintergrund sei, dass nach § 39 Abs. 1 VwVfG ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen sei, die die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Motive mitteile, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG setze die Nachholung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens durch Bekanntgabe dieser Gründe voraus. Ein „Heilungsautomatismus" durch an ein Gericht gesandten Schriftsatz sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Das BSG hat mit Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 14/21 R, erneut seine Rechtsprechung zur Fallzusammenführung aufgrund fiktiv-wirtschaftlichen Alternativverhaltens bekräftigt und diese überraschend auch auf jene Fälle ausgeweitet, welche gemäß der Regelungen der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) nach dem Willen der Vertragsparteien explizit hiervon ausgenommen werden sollten. Eine derartige Rückausnahme von der Fallzusammenführung, so in § 2 Abs. 2 Satz 2 der FPV für die in Spalte 13 des Fallpauschalenkataloges gekennzeichneten Fälle, hat nach Ansicht des BSG lediglich zur Folge, dass es bei der konkreten Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall verbleibt: Die preisrechtlichen Regelungen der FPV seien aufgrund ihrer Stellung in der Normenhierarchie und ihrer rechtssystematischen Verortung außerhalb der GKV nicht in der Lage, aus eigenem Geltungsgrund das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 und des § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V einzuschränken. Eine spezifische gesetzliche Ermächtigung zu einer solchen Einschränkung zu Lasten der Krankenkassen fehle den Vertragsparteien des § 17b Abs 2 Satz 1 KHG. Wenn somit in einem – nachträglich vollständig überprüfbaren - überschaubaren Zeitraum zum einen Klarheit darüber geschaffen werden kann, ob eine Fortsetzung der stationären Behandlung medizinisch geboten war, und zum anderen die Fortsetzung der Behandlung aus medizinischen Gründen auch tatsächlich erfolgen kann, habe eine Fallzusammenführung auf Grundlage einer (fiktiven) Beurlaubung zu erfolgen. Als überschaubar sieht das BSG einen Zeitraum von zehn Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung an. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Verzögerung auf rein organisatorischen Zwängen und Kapazitätsproblemen im Krankenhaus beruht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet es dann, Versicherte auch über zehn Tage hinaus zu beurlauben. Eine derartige Beurlaubung muss weder auf einer Initiative des Patienten beruhen, noch kann sie durch Regelungen im Landesvertrag nach § 112 SGB V eingeschränkt werden.
Ob diese Rechtsprechung des BSG auch für Fälle mit Aufnahmedatum ab dem 1. Januar 2019 nach Inkrafttreten des § 8 Absatz 5 KHEntgG gilt, ist derzeit in einem weiteren Revisionsverfahren anhängig, B 1 KR 10/22 R.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Die TA-Lärm sieht für Anlagenlärm in Ziffer 6.7 so genannte Gemengelagen vor, „wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinander grenzen". Dann gilt, dass „die für die zum Wohnen dienenden Ge-biete geltende Emissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinander grenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden" können, „soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist". Dies ist Ausdruck der Pflicht zur gegen-seitigen Rücksichtnahme. Trotzdem wird nicht in allen Regelwerken auf Gemengelagen Bezug ge-nommen, z.B. nicht in der SportanlagenlärmschutzV (18. BImSchV). Das BVerwG hat kürzlich mit Urt. v. 10.05.2022 – 4 C N 2.20 – ZfBR 2022, 676 zu Sportanlagen entschieden, dass „das gewachsene Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen [...] grundsätzlich zur Folge" habe, „dass sich das regelhaft vorgegebene Zumutbarkeitsmaß verändert". Dabei sei „der Mittelwert [...] nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte und darf nicht mit einer bloßen rechnerischen Interpolation verwechselt werden. Zu seiner Ermittlung ist eine wertende, gewichtende Betrachtung der Um-stände des Einzelfalls anzunehmen". „Dies kann dazu führen, dass auch weitere Überschreitungen des Mittelwerts hinzunehmen sind oder der Mittelwert [...] nicht ausgeschöpft werden darf". „Die Rechtfertigungslast für ein Absehen von lärmreduzierenden Maßnahmen steigt mit dem Gewicht der Mittelwertüberschreitungen. Je schwerwiegender diese nach ihrer Höhe, Art, Dauer, Häufig-keit und der Anzahl der betroffenen schutzwürdigen Gebäude sind, desto eher müssen Maßnah-men zur Lärmänderung vorgesehen werden". Damit kommen Gemengelagen als Schutzminderung für die Beurteilung der Erheblichkeit (§ 3 BImSchG) bzw. Wesentlichkeit (§ 906 BGB) aller Arten von Immissionen in Betracht.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Das BSG hat in seiner Entscheidung B 8 SO 2/21 R vom 06.10.2022 die bisherige Rechtsprechungslinie fortgeführt.
Bezüglich einer um 01.22 Uhr an einem Wochentag notfallmäßig ins Krankenhaus eingelieferten Patientin mit unmittelbar per Fax um 02:01 Uhr übersandtem Kostenübernahmeantrag an den Sozialhilfeträger hat das BSG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die an die Patientin erbrachte Krankenbehandlung hat.
Gemäß bisher vorliegendem Terminsbericht scheitere ein Anspruch als Nothelferin nach § 25 SGB XII daran, unabhängig davon, ob bei der Patientin überhaupt ein Hilfebedarf bestand, dass die Beklagte bereits am ersten Behandlungstag Kenntnis von der eventuellen Notlage der Patientin hatte und damit ggf. Ansprüche der Patientin auf Hilfe bei Krankheit unmittelbar einsetzten.
Ein Anspruch der Klägerin könne, wegen der Nichtübertragbarkeit von Sozialhilfeansprüchen, auch nicht aus einer hier erfolgten Abtretungserklärung der Patientin hergeleitet werden.
Dieses gelte auch für den Sekundäranspruch auf Erstattung der Behandlungskosten, der als Freistellungsanspruch der Patientin zustehen könnte, jedoch - um nicht dem Abtretungsverbot zu unterfallen - bereits festgestellt sein müsste.
Die Klägerin könne auch nicht im Wege der Prozessstandschaft einen solchen noch nicht festgestellten Anspruch der Patientin erfolgreich geltend machen, weil dadurch das Abtretungsverbot unterlaufen würde.
Ihr Ansprechpartner: Frank Montag, Dortmund
Zunehmend vereinfachen sich Behörden ihre Arbeit dadurch, dass sie, vor allem im Bereich der Leistungsverwaltung, den Antragsteller zwingen, über ein behördliches „eService-Portal" zu kommunizieren, das selbständig auf Eingänge zu prüfen sei. In einem von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner betreuten Fall hieß es in einem Zuwendungsbescheid nach der Förderrichtlinie „Erneuerung der Nutzfahrzeuge", dass die Förderung nur gewährt werde, wenn innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Zuwendungsbescheides ein weiterer Zwischennachweis vorgelegt werde. Der Zuwendungsbescheid wurde in das „eService-Portal" eingestellt und eine Benachrichtigungs-Mail versandt. Diese Mail landete beim Betroffenen unstreitig im „Spam-Ordner", so dass der Bescheid zunächst nicht abgerufen und nicht zur Kenntnis genommen wurde. Nach Ablauf der Monatsfrist stellte sich die Behörde auf den Standpunkt, dass der Zuwendungsbescheid verfallen und die Zuwendung nicht mehr auszuzahlen sei. Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner hat hiergegen argumentiert, dass kein den Fristlauf begründender „Erhalt" des Bescheides vorlag. Denn es war kein Fall einer elektronischen Übermittlung eines Verwaltungsaktes nach § 41 Abs. 2a LVwVfG einschlägig, wonach ein elektronischer Verwaltungsakt mit Einwilligung des Beteiligten dadurch bekannt gegeben werden kann, dass er vom Betroffenen oder seinem Bevollmächtigten über öffentlich zugängliche Netze abgerufen wird. Denn nach § 41 Abs. 2a Satz 2 LVwVfG gilt der Verwaltungsakt erst am Tag nach dem Abruf als bekanntgegeben. Es liege auch kein Fall der Zustellungsfiktion des § 41 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG vor, weil der Verwaltungsakt gerade nicht an den Adressaten elektronisch übermittelt, sondern nur in ein „eService-Portal" eingestellt wurde. Eine solche Vereinfachung für die Behörde könne nicht in die Risikosphäre des Betroffenen fallen. Das zuständige VG Köln hatte sich in einem gerichtlichen Hinweis unserer Sichtweise angeschlossen, woraufhin die Behörde den Ablehnungsbescheid aufhob und den Zuwendungsbescheid doch erließ.
Die Verwaltungsvereinfachung für die Behörden kann also nicht in dem Sinne zu Lasten des Bürgers gehen, dass dieser verpflichtet wäre, eine Vielzahl von behördlichen „Service-Portalen" selbständig auf elektronische Posteingänge hin zu kontrollieren, die er ohne Kenntnis gegen sich gelten lassen müsste.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Viele Kommunen fragen sich nach dem richtigen Umgang mit personenbezogenen Daten im Bebauungsplanaufstellungsverfahren insbesondere im Rahmen der Bürgerbeteiligung. Dabei muss ein Mittelweg zwischen rechtlichen Gefahren gefunden werden: Einerseits folgt aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB, dass dem Gemeinderat alle für die Abwägung beachtlichen Informationen vorliegen müssen, um eine Abwägungsfehlerhaftigkeit des Bauleitplanes zu vermeiden. Andererseits erfordern die datenschutzrechtlichen Anforderungen eine Anonymisierung personenbezogener Daten, soweit die Namensnennung für die ordnungsgemäße Abwägung nicht erforderlich ist. Schließlich versehen manche Kommunen ihre Bekanntmachungen in den Beteiligungsverfahren mit Datenschutzhinweisen, die die Anstoßfunktion nach § 3 Abs. 2 BauGB gefährden.
Mit Urt. vom 24.05.2022 – 3 S 1813/1 – hat der VGH in einem Datenschutzhinweis zur Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung einen Verstoß gegen die Vorschriften über die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB gesehen. Denn die Kommune habe „ausnahmslos davon abgesehen", die Namen und die Anschriften der Verfasser der ausgelegten Stellungnahmen bzw. der Personen, in deren Namen die Stellungnahmen abgegeben worden waren, zu anonymisieren. Sie habe „dies vielmehr bewusst und mit grundsätzlichen, indes rechtlich fehlerhaften Erwägungen getan und ihre Vorgehensweise auch noch öffentlichkeitswirksam in einer Presseinformation vom 22.06.2018 ... verteidigt". Eine solche „erkennbar undifferenzierte Vorgehensweise – zumal angesichts der Veröffentlichung im Internet – sei „geeignet ..., Personen, die gerne eine Stellungnahme abgegeben hätten, aus nachvollziehbarem und berechtigtem Grund davon abzuhalten". Dies sei ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
Diese Entscheidung überrascht, da das BauGB nichts zum Datenschutz regelt. Vor dem Hintergrund der Sensibilität von Einschränkungen der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung ist sie zumindest verständlich. Sie mahnt zur Vorsicht bei etwaigen Datenschutzhinweisen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 02.06.2022, L 16 KR 827/20, in einem von uns geführten Verfahren die Klage einer Krankenkasse aufgrund eines Einwendungsausschlusses bei nicht eingeleitetem Prüfverfahren nachdrücklich abgewiesen. Die Kasse hatte hinsichtlich mehrerer Behandlungen im Jahre 2017 die Erstattung von Behandlungskosten unter Verweis darauf geltend gemacht, der abgerechnete OPS für eine geriatrische Komplexbehandlung (OPS 8-550) sei zu streichen, da dessen strukturelle Mindestmerkmale nicht erfüllt gewesen wären. Ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 SGB V hätte nicht durchgeführt werden müssen, da ausweislich des Qualitätsberichtes des Krankenhauses ersichtlich sei, dass dieses nicht über einen fest angestellten Psychologen, Ergotherapeuten oder Logopäden verfügt hätte.
Das LSG stellte diesbezüglich fest, es sich hier nur um eine Behauptung der Kasse „ins Blaue hinein" gehandelt hätte. Zwar könne eine Krankenkasse nicht zur Einleitung eines Prüfverfahrens gezwungen werden; Einwendungen könne sie bei dessen Nichteinleitung jedoch nur hinsichtlich solcher Umstände machen, die unstreitig feststehen würden. Dies sei hier nicht der Fall, da die fehlende Beteiligung der maßgeblichen Berufsgruppen gerade nicht feststellbar sei. Dem Qualitätsbericht sei nur zu entnehmen, dass diesbezüglich Kooperationen mit angegliederten Praxen bestünden. § 2 Abs. 2 KHEntgG verlange jedoch nicht, dass Heilmittel im Krankenhaus nur durch von ihm angestelltes Personal abgegeben werden können, sondern nur die Erbringung der Leistungen unter seiner Weisungsdirektive, s. BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 15/21 R. Auch nach dem Wortlaut des OPS sei es nicht ausgeschlossen, eine Beteiligung der dort benannten Berufsgruppen nicht durch eigenes Personal, sondern über Kooperationen sicherzustellen.
Im Übrigen sei aufgrund des nicht eingeleiteten Prüfverfahrens keine weitere Prüfung der wöchentlichen Teambesprechungen anhand der Patientenunterlagen vorzunehmen. Die Krankenkasse sei hinsichtlich der von ihr begehrten Kostenerstattung insoweit beweispflichtig. Der Verzicht einer Krankenkasse auf ein Prüfverfahren bewirke jedoch eine Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des Krankenhauses. Den Beweis des Nichtvorliegens der Voraussetzungen der Abrechenbarkeit des OPS und damit einer rechtsgrundlosen Zahlung könne die Kasse daher nicht mehr erbringen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Es ist unsere Tradition, nicht nur im Rahmen unserer Publikationen und Vorträge über aktuelle Rechtsentwicklungen zu informieren, sondern auch auf dieser Internetseite unter "Aktuelles", sowie durch einen Newsletter. Unsere beiden aktuellen Newsletter im Gesundheitsrecht und im Öffentlichen Recht sind ab sofort auf unserer Homepage unter "News" abrufbar. Alle Beiträge betreffen rechtliche Entwicklungen, die in unserer täglichen Praxis eine wesentliche Rolle spielen und an denen wir häufig einen eigenen Anteil haben.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 14.01.2022 - 2 BvR 1528/21 - zur Frage der Rechtsnatur einer Anordnung gegenüber Beamten, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, für Rechtsklarheit gesorgt: Eine solche sei isoliert angreifbar.
Dies war bis zu einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 14.03.2019 – 2 BvR 5.18 – auch einhellige Auffassung gewesen; im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren erfolgte dies bis dahin stets mit dem Antrag, festzustellen, dass der Anordnung keine Folge zu leisten ist. Nachdem aber das BVerwG entschieden hatte, dass eine solche Untersuchungsanordnung als bloße Verfahrenshandlung nicht gesondert mit Rechtsmitteln angreifbar sei, war seither ein entsprechender Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig. Zur Begründung hatte das BVerwG angeführt, der Beamtin stehe Rechtsschutz gegen eine Zurruhesetzungsverfügung zu. Erweise sich hierbei die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, sei dies auch die Zurruhesetzungsverfügung. An der Nichtbefolgung einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung hingegen habe die Beamtin kein schützenswertes Interesse und es bedürfe insoweit auch keines isolierten Rechtsschutzes. Das „Prognoserisiko" sei nicht unzumutbar, denn die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Untersuchungsanordnung seien in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt.
Das BVerfG hat nun durch Beschluss vom 14.01.2022 klargestellt, dass eine Untersuchungsanordnung, mit welcher eine Beamtin verpflichtet wird, sich einer kompletten körperlichen Untersuchung nebst Befragung zu ihrer gesundheitlichen, persönlichen und sozialen Situation im dienstlichen und dem privaten Umfeld zu unterziehen, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreife. Die Beamtin müsse daher der Weisung des Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten, wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung bestehe und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit der Beamtin erforderlich ist. Sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführen Untersuchung seien – insbesondere, um der Beamtin effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen, in der Untersuchungsanordnung zu benennen.
Diesen Anforderungen werde der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht gerecht. Denn eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens würde voraussetzen, dass die Beamtin der Anordnung des Dienstherrn, sich amtsärzlich untersuchen zu lassen, nicht nachkomme. Dies sei für die Betroffene jedoch nicht zumutbar.
Der VGH Baden-Württemberg, der in seiner Rechtsprechung dem BVerwG gefolgt war, musste nun auf die Entscheidung des BVerfG seine entgegengesetzte Rechtsprechung aufgeben und hat mit Beschluss vom 08.07.2022 – 4 S 273/22 – klargestellt, dass isolierter Rechtsschutz gegen eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens nicht durch § 44a Satz 1 VwGO ausgeschlossen ist. Die betroffene Beamtin hatte mit ihrem Rechtsmittel sodann auch Erfolg: Nach Auffassung des VGH war die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung voraussichtlich rechtswidrig.
Die dargestellten Entscheidungen sind für die Praxis von großer Bedeutung: Dienstherren haben die von dem BVerfG konkretisierten hohen Anforderungen an eine Untersuchungsanordnung zu beachten und betroffene Beamte haben (wieder) die Möglichkeit, eine solche isoliert zur rechtlichen Überprüfung zu stellen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas, Stuttgart
Im Zuge der rückwirkenden Verkürzung der Verjährungsfristen haben manche Krankenkassen noch vor Ende 2018 eine Vielzahl von Rückforderungklagen gegen Krankenhäuser anhängig gemacht und dabei z.T. die Kankenhausholding verklagt, nicht den Krankenhausträger. Das LSG NRW hat nun die Vorinstanz bestätigt, wonach die von der Krankenkasse begehrte Berichtigung des falschen Beklagten unzulässig ist, da sie zu einem Beteiligtenwechsel geführt hätte (LSG NRW v. 16.2.2022 - L 11 KR 476/20). Die in der Klageschrift erwähnte IK-Nr. bezeichne lediglich den Leistungserbringer, also das Krankenhaus selbst. § 21 Abs. 1 KHG lasse nicht zweifelsfrei den Rechtsträger erkennen. Fristendruck rechtfertige nicht die falsche Auswahl des Beklagten. Der Rechtsunsicherheit wäre Tür und Tor geöffnet, wenn solcher ab einem bestimmten – welchen? – Ausmaß, nicht im konkreten Verfahren objektivierbare Fehlentscheidungen rechtfertigen könnte. Die Krankenkasse hätte den richtigen Rechtsträger des Krankenhauses verklagen müssen, eine gegen diesen gerichtete Klage war aber bereits verjährt.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Einer privaten Ersatzschule kann die Anerkennung durch das Land Baden-Württemberg nicht deshalb versagt werden, weil diese keinen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach anbietet; das hat der VGH mit Urteil vom 09.05.2022 entschieden und der Berufung der privaten Schulträgerin gegen das ihre Klage abweisende Urteil des VG Sigmaringen stattgegeben. Zur Begründung führt der 9. Senat des VGH aus, die Klage gegen die Auflage, das Fach Religionslehre (katholische und/oder evangelische Religion) entsprechend der für öffentliche Gymnasien geltenden Grundsätze auch in der gymnasialen Oberstufe zu unterrichten bzw. als Unterrichtsfach anzubieten, sei begründet, da die staatliche Anerkennung, durch die eine genehmigte private Ersatzschule das Recht erhalte, Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen, nach § 10 PSchG BW nicht voraussetze, dass dort Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach angeboten werde. Mit der enumerativen Aufzählung in § 10 Abs. 2 PSchG würden die in Absatz 1 normierten „aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen" abschließend konkretisiert. Damit sei es ausgeschlossen, das Erfordernis des Angebots von Religionsunterricht aus der allgemein formulierten Vorgabe in § 10 Abs. 1 PSchG in Verbindung mit anderen Vorschriften herzuleiten, die festlegten, dass der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen sei. Dieses Auslegungsergebnis folge bereits aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung sowie der eindeutigen gesetzlichen Systematik. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe sich entgegen der Ansicht des VG Sigmaringen nichts Anderes. Dass Schulen ohne Religionsunterricht nicht in ihren Lehrzielen hinter öffentlichen Schulen zurückstünden entspreche neben der eigenen auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, so der VGH.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas, Stuttgart
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 19.01.2022, L 10 KR 142/20, eine Entscheidung des SG Duisburg bestätigt, nach welcher einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus ein Anspruch auf Ersatz der durch eine nicht erforderliche Verlegung entstandenen Mehrkosten zusteht (wir berichteten am 27.02.2020). Das LSG bekräftigt zunächst, dass der Anwendungsbereich für die entsprechende Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzvorschrift eröffnet sei. Eine stationäre Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus begründe zwischen seinem Träger und der Krankenkasse ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, für das § 280 Abs 1 BGB gelte. Die in § 1 der FPV getroffenen Regelungen stünden der Anwendbarkeit von § 69 SGB V iVm § 280 BGB nicht entgegen. Diese Vorschriften beinhalten Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen und damit zur ordnungsgemäßen Abrechnung erbrachter Leistungen, träfen indes aber keine Regelungen zu etwaigen Schadensersatzansprüchen bei Pflichtverletzungen. Das erstbehandelnde Krankenhaus habe vor diesem Hintergrund mit der Verlegung die ihm gemäß § 109 iVm § 39 SGB V obliegenden Verpflichtungen verletzt. § 109 Abs 4 S 2 SGB V stelle klar, dass die Zulassung des Krankenhauses zur Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht nur berechtige, sondern auch verpflichte. Da der erteilte Versorgungsauftrag vorliegend auch die geriatrische Frührehabilitation umfasste, habe das Krankenhaus diese Leistung so lange zu erbringen, bis der Versicherte nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürftig sei. Eine Verlegung zur weiteren Krankenhausbehandlung in ein anderes Krankenhaus ohne hinreichende Anhaltspunkte für medizinische oder organisatorische Gründe verstoße gegen diesen Versorgungsauftrag, stelle eine Pflichtverletzung dar und begründe einen Schadensersatzansprüche der Krankenkasse. Gegen diese Entscheidung des LSG NRW ist unter dem Aktenzeichen B 1 KR 18/22 B eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG anhängig.
Den Fall einer aus organisatorischen Gründen gerechtfertigten Verlegung entschied das SG Duisburg hingegen am 30.03.2022, S 60 KR 2053/20, zu Gunsten des Krankenhauses. Mit einem Verlegungsbrief der behandelnden Ärzte, in welchem auf das Fehlen eines kurzfristig verfügbaren Platzes in der klinikeigenen Geriatrie hingewiesen wurde, sei ein organisatorischer Grund für die Verlegung nachgewiesen. Da der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses an die Anzahl der Planbetten gekoppelt sei und eine Verpflichtung zur Überschreitung der Kapazitätsgrenzen nicht bestehe, stelle die Erschöpfung der Kapazitäten einen die Pflichtverletzung nach § 280 BGB ausschließenden Grund dar. Allerdings sei der Grund der Verlegung plausibel darzulegen und in der Patientenakte zu dokumentieren.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Das Bundessozialgericht hat mir Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 15/21 R entschieden, dass ein Krankenhaus für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten hat. Es darf solche Leistungen nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagern. Zwar können Krankenhäuser auch Leistungen Dritter abrechnen, die für Behandlungen von ihm veranlasst wurden. Das Gesetz erlaubt jedoch nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der von seinem Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagert, die nicht in seine Organisation eingegliedert sind. Das Krankenhaus hat für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc) die erforderliche Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentlich sind dabei alle Leistungen, die in der jeweiligen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologischer Untersuchungen. Weist der Krankenhausplan für ein Krankenhaus eine Fachabteilung für Strahlentherapie aus, hat das Krankenhaus diese aber geschlossen und strahlentherapeutische Leistungen seit Jahren durch eine in unmittelbarer Nähe befindliche ambulante Strahlentherapiepraxis erbringen lassen, kann es Bestrahlungen stationärer Patientinnen und Patienten nicht als Krankenhausvergütung abrechnen. Bestrahlungen sind für ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag für Strahlentherapie wesentliche Leistungen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner ist das dritte Jahr in Folge in der Liste der "Besten Wirtschaftskanzleien" von brand eins und Statista platziert. Die Auszeichnung basiert auf einem unabhängigen zweistufigen Erhebungs- und Bewertungsverfahren, das Empfehlungen von Geschäfts- und Unternehmenskunden berücksichtigt und somit tausende von Urteilwen bündelt.
Die Kanzlei ist des Weiteren auch in 2022 - wie in den Jahren 2020 und 2021 - in der Liste der „Besten Wirtschaftskanzleien 2022" von brand eins und Statista platziert. Die Auszeichnung basiert auf einem unabhängigen zweistufigen Erhebungs- und Bewertungsverfahren, das Empfehlungen von Experten sowie von Inhouse-Juristen aus mittleren und großen Unternehmen berücksichtigt und damit tausende von Urteilen bündelt.
Auf unseren Antrag hin hat das SG Dortmund einen Gutachter wegen Befangenheit abgelehnt. Seine Aussagen „dieser Punkt ist toll formuliert. Die Bevollmächtigte des Klägers ist in der Lage, mehrere Punkte aus dem Kontext herauszunehmen und etwas ganz anderes daraus zu kreieren, was ursprünglich so nicht gemeint war" und „Schade ist, dass die SEG 4 Richtlinie nicht bei dem Versicherten anzusetzen sind, weil es keine Indikation zur stationären Aufnahme gibt. Dieser Punkt ist wieder mal toll vorgestellt, am Ende aber nicht zielführend" seien geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der süffisante Tonfall „toll" und „Schade ist" legen nahe, dass dies Ausführungen und kritischen Anmerkungen des Klägers nicht (mehr) in der nötigen Professionalität und Neutralität durch den Gutachter bewertet werden. Erschwerend komme hinzu, dass sich der Sachverständige unaufgefordert zu einen Ausführungen veranlasst gesehen habe, was den Eindruck einer emotional begründeten Voreingenommenheit gegen dem Kläger bzw. seiner Bevollmächtigten noch verstärke. Der spätere Versuch, seine Ausführungen zu versachlichen, lasse den „bösen Schein" der Besorgnis der Befangenheit" nicht entfallen (SG Dortmund, Beschl. 31.3.2022, S 83 KR 43/17).
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Wenngleich die seit 01.01.2022 geltende PrüfvV eine Aufrechnung zur Durchsetzung von Erstattungsforderungen der Krankenkassen nur noch in Ausnahmefällen für nicht bestrittene, geeinte oder rechtskräftig festgestellte Forderungen erlaubt, war dies in der Vergangenheit überwiegende Praxis. Umstritten war und ist insofern allerdings, ob und in welchem Rahmen die Landesverträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V und die seit dem 01.01.2015 geltende Fassung der PrüfvV derartige Aufrechnungen reglementieren können. Das LSG NRW hat insofern hinsichtlich eines Behandlungsfalles aus dem Jahre 2015 mit Urteil vom 29.09.2021, L 11 KR 472/17, erneut ein Aufrechnungsverbot im nordrhein-westfälischen Landesvertrag bekräftigt. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b) SGB V erfasse auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen über die Abrechnung von Entgelten; dies schließe die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen mit ein.
Das BSG wird sich demnächst mit derartigen Regelungen im Thüringischen sowie Hamburgischen Landesvertrag befassen (B 1 KR 5/22 R sowie B 1 KR 32/21 R). Es hat allerdings bereits festgestellt, dass ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot nichtig ist, wenn der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV eröffnet ist (Urteil vom 30. Juli 2019, B 1 KR 31/18 R). Mit Entscheidung vom 10.11.2021, B 1 KR 36/20, wurde ergänzend klargestellt, dass erst die Anfügung des § 275 Abs. 1 c Satz 4 SGB V a.F. zum 01.01.2016 zur Folge hatte, dass sich der Anwendungsbereich der bis dahin nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit der Behandlung geltenden PrüfvV ab diesem Zeitpunkt auch auf sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen erweiterte. Maßgeblich ist gemäß Urteil des BSG vom 16.07.2020, B 1 KR 15/19 R, insofern nicht der Beginn der Behandlung, sondern der Zugang des Prüfauftrages bei dem Krankenhaus nach dem 31.12.2015. Sofern ein vor diesem Zeitpunkt zugegangener Prüfauftrag neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung umfasste, wurde hierdurch die Anwendbarkeit der PrüfvV nicht insgesamt ausgeschlossen, sondern nur insoweit, als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung betroffen ist. Dass beide Prüfarten in einem Prüfauftrag zusammengefasst sind und die Prüfungen zusammen durchgeführt werden konnten, schließt die Geltung unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Vorgaben und Fristen nach Ansicht des BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 43/20 R, nicht aus.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Mit den nunmehr vorliegenden schriftlichen Urteilsgründen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 10.11.2021 (B 1 KR 16/21 R) klargestellt, dass die oftmals seitens des Medizinischen Dienstes verwendete pauschale Formulierung der Anforderung "sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen" für sich genommen die Rechtsfolgen einer materiellen Präklusion des § 7 Abs 2 der PrüfvV nicht auslösen kann und dies gleichermaßen für die PrüfvV 2014 und 2016 gilt. § 7 Abs 2 Satz 2 PrüfvV 2016 sei in diesem Zusammenhang gegenüber der Vorgängerregelung in der PrüfvV 2014 unverändert geblieben. Die Verantwortung für die Festlegung des Prüfumfangs und der Ermittlungstiefe läge nach wie vor beim MD. Versäume dieser die sachgerechte Eingrenzung der zur Abrechnungsprüfung benötigten Unterlagen, träte das Interesse der Krankenkasse an der Überprüfung der Abrechnung hinter dem Interesse des Krankenhauses an vollständiger Vergütung der erbrachten Leistungen zurück. Das Krankenhaus trifft daher zwar grundsätzlich keine von der Anforderung des MDK unabhängige Obliegenheit zur Übersendung von Unterlagen. Der Unterscheid zwischen der PrüfvV 2014 und 2016 besteht allerdings darin, dass es nach § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2016 akzessorisch - zu den Unterlagenanforderungen des MDK - die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen "ergänzen" sollte. Auch auf diese Obliegenheit kann sich die materielle Präklusionswirkung erstrecken.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und -pflichten Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit eines bereits entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung. Das BSG hat in einem Beschluss vom 06.09.2021 (Az. B 1 KR 99/20 B) nun erneut klargestellt, dass die Erfüllung dieser Informationspflichten jedoch keine Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs selbst ist. Eine nach § 301 SGB V gebotene, aber zunächst unterlassene Information kann somit nachgeholt und die Fälligkeit des bereits entstandenen Vergütungsanspruchs dadurch begründet werden, dass das Krankenhaus zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere im Gerichtsverfahren, die Angaben schriftsätzlich nachholt oder sich geeignete Angaben Dritter, insbesondere Ausführungen in Gerichtsgutachten, zu eigen macht und es insoweit keiner mit den neuen Angaben zu erstellenden Rechnung bedarf, um die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs herbeizuführen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Mit Urteil vom 6.12.2021 (S 60 KR 1322/20) hat das SG Duisburg zugunsten eines von uns vertretenen Krankenhauses entschieden, dass bei einer MDK-Prüfung im Rahmen einer Begehung vor Ort die Präklusionsregelung gem. § 7 Abs. 2 PrüfvV nicht gilt. Denn diese Vorschrift findet nach dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik der vorliegend anwendbaren PrüfvV 2017 ausschließlich auf das schriftliche Prüfverfahren des MDK, nicht aber auf die vorliegend durchgeführte Prüfung vor Ort im Krankenhaus Anwendung (für die PrüfvV 2014: BSG, Urteil vom 18.05.2021 - B 1 KR 32/20 R -, juris, Rn. 15 und LSG NRW, Urt. v. 17.12.2020- L 16KR 238/19 -, nicht veröffentlicht). Sowohl die Prüf 2014 als auch die neue PrüfvV 2017 differenzieren ausdrücklich zwischen der Prüfung vor Ort und dem schriftlichen Verfahren. Während § 7 Absatz 2 Satz 1 die Vorortprüfung normiert, beziehen sich die weiteren Sätze des S 7 Absatz 2 Satz 2 bis10 PrüfvV 2017 allein auf die Prüfung im schriftlichen Verfahren. Zwar bestimmt § 276 Absatz 4 SGB V, dass der MDK die Krankenunterlagen im Krankenhaus einsehen kann. Anders als § 7 Absatz 6 PrüfvV enthält weder § 276 Absatz 4 SGB V noch § 7 Absatz 2 Satz 1 Prüf/ 2017 eine Sanktion für eine etwaige nicht umfängliche Einsicht in die Patientenakte, die vorliegend überdies nicht einmal behauptet wird. Zu einer etwaigen analogen Anwendung hat das LSG NRW in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 17.12.2020 -L 16 KR 238/19 -, wie folgt ausgeführt: „Inwieweit die Bestimmungen der PrüfvV als Normenvertrag (BSG, Urt. vom 30.07.2019, a. a. 0.) und damit als untergesetzliche Regelungen überhaupt im Sinne einer einseitig eine Vertragspartei begünstigende erweiternden · Anwendung analogiefähig sind, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an den weiteren Voraussetzungen für die Analogie von Rechtsnormen. Diese setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus, die nach dem in § 7 Absatz 2 Satz 4 PrüfvV 2014 enthaltenen Rechtsgedanken und dem mit ihm verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 19.11.2019 - B 1 KR 13/19-, BSGE 129, 232-241, So2R 4-2500 $ 76 Nr 6 Rn. 13). Schon eine solche Regelungslücke lässt sich nicht feststellen. Wie bereits ausgeführt, haben die Vertragsschließenden zwei unterschiedliche Prüfregime in § 7 PrüfvV 2014 geregelt. Wenn sie nur für das eine Prüfverfahren sanktionsrechtliche Konsequenzen vereinbaren, spricht nichts dafür, dass dies unbeabsichtigt geschehen ist. Dies gilt umso mehr, weil hier die Prüfmodalitäten im schriftlichen Verfahren in der PrüfvV 2014 geregelt worden sind, während die Prüfung vor Ort ausschließlich den Bestimmungen des SGB V unterliegen soll. Dass § 276 Absatz 4 SGB V keine entsprechenden rechtlichen Folgen an die im Krankenhaus zu vertretenden Beeinträchtigungen der Prüfungsmöglichkeiten durch den MDK knüpft, ist dabei aber so offensichtlich, dass das Fehlen einer Vereinbarung hierüber nicht als Versehen gewertet werden kann.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 12.5.2021 (L 9 KR 190/18) ebenso wie das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 30.03.2021 (L 11 KR 2846/19, n. rkr.), das SG Karlsruhe mit Urteil vom 12.11.2020 (S 5 KR 1859/20), das SG Dortmund mit Urteil vom 17.09.2020 (S 93 KR 7696/19) und das SG Kassel mit Urteil vom 22.07.2021 (S 8 KR 94/17) darauf hingewiesen, dass ein Krankenhaus nur im Rahmen einer (fristgerecht eingeleiteten) Abrechnungsprüfung die objektive Beweislast für die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung trägt. Führt die Krankenkasse keine Abrechnungsprüfung durch oder leitet sie eine solche Prüfung erst nach Ablauf der in § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V (bzw. seit 1.1.2020 § 275c Abs 1 Satz 1 SGB V) geregelten Frist ein, führt der ungenutzte Ablauf der Prüfeinleitungsfrist dazu, dass Krankenkassen und Medizinischer Dienst bei einzelfallbezogenen Prüfungen auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - zur Verfügung gestellt hat; das Krankenhaus ist sodann auch im gerichtlichen Verfahren nicht mehr verpflichtet, die Patientenakten vorzulegen. Lassen die schlichten Abrechnungsdaten eine Beantwortung der Streitfrage nicht zu, geht dies zu Lasten der Krankenkasse, der es nach Versäumen der Prüfeinleitungsfrist obliegt, eine rechtsgrundlose Zahlung darzulegen und nachzuweisen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Hat eine primäre Fehlbelegungsprüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt, können Krankenkassen bei Fällen mit ambulantem Potential die Erstattung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c bzw. § 275c Abs. 1 SGB V nicht pauschal unter Verweis darauf ablehnen, das Krankenhaus habe keine gesonderte Begründung für die stationäre Behandlung übermittelt und daher die Prüfung veranlasst, sofern sich eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bereits aus den übermittelten Haupt- und Nebendiagnosen sowie Prozeduren andeutet. Dies hat das Sozialgericht Detmold in von uns vertretenen Verfahren mit Urteilen vom 06.09.2021 (S 24 KR 744/20) sowie 01.09.2021 (S 5 KR 742/20) entschieden. Das BSG hat nicht vorgegeben, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine Mitteilung der besonderen, für eine stationäre Aufnahme sprechenden Gründe erfolgen muss (BSG, Urt. vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.03.2019, L 1 KR 101/17). Ist die Übermittlung des Datensatzes zutreffend und ausreichend, um eine stationäre Behandlung zu plausibilisieren, kann ein Krankenhaus das Prüfverfahren somit nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst haben - unabhängig davon, dass es angesichts der gebotenen Wortlautauslegung des § 275 Abs. 1c / 275c Abs. 1 SGB V ohnehin keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines verschuldensabhängigen Veranlassungsprinzips gibt.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
E-Tretroller („E-Scooter") sind in vielen Innenstädten als vermeintlich ökologisches Fortbewegungsmittel vertreten. Zugleich führen die Vorgänge ihrer Vermietung, Nutzung und insbesondere des wilden Abstellens immer wieder zu Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund ist unsicher, ob ein E-Tretroller-Verleih im Sinne von Bereitstellen bzw. Abstellen der Fahrzeuge im öffentlichen Straßenraum eine straßenrechtlich genehmigungspflichtige Sondernutzung oder ein bloßer Gemeingebrauch ist. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit Beschl. v. 20.11.2020 – 11 B 1459/20 – DÖV 2021, 319 entschieden, dass es sich im Rahmen der Wertung im Eilverfahren nicht um Gemeingebrauch, sondern um Sondernutzung handele, da sie „nicht vorwiegend zum Zwecke des Verkehrs, sondern zu anderen Zwecken" stattfindet. Dies erfordert eine Sondernutzungserlaubnis. Dadurch steigt der Druck für Kommunen und Anbieter, sich über das Bereitstellen und das Abstellen solcher Fahrzeuge im öffentlichen Straßenraum im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zu einigen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Mit Beschl. v. 07.06.2021 – 4 BN 50.20 – hat das BVerwG entschieden, dass der in der Bekanntmachung einer öffentlichen Auslegung eines Bauleitplanentwurfs nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB enthaltene Zusatz, dass Stellungnahmen „schriftlich oder zur Niederschrift" der Verwaltung vorgebracht werden könnten, unschädlich ist. Er schränke „die Beteiligungsrechte möglicher Betroffener auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten elektronischer Kommunikation wie etwa per E-Mail nicht unzulässig ein". Das BVerwG geht in dem Beschluss davon aus, dass die planende Gemeinde auch per E-Mail eingereichte Stellungnahmen im Planaufstellungsverfahren berücksichtigen muss. Dies lässt sich aus der großzügigen Präklusionsvorschrift des § 4a Abs. 6 BauGB schließen. Es ist daher empfehlenswert, dass planende Gemeinden künftig den Zusatz „schriftlich oder zur Niederschrift" in Auslegungsbekanntmachungen ganz weglassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Zugunsten eines von uns vertretenen Krankenhausträgers hat das LSG NRW entschieden, dass psychiatrische Krankenhäuser einen Anspruch auf Ermächtigung von Institutsambulanzen nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGB V haben, die in zum Krankenhaus gehörenden Tageskliniken betrieben werden (LSG NRW vom 28.4.2021, L 11 KA 44/17, L 11 KA 45/17, L 11 KA 46/17, L 11 KA 70/17, L 11 KA 18/18, L 11 KA 31/18 und L 11 KA 32/18). Hintergrund des jahrelangen Rechtsstreits war eine auf Veranlassung der Krankenkassen erfolgte „Feststellung" des Berufungsausschusses (BA), wonach die ursprünglichen noch aus den Jahren 1993 stammenden Institutsermächtigungen sich „nicht auf Tageskliniken beziehen, die ohne räumliche und organisatorische Bindung an das Krankenhaus betrieben werden." Der BA vertrat dabei die Auffassung, dass das Krankenhaus nicht berechtigt sei, an psychiatrischen Tageskliniken, die sich in räumlicher Distanz zum Krankenhaus befinden, eine PIA zu betreiben, hierfür müsse jeweils eine bedarfsgebundene Ermächtigung nach § 118 Abs. IV SGB V beantragt werden. Die Klagen gegen die Änderungen der Ursprungsermächtigungen hatten erstinstanzlich Erfolg, die zuständigen Sozialgerichte Dortmund, Gelsenkirchen, Münster und Detmold hoben die Bescheide des BA auf. Die Urteile wurden nun vom LSG NRW bestätigt. Die Bescheide seien allesamt rechtswidrig, weil der BA schon nicht befugt gewesen sei, die einmal erteilten Ermächtigungen im Nachhinein – noch dazu für die Vergangenheit - zu korrigieren. Außerdem seien die Bescheide mangels Bestimmtheit rechtswidrig und daher aufzuheben, weil völlig unklar sei, welche Tageskliniken von der Ermächtigung noch umfasst sein sollten. Das LSG NRW stellte zudem klar, dass sich die Ermächtigung des Krankenhauses nach § 118 Abs. 1 SGB V auch auf die an den Tageskliniken betriebenen psychiatrische Institutsambulanzen erstreckt, da auch diese Tageskliniken Krankenhäuser im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB V seien. Anhaltspunkte dafür, dass es auf eine bestimmte Entfernung vom Hauptsitz des Krankenhause ankäme, bestehen nicht. Revision zum BSG wurde nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Die mit Spannung erwarteten schriftlichen Urteilsgründe zu den Grundsatzentscheidungen des BSG vom 18.05.2021 wurden nun veröffentlicht. Im Verfahren B 1 KR 32/20 R lassen sich diese wie folgt zusammenfassen:
1. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen vorgelegt hat, auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel endgültig ausgeschlossen. Der Inhalt präkludierter Unterlagen darf auch nicht - unter Umgehung der Präklusionsregelung - etwa durch ersetzende Zeugenaussagen in das Verfahren eingeführt werden.
2. Eine pauschale Anforderung des MDK, zB "aller zur Begründung des Anspruchs erforderlicher Unterlagen", löst die Rechtsfolge des § 7 Abs 2 PrüfvV nicht aus.
3. Die Begründung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses durch andere als die angeforderten, aber nicht vorgelegten Unterlagen schließt die Vorschrift des § 7 Abs. 2 nicht aus. Ein Ausschluss des Anspruchs tritt daher nicht immer schon dann ein, wenn das Krankenhaus nicht alle angeforderten Unterlagen vorgelegt hat. Das Krankenhaus kann seinen Anspruch vielmehr unabhängig davon mit allen Unterlagen begründen, die nicht nach § 7 Abs 2 PrüfvV präkludiert sind. Sowohl der MDK als auch später eventuell die Gerichte müssen bei der Anspruchsprüfung folglich alle Unterlagen als Tatsachengrundlage berücksichtigen, auf die sich das Krankenhaus ohne Verstoß gegen die Obliegenheit zur Vorlage nach § 7 Abs 2 inhaltlich bezieht, da Krankenkassen Vergütungsansprüche nicht beliebig streitig stellen können. Sinn und Zweck der Regelung gebieten es daher nicht, die Begründung des Vergütungsanspruchs mit anderen als den vom MDK angeforderten Unterlagen zu unterbinden.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Mit Urteil vom 13.7.2021 hat sich das OVG NRW (13 A 349/20) mit der Frage befasst, ob nach Abschluss des in NRW vorgesehenen regionalen Planungskonzeptes der Antrag eines Krankenhauses auf Planbettenerhöhung von der zuständigen Planungsbehörde noch berücksichtigt werden muss. Das OVG NRW verneint eine solche Pflicht. Wie mit Anträgen zu verfahren sei, die nach Abschluss des regionalen Planungskonzeptes aber noch vor Erlass eines Feststellungsbescheides gestellt werden, bestimme das KHGG NRW nicht, die Entscheidung liege deshalb im Verfahrensermessen der Planungsbehörde. Daher wurde im Ergebnis die Drittanfechtungsklage eines Krankenhauses gegen die Aufnahme eines anderen Krankenhauses mit einer Abteilung Geriatrie als unzulässig abgewiesen, weil mangels eines eigenen noch zu berücksichtigenden Antrages der Klägerin die Behörde keine Auswahlentscheidung getroffen hatte und auch nicht treffen musste. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Am 28.05.2021 hat der Bundestag das Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Darin wird § 13 b BauGB erneut nahezu unverändert erlassen. Dies wirft für viele Gemeinden die Frage auf, ob nun nach dem bisherigen § 13 b BauGB begonnene Verfahren, die unter einem erheblichen zeitlichen Druck für den Abschluss bis zum 31.12.2021 stehen, unter Berufung auf den erneuten Erlass von § 13 b BauGB auch noch später abgeschlossen werden dürfen.
Dies ist nicht der Fall: § 245 d neu BauGB regelt nichts zum erneuten Inkrafttreten des § 13 b BauGB. Folglich gilt nach § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dass begonnene Bebauungsplanaufstellungsverfahren nach dem bisherigen Recht abzuschließen sind. Möglich ist, dass das Bebauungsplanaufstellungsverfahren nach § 13 b BauGB nach Inkrafttreten der neuen Vorschrift auf dieser Rechtsgrundlage sicherheitshalber mit einem erneuten Bebauungsplanaufstellungsbeschluss neu begonnen und durchgeführt wird.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner zählt für die Redaktion des Magazin der Wirtschaftswoche auf Basis einer unabhängigen Datenerhebung und der Entscheidung einer Expertenjury wie bereits 2020 auch in 2021 zu einer von Deutschlands Top-Kanzleien im Medizinrecht: Quaas & Partner wurde in der aktuellen WirtschaftsWoche-Listung im Rechtsgebiet "Medizinrecht" als "TOP Kanzlei 2021" ausgezeichnet und Frau Rechtsanwältin Dr. Heike Thomae wird als "TOP Anwältin 2021" empfohlen. Das Handelsblatt Research Institute befragte mehr als mehr als 580 Medizinrechtler aus 160 Kanzleien nach den renommiertesten Kanzleien und Anwälten Ihres Rechtsgebiets. Die entstandene Liste wurde von einer Expertenjury bewertet. Für die Behandlerseite also für Ärzte, Kliniken, Pharmaunternehmen und Versicherer wurden 39 führende Kanzleien und 60 besonders empfohlene Anwälte herausgefiltert.
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner zählt für die Redaktion des Magazin der Wirtschaftswoche auf Basis einer unabhängigen Datenerhebung und der Entscheidung einer Expertenjury wie bereits 2020 auch in 2021 zu einer von Deutschlands Top-Kanzleien im Medizinrecht: Quaas & Partner wurde in der aktuellen WirtschaftsWoche-Listung im Rechtsgebiet "Medizinrecht" als "TOP Kanzlei 2021" ausgezeichnet und Frau Rechtsanwältin Dr. Heike Thomae wird als "TOP Anwältin 2021" empfohlen. Das Handelsblatt Research Institute befragte mehr als mehr als 580 Medizinrechtler aus 160 Kanzleien nach den renommiertesten Kanzleien und Anwälten Ihres Rechtsgebiets. Die entstandene Liste wurde von einer Expertenjury bewertet. Für die Behandlerseite also für Ärzte, Kliniken, Pharmaunternehmen und Versicherer wurden 39 führende Kanzleien und 60 besonders empfohlene Anwälte herausgefiltert.
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner ist das zweite Jahr in Folge in der Liste der "Besten Wirtschaftskanzleien" von brand eins und Statista platziert. Die Auszeichnung basiert auf einem unabhängigen zweistufigen Erhebungs- und Bewertungsverfahren, das Empfehlungen von Geschäfts- und Unternehmenskunden berücksichtigt und somit tausende von Urteilen bündelt.
Gem. § 90 SGG ist eine Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Eine Krankenkasse hatte kurz vor Ablauf der rückwirkend verkürzten Verjährungsfrist in einer Vielzahl von Fällen, Rückforderungsklagen gegen Krankenhäuser erhoben ohne Verwendung eines Briefkopfes sowie ohne Unterschrift und Stempel, ein Verfasser war nicht erkennbar. Das LSG NRW hat nun in drei Entscheidungen vom 19.4.2021 (L 10 KR 925/19, L 10 KR 907/19, L 10 KR 851/19) die Klagen als unzulässig abgewiesen und damit die erstinstanzlichen Urteile bestätigt, da keine wirksame Klageerhebung vorlag. Die Schriftstücke ließen eine Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen nicht hinreichend sicher erkennen. Sie vermittelten vielmehr den Eindruck von Entwürfen, die noch nicht freigegeben worden waren. Insofern komme Stempel, Beglaubigungsvermerk bzw Unterschrift bei einer Behörde oder Körperschaft des öffentlichen Rechts eine höhere Bedeutung zu als bei Privatpersonen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Ein Krankenhaus hat Anspruch darauf, dass ein stationär durchgeführter Eingriff zumindest in Höhe ambulanter Vergütungssätze von der Krankenkasse bezahlt wird, auch wenn es hierüber keine Abrechnung gibt. In einem von uns vertretenen Fall hatte das Krankenhaus, das gem. § 115b SGB V zu ambulanten Augenoperationen zugelassen ist, einen Eingriff stationär durchgeführt und abgerechnet. Im gerichtlichen Verfahren hatte der Sachverständige keine Notwendigkeit zur stationären Durchführung erkennen können, das Krankenhaus reduzierte daraufhin die Forderung und verlangte die Bezahlung in Höhe einer ambulanten Vergütung, wozu es eine fiktive Abrechnung vorlegte, ohne die stationäre Abrechnung zu stornieren. Die Krankenkasse lehnte dies ab mit der Begründung, hierüber gäbe es keine Rechnung. Dem folgte das Sozialgericht und wies die Klage ab. Das LSG NRW hat mit Urteil vom 19.4.2021 (L 10 KR 448/20) die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Krankenkasse zur Zahlung der ambulanten Vergütung verurteilt. Es verwies darauf, dass dem Krankenhaus die Vergütung zustehe, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten, mithin bei ambulanter Durchführung der Operation, angefallen wäre. Einer förmlichen Rechnung hierüber bedürfe es nicht, weil die Zahlungspflicht schon unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung entsteht. Die stationäre Abrechnung sei auf die wirtschaftliche ambulante Vergütung zu kürzen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmi-gungsverfahren währen der Covid-19-Pandemie (Planungssicherstellungsge-setz – PlanSiG), BGBl. 2020, S. 1041, in Kraft getreten am 29.05.2020, regelt die „Sicherstellung" von Planungen bis zum 31.03.2021 dadurch, dass ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen (§ 2) sowie Auslegungen von Unterlagen oder Entscheidungen (§ 3) verfristet durch Veröffentlichungen im Internet ersetzt werden. Am 25.03.2021 ist die Verlängerung bis 31.12.2022 (!) in Kraft getreten (BGBl. I 2021, 353). Es erscheint unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber mit weiteren eindreiviertel Jahren Pandemie rechnet. Stattdessen wird hier offensicht-lich zugleich die Gelegenheit ergriffen, Beteiligungsprozesse in Planaufstellungs-verfahren zu digitalisieren. Dabei bleiben Bevölkerungsteile außen vor, die keinen einfachen Zugang zu online-Informationen haben.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk, Stuttgart
Mit überraschendem Urteil vom 25.03.2021, B 1 KR 25/20 R, hat das BSG seine vielfach kritisierte und dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufende Rechtsprechung zum Einsatz neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Bereich nach § 137 c SGBV aufgegeben. Bislang hatte der 1. Senat einen Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen außerhalb von Erprobungsrichtlinien bei neuen Methoden mit dem Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative nur dann bejaht, wenn für die zugrundeliegende Methode bereits ein voller Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute vorlag. Hieran hält das BSG erfreulicherweise nicht mehr fest und geht nunmehr richtigerweise davon aus, dass § 137c Abs. 3 SGB V eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebot beinhaltet. Soweit der 1. Senat ausweislich des bislang vorliegenden Terminberichts allerdings in Anlehnung an die Regelung des § 2 Abs. 1 a SGB V eine restriktive Auslegung dahingehend fordert, dass es sich um die individuelle Behandlung einer schwerwiegenden, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung handeln müsse, für welche keine andere Standardbehandlung verfügbar sei und zudem die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des G-BA für die Annahme des Potenzials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sein müssten, bleibt die instanzgerichtliche Rechtsprechung abzuwarten.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Mit Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 23/15, hatte das BSG die Konstellation der Erbringung einer ambulanten Portimplantation im Nachgang zu einer stationären Behandlung dahingehend entschieden, dass die Portimplantation aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots als nachstationäre Behandlung i.S.d. § 115 a SGB V zu erbringen und somit unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 3 KHEntgG mit der Fallpauschale abgegolten sei. Ein Port diene dem Zweck, die unmittelbar vorangehende vollstationäre Behandlung festigend zu ergänzen und sei daher nicht gesondert als ambulante Operation abzurechnen.
Die Frage der Abrechenbarkeit einer ambulanten Portimplantation vor einem stationären Aufenthalt ist hingegen bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Das LSG Rheinland-Pfalz hatte insoweit mit Urteil vom 30.04.2014, L 5 KR 181/13, darauf hingewiesen, dass eine Portimplantation vor mehreren stationären Chemotherapiebehandlungen keine Maßnahme zur Vorbereitung einer vollstationären Behandlung darstelle und daher nicht unter § 115 a Abs. 1 SGB V zu subsummieren sei. Sei die Zielrichtung einer ambulanten Operation nicht spezifisch gerade auf die nachfolgende stationäre Behandlung bezogen, sei § 115a SGB V nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht anwendbar.
Nunmehr liegt eine weitere Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 03.11.2020, L 11 KR 2819/19 vor: Bei einer Versicherten wurde ambulant eine Portimplantation durchgeführt, in deren Nachgang mehrere Chemotherapieabschnitte im stationären Setting erfolgten. Eine Verordnung von Krankenhausbehandlung lag nicht vor. Die Krankenkasse hatte eine gesonderte Vergütung der Portimplantation als ambulante Leistung mit der Begründung abgelehnt, die Portimplantation könne wirtschaftlicher als vorstationäre Behandlung i.S.d. § 115 a Abs. 1 SGB V erbracht werden, so dass sie gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 KHEntgG neben der für den stationären Aufenthalt zu zahlenden Fallpauschale nicht gesondert abrechenbar sei. Das LSG entschied jedoch, dass dem vom Krankenhausträger geltend gemachten Vergütungsanspruch für die ambulante Portimplantation zur Vorbereitung einer Chemotherapie nicht entgegengehalten werde könne, dass die Portimplantation als vorstationäre Behandlung hätte erbracht werden müssen (wirtschaftliches Alternativverhalten), da es vorliegend an einer Verordnung von Krankenhausbehandlung fehlte. Der Anwendungsbereich des § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei insofern ausgeschlossen, wenn die erforderliche Verordnung von Krankenhausbehandlung nicht vorläge. Diese erfordere eine begründete Verordnung eines Vertragsarztes oder eines sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden. Ein Krankenhaus könne nicht auf das wirtschaftlichere Verhalten verwiesen werden, wenn dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
Das LSG NRW hat sich in zwei Entscheidungen vom 08.09.2020 (L 5 KR 795/18) sowie 22.10.2020 (L 16 KR 216/20) mit der Frage der stationären Behandlungsnotwendigkeit bei Erbringung von Leistungen aus dem AOP-Katalog befasst: Dem ersten Verfahren lag ein sog. Varizen-Stripping als eine im AOP-Katalog genannte Leistung der Kategorie 1 zugrunde. Das LSG betont, dass diese damit in der Regel nicht sowohl als auch (dann Kategorie 2), sondern - abgesehen von Ausnahmefällen - unstreitig ausschließlich ambulant zu erbringen sei. In Abweichung hierzu bestimme zwar § 3 Abs. 3 des AOP-Vertrages, dass eine stationäre Durchführung solcher in der Regel ambulant durchzuführenden Leistungen erforderlich sein kann, wenn die Kriterien gemäß Anlage 2 zu den Gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren (G-AEP Kriterien) erfüllt seien. Dies könne jedoch vorliegend dahinstehen, da das Krankenhaus derartige Angaben zu besonderen Umständen, die - ausnahmsweise - stationäre Behandlung bedingt hätten, der Krankenkasse nicht übermittelt hatte, wozu es nach der Rechtsprechung des BSG bei regelhaft ambulant durchführbaren Eingriffen verpflichtet wäre. Schon deshalb sei ein Vergütungsanspruch zu verneinen. Die zweite Entscheidung betraf hingegen die stationäre Durchführung eines AOP-Eingriff der Kategorie 2. Diesbezüglich betont das LSG, dass der streitige Eingriff in Form einer kombinierten Schieloperation zwar grundsätzlich auch ambulant durchführbar sei, es bestehe aber – anders als bei Leistungen der Kategorie 1 – keine Vermutung dafür. Vielmehr bedürfe es der Prüfung, ob die behandelnden Ärzte aus der gebotenen ex-ante-Sicht einen hinreichenden Grund für die stationäre und nicht ambulante Durchführung annehmen konnten, was vorliegend aufgrund der Arzt und Weise der Augenoperation und dem jugendlichen Alter des Patienten der Fall war. In dieser Kombination handele es sich gerade nicht um rein abstrakte und von den Parteien des AOP-Vertrages bereits abschließend bewertete Risiken. Unerheblich sei, dass die G-AEP Kriterien hier nicht einschlägig seien, zumal es sich insoweit lediglich um eine nicht abschließende Positivliste handele.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund
In einem von der Anwaltskanzlei Quaas und Partner geführten Rechtsstreit hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 9.12.2020 (L 5 KR 2614/17) die Klage einer Krankenkasse auf Rückzahlung von Umsatzsteuer auf von der Krankenhausapotheke abgegebene Fertigarzneimittel abgewiesen und damit eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Das LSG verweist zur Begründung auf den der Abrechnung zugrunde liegenden Vertrag nach § 129a SGB V sowie darauf, dass sich bislang an der umsatzsteuerrechtlich geltenden Erlasslage nichts geändert habe. Eine solche Änderung gebe es bisher nur hinsichtlich der individuell für den einzelnen Patienten hergestellten Medikamente auf Grundlage des BFH-Urteils vom 24.9.2014. Die Prüfung, ob die umsatzsteuerrechtliche Erlasslage mit höherrangigem, insbesondere europäischem Recht, zu vereinbaren sei, obliege nicht der Sozial-, sondern der Finanzgerichtsbarkeit. Entscheidungen der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten – hier der Sozialgerichtsbarkeit – entfalte im Verhältnis Krankenhaus und Krankenkasse in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung. Die Revision zum BSG wurde vom LSG nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Sieben, Stuttgart und Dr. Thomae, Dortmund
Das BSG hält mit seiner Entscheidung vom 17.12.2020, B 1 KR 13/20 R, an dem vielfach kritisierten Erfordernis fest, wonach eine Kodierung von Spontanatmungsstunden gemäß der DKR 1001l in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung voraussetzt, dass der Patient vom Beatmungsgerät durch den Einsatz einer Methode der Entwöhnung entwöhnt wurde, weil zuvor eine "Gewöhnung" an die maschinelle Beatmung eingetreten ist (Urteil vom 19.12.2017, B 1 KR 18/17 R). Gleichwohl relativiert der 1. Senat nach dem bislang vorliegenden Terminsbericht offenbar die Anforderungen an eine „Gewöhnung" dahingehend, dass diese nicht allein durch eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der maschinellen Beatmung eintreten, sondern auch darauf beruhen kann, dass die Unfähigkeit zur Spontanatmung bereits aufgrund der behandelten Erkrankung oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren eintritt. Der regelmäßigen Forderung der Krankenkassen nach einer Mindestbeatmungszeit dürfte damit die Grundlage entzogen sein. In diesem Zusammenhang sei auch auf die aktuellen Entscheidungen des Bundesschlichtungsausschusses vom 02.12.2020 (KDE 584 sowie KDE 549) hingewiesen, wonach die Beatmung eines von Anbeginn an diskontinuierlich nichtinvasiv über Maske beatmeten, intensivmedizinisch versorgten Patienten sich nach den Regelungen der jeweils gültigen DKR richtet, welche bei Ermittlung der Gesamtbeatmungsdauer im Rahmen des Weanings die Anrechnung von Zeiten mit Beatmung und beatmungsfreien Intervallen in dem dort geregelten Umfang mit einschließen. Eine durchgehende Beatmung von bestimmter Dauer als Voraussetzung für ein Weaning wurde und wird dort nicht gefordert.
Ihre Ansprechpartner: Kristina Schwarz, Dortmund / Dr. Peter Sieben, Stuttgart
Krankenhäuser dürfen die multimodale Schmerztherapie nur dann kodieren, wenn die beteiligten Psychotherapeuten eine Approbation haben. Das hat der Krankenhaussenat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel entschieden.
Er wies damit eine Fachklinik für Orthopädie aus Sachsen ab. Diese beschäftigte im Streitjahr 2014 eine Diplompsychologin und einen Diplompsychologen, die sich beide noch in der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten befanden.
Dennoch setzte die Klinik bei einem Patienten den Prozeduren Schlüssel OPS 8-918 für die multimodale Schmerztherapie an. Die Krankenkasse kürzte die Rechnung um 1826 Euro. Dieser Prozeduren Schlüssel gelte für eine interdisziplinäre Diagnostik und Behandlung unter Mitwirkung entweder der psychiatrischen, psychosomatischen oder psychologisch-psychotherapeutischen Fachdisziplin. Dies sei nur dann erfüllt, wenn diese Mitwirkung unter der Verantwortung eines entsprechenden Facharztes oder eines Psychologischen Psychotherapeuten erfolge.
Dem ist das BSG nun gefolgt (Az.: B 1 KR 25/19 R). Ein Krankenhaus könne den OPS 8-918 nur dann kodieren, wenn es approbierte Psychologische Psychotherapeuten einsetzt. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund
Das LSG NRW hat entschieden, dass § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 PrüvV 2014 keine materielle Ausschlussfrist hinsichtlich der Übersendung von Krankenakten an den MDK beinhaltet. Eine solche sei schon nicht dem Wortlaut und der Systematik der Vorschriften zu entnehmen, hätte aber angesichts der erheblichen Konsequenzen für die Krankenhäuser in einem Massengeschäft eindeutig geregelt werden müssen. § 17c Abs. 2 KHG beinhalte zudem keine Ermächtigung für die Vertragsparteien, eine solche Regelung zu treffen, auch hierzu hätte es einer expliziten Ermächtigung im KHG bedurft. Das LSG hat in beiden Urteilen (LSG NRW vom 9.7.2020 – L 16 KR 395/16 und vom 3.12.2020 – L 16 KR 505/17) die Revision zum BSG zugelassen.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae und Kristina Schwarz, Dortmund
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 16.06.2020, L 5 KR 743/18, anlässlich eines Verfahrens zur Vergütung einer endoskopischen Lungenvolumenreduktion mittels Implantation von Coils im Jahr 2016 entschieden, dass im Rahmen des Einsatzes neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (erst) seit 18.12.2019 von einer einschränkenden Geltung des Qualitätsgebots auszugehen ist, da § 137 c Abs. 3 Satz 1 SGB V erstmals mit der Änderung durch das Implantatregister-Einrichtungsgesetz vom 12.12.2019 als Anspruchsnorm ausgestaltet und flankierend dazu die leistungsrechtliche Bestimmung in § 39 Abs. 1 S. 1 angepasst wurde. Bis dahin sei auf Grundlage der Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 19.12.2017, B 1 KR 17/17 R) im stationären Bereich von einem die seitens des Gesetzgebers definierte liberale Konzeption der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt nach § 137 c SGB V nicht unerheblich einschränkenden Vorrang des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V auszugehen. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften demgemäß auch im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung nur dann angewendet werden, wenn über die Zweckmäßigkeit der Therapie bereits Konsens bestehe und der Behandlungserfolg aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode abzulesen sei. Das LSG muss an dieser Stelle allerdings selbst einräumen, dass es sich bei Erfüllung dieser Evidenzlage dann bereits nicht mehr um eine „neuartige" Behandlungsmethode handeln dürfte. Den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zugrundeliegende Rechtsprechung des BSG, welche dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/4095, S. 121) zur Änderung des § 137 c SGB V zum 23.07.2015 durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz unmissverständlich zum Ausdruck kommenden Willen eindeutig zuwiderläuft und damit die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten dürfte, schloss sich das LSG NRW allerdings nicht an.
Ihr Ansprechpartner: Kristina Schwarz
Im Nachgang zu seinem Urteil vom 19.02.2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr entschieden, die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers würden nicht nur beim gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch beim tariflichen Urlaubsanspruch gelten. Im nunmehr entschiedenen Fall ging es um Urlaub einer Arbeitnehmerin aus dem Kalenderjahr 2017. Die im Jahr 2018 gekündigte Klägerin verlangte dessen Abgeltung. Das BAG führte nochmals aus, der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BUrlG sei grundsätzlich auf das Jahresende befristet. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit dem Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. Geschieht dies nicht, so tritt der am 31.12. eines Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 01.01. des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten dann (wieder) dieselben Regelungen wie für den Urlaub des dann laufenden Kalenderjahres. Der Arbeitgeber kann das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren (nur) dadurch vermeiden, indem er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Dies gilt nach dem Urteil des BAG vom 26.05.2020 – 9 AZR 259/19 – nunmehr auch für tariflichen Jahresurlaub. Zwar können die Tarifvertragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die über den Mindesturlaub hinausgehen, frei regeln. Für den Willen der Tarifvertragsparteien, von den durch die BAG-Rechtsprechung bestimmten Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers abweichen zu wollen, müssen aber deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
Krankenkassen lehnen häufig die Vergütung des auf die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) entfallenden Zusatzentgelts mit der Begründung ab, der Einsatz von kostengünstigeren und als gleichwertig anzusehenden Pool-Thrombozytenkonzentraten (PTK) sei aus wirtschaftlicher Sicht zu bevorzugen. Mit Urteil vom 01.09.2020 hat das Sozialgericht Detmold (S 2 KR 369/20) nunmehr zu Gunsten des Krankenhauses entschieden, dass nicht von einer Gleichartigkeit beider Thrombozytenkonzentrate ausgegangen werden könne. Vielmehr stelle die Gabe von ATK aus medizinischer Sicht den unwiderlegten Goldstandard dar. Zudem sei unter dem Aspekt des Infektionsschutzes zu berücksichtigen, dass aufgrund der unterschiedlichen Produktionstechniken bei der Gewinnung durchaus gravierende Unterschiede zwischen ATK und PTK hinsichtlich des Risikos im Bereich der Virusinfektionen oder bisher unbekannter infektiöser Agentien bestünden, da mit der Gabe von PTK eine höhere Spenderexposition verbunden sei. Die bisherige Rechtsprechung des BSG (B 1 KR 2/15 R) stünde dieser Entscheidung nicht entgegen, da das BSG aufgrund der Bindung an die seinerzeitige Feststellung der Tatsacheninstanz lediglich entschieden habe, dass bei speziellen Personengruppen, bei denen bereits eine spezifische Antigenbildung vorgelegen habe, auf jeden Fall die Gabe von ATK statt PTK notwendig sei, ohne dies im Umkehrschluss in anderen Fallgruppen zu verneinen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Zwischen den Krankenhäusern und dem MDK ist häufig die Notwendigkeit für eine ILR-Implantation (implantierbarer Ereignisrecorder) umstritten. Meist behauptet der MDK, es hätte ein externer Event-Recorder genügt.
In erfreulicher Deutlichkeit hat das LSG BW mit Urteil vom 18.08.2020 klargestellt, dass für die Beurteilung, ob ein ILR notwendig sei, auf die Leitlinie Diagnostik und Therapie von Synkopen abzustellen sei. Halte sich das Krankenhaus an die Vorgaben, so verfange der Einwand des MDK nicht. Einen über die Vorgaben der Leitlinie hinausgehenden Beurteilungsspielraum gebe es nicht.
Ihr Ansprechpartner: Dr. T. Flachsbarth
Mit Eilrechts-Beschluss vom 4.8.2020 - 4 S 1473/20 – hat der VGH Baden-Württemberg der Beschwerde eines Widerrufsbeamten abgeholfen und die aufschiebende Wirkung dessen Widerspruchs gegen eine Entlassungsverfügung wiederhergestellt. Der VGH stellte klar: Werde die Entlassung eines Widerrufsbeamten auf die fehlende charakterliche Eignung wegen Postings auf einem Instagram-Account gestützt, setze der Rückschluss auf die innere Einstellung des Beamten eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus. Anders als bei Tätowierungen komme es bei der Würdigung der Postings nicht vorrangig auf deren Wirkung auf Andere an. Insofern gelte, dass das Veröffentlichen bzw. Teilen von Musikstücken in einem sozialen Netzwerk mit dem Tragen eines Tattoos nicht hinreichend vergleichbar sei: Bei Tätowierungen komme es grundsätzlich nicht auf das persönliche Motiv bzw. die Phantasie des Trägers an, sondern vor allem auf die Wirkung des Tattoos auf Andere. Der Körper werde bei einer Tätowierung bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt; mit dem Tragen einer Tätowierung erfolge eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst; ihr komme im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das - wohl reiflich überlegte - Motiv in die Haut eingestochen werde und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekenne. Diese Erwägungen könnten nicht auf das Veröffentlichen von Musikstü-cken bzw. das Verlinken von Postings mit Musikstücken übertragen werden. Ein Posting könne aufgrund der Flüchtigkeit und Häufigkeit der internetbasierten Kommunikation nicht mit einem regelmäßig dauerhaft getragenen Tattoo verglichen werden. Mit anderen Worten hafte ein Posting nicht in ähnlich enger und charakteristischer Weise an dem Beamten wie ein Tattoo.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Im Februar 2020 hatte sich das Bundessozialgericht (BSG) mit einem Rechtsstreit zu befassen, bei welchem sich ein zurückgewiesener Bewerber gegen die Rücknahme eines Antrages auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens wehrte. Im entschiedenen Fall hatte ein Vertragsarzt parallel die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3 a SGB V beantragt und zugleich den Verzicht auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) erklärt. Die BAG bewarb sich auf den Vertragsarztsitz mit der Maßgabe, den verzichtenden Vertragsarzt anzustellen. Der Kläger wollte die Praxis des Vertragsarztes persönlich übernehmen, unterlag aber in dem vom Zulassungsausschuss durchgeführten Bewerberauswahlverfahren. Den Zuschlag erhielt die BAG in Gestalt einer Anstellungsgenehmigung zugunsten des (ehemaligen) Vertragsarztes. Im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Auswahl der BAG nahm der Vertragsarzt seinen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens zurück. Dies führte zur Unzulässigkeit der Klage des übergangenen Bewerbers. Dieser war als Mitbewerber um eine nur einmal zu vergebende Berechtigung zwar (zunächst) befugt, den dazu erlassenen Verwaltungsakt im Wege einer sogenannten offensiven Konkurrentenklage anzugreifen. Mit der Antragsrücknahme hatte sich das Nachbesetzungsverfahren allerdings im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erledigt. Das BSG befand dazu, die Antragsrücknahme könne noch bis zur Bestandskraft der (angegriffenen) Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses zurückgenommen werden. Dies könne ein Bewerber um die Praxisnachfolge nicht verhindern. Das gelte insbesondere dann, wenn er als abgelehnter Bewerber keine schützenswerte Rechtsposition erlangt habe.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
Bereits im Oktober 2019 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes sei dann nicht möglich, wenn dem ausschreibungswilligen Arzt die Zulassung zuvor wegen nur noch geringer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen wurde. Im entschiedenen Fall ging es um einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der ursprünglich im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. Dieser verzichtete im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem MVZ. Die andere Hälfte wurde ihm vom Zulassungsausschuss entzogen, weil er in diesem Umfang bereits seit mehreren Jahren nicht mehr in nennenswerten Umfang vertragsärztlich tätig war. Nach erfolglosem Widerspruch erwuchs der Zulassungsentzug in Bestandskraft. Der Psychiater beantragte daraufhin die Nachbesetzung seiner diesbezüglichen Teilzulassung. Das BSG befand, die Ablehnung des Antrages des Klägers auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei nicht zu beanstanden. Als tragenden Grund führte es an, es fehle an einer fortführungsfähigen Praxis im Sinne des § 103 Abs. 3 a SGB V. Das BSG arbeitete dabei heraus, dass der wesentliche Grund für die Ablehnung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nicht der (bestandskräftige) Zulassungsentzug als solcher, sondern der Umstand ist, dass die ursprünglich bestehende Praxis mangels Praxissubstrats von einem Nachfolger nicht mehr weitergeführt werden konnte. Das Gericht verwerte es dem Kläger dabei auch, sich auf den hälftigen Praxisumfang zu berufen, den er im Rahmen seines Verzichts zugunsten einer Anstellung in ein MVZ „eingebracht" hatte. Eine „doppelte" Verwertung einer fortführungsfähigen Praxis sei nicht möglich.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
Im Februar dieses Jahres befasste sich das Bundessozialgericht (BSG) mit der Anzahl an Weiterbildungsassistenten, die in einem MVZ angestellt werden dürfen. Zugrunde lag eine Auseinandersetzung zwischen einem Zahnärzte-MVZ und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Nordrhein. Dabei ging es um die in die Zuständigkeit der KZV fallende Genehmigung zur Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten. Die KZV verweigerte die Genehmigung mit dem Argument, dem MVZ sei bereits die Beschäftigung eines (anderen) Weiterbildungsassistenten genehmigt worden. Eine zusätzliche Genehmigung könne – in Anlehnung an die Rechtslage bei einer Einzelpraxis – nicht erteilt werden. Das BSG erteilte dem eine Absage. Nach Auffassung des Gerichts darf ein (Zahnärzte)-MVZ für jeden vollen Versorgungsauftrag, den es zu erfüllen hat, einen Vorbereitungsassistenten in Vollzeit beschäftigen. Zur Begründung führte es unter anderem an, der Bundesmantelvertrag-Ärzte/-Zahnärzte enthalte keine Regelung zur Höchstzahl der Vorbereitungsassistenten, weil es insofern an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt. § 32 Abs. 2 (Zahn-)Ärzte-ZV sei nicht so zu verstehen, dass maximal ein Vorbereitungsassistent beschäftigt werden dürfe. Die in einem MVZ angestellten Ärzte seien einem Vertrags(zahn)arzt statusbezogen angenähert und ebenso wie diese zur Durchführung einer Weiterbildung geeignet. Insgesamt ergäbe sich bei der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 1 Abs. 3 (Zahn-)Ärzte-ZV gebotenen entsprechenden Anwendung der für zugelassene Ärzte geltenden Bestimmungen, dass sich die Zahl der Vorbereitungsassistenten nach der Zahl der dem MVZ zugeordneten Versorgungsaufträge und damit nach der Zahl der zu besetzenden vollen „Arztstellen" zu richten hat.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
In Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen um Krankenhausbehandlungskosten kann im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens häufig eine vergleichsweise Einigung im Sinne einer prozentualen Zahlung der strittigen Hauptforderung erreicht werden. Offen bleibt sodann die Frage, ob entsprechend der Hauptforderung auch die Kosten des Verfahrens im Verhältnis zum Obsiegen und Unterliegen zwischen den Parteien gequotelt werden. Ist ein Krankenhaus anwaltlich vertreten, die Krankenkassen hingegen nicht, so wird von dieser in der Regel abweichend von dem Ausgang in der Hauptsache eine Kostenaufhebung gefordert, derzufolge das Krankenhaus seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Wie das LSG NRW nun jedoch in einem von uns geführten Verfahren, in welchem in zweiter Instanz ein Vergleich über die Hauptforderung geschlossen wurde, mit Beschluss vom 17.07.2020, L 16 KR 45/19, bestätigt hat, kann es einem Krankenhaus nicht zum Nachteil gereichen, dass es sich im Gegensatz zur Krankenkasse anwaltlich vertreten lässt. Eine Gerechtigkeitsproblematik sei darin nicht begründet. Es entspräche vielmehr billigem Ermessen, die Kostenentscheidung am Ausgang des Verfahrens zu orientieren.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das für interessante Entscheidungen im Vertragsarztrecht bekannte Sozialgericht (SG) Marburg macht mit einem Gerichtsbescheid aus Juni 2020 wieder von sich reden. Im entschiedenen Fall ging es um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes. Ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe hatte zum Ende des Jahres 2019 auf seine Zulassung verzichtet und seine Praxis zur Nachfolge ausgeschrieben. Es bewarb sich darauf nur ein MVZ aus einer 36 km entfernten Stadt. Dieses plante den vollen Versorgungsauftrag mit vier zu jeweils 25 % anzustellenden Gynäkologen auszufüllen. Das SG Marburg erteilte dem eine Absage und wies die gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid des Berufungsausschusses eingelegte Klage zurück. Zur wesentlichen Begründung führte es aus, § 103 Abs. 4 c SGB V lasse eine Praxisnachfolge auch in der Gestalt der Bewerbung eines MVZ mit von diesem anzustellenden Ärzten zu. Über eine Entfernung von 36 km sei aber die Fortführung einer Praxis nicht möglich. Die Praxisfortführung setze voraus, dass der Bewerber die vertragsärztliche Tätigkeit im selben medizinischen Fachgebiet und im selben Planungsbereich wie der ausscheidende Vertragsarzt ausüben will. Ein „Mitwandern" der Patienten über eine räumliche Entfernung von 36 km sei aber praktisch ausgeschlossen. Dem seitens des MVZ gestellten Verlegungsantrag sei ebenfalls nicht stattzugeben. Begründet wurde dies zum einen mit einer Verschlechterung der Versorgungslage am bisherigen Praxisstandort und zum anderen damit, dass auch keine Gründe vorgetragen wurden, welche unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes des seine Praxis schließenden Vertragsarztes ausnahmsweise eine andere Beurteilung zulasse. Werde eine Praxis am bisherigen Standort nicht mehr betrieben, auch nicht in der Form einer Zweigpraxis, so sei dies allein einer wirtschaftlichen Kalkulation geschuldet, die seitens der Zulassungsgremien nicht zu berücksichtigen sei. Die Entscheidung des SG Marburg bestätigt damit die allgemeine Erfahrung, dass sich die Verlegung von Vertragsarztsitzen über Gemeindegrenzen hinaus als problematisch darstellen und nur bei Vorliegen besonderer Gründe in Betracht kommt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
Wird ein Patient innerhalb von 30 Tagen mehrmals im Krankenhaus versorgt, stellt sich häufig die Frage, ob eine Fallzusammenführung von Fällen § 2 Abs. 2 Nr. 2 FPV zu erfolgen hat, wenn zwischen den Fällen ein Fall einer anderen MDC liegt. Die Frage lautet also, ob nur unmittelbar aufeinanderfolgende Fälle zusammenzuführen sind oder ob eine Prüfung bezüglich aller Fälle innerhalb des Zeitfensters zu erfolgen hat. Das BSG hat mit Urteil vom 16.07.2020 (B 1 KR 22/19 R) entschieden, dass auch nicht unmittelbar aufeinanderfolgende Fälle zusammenzuführen sind, wenn sie der gleichen Hauptdiagnosegruppe zuzuordnen sind. Eine Zäsurwirkung trete durch Fälle mit anderer MDC nicht ein.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Am 16.07.2020 verkündete das BSG (B 1 KR 15/19 R) die lang erwartete Entscheidung zur Frage, ob und in welchem Umfang vorbehaltlos bezahlte Aufwandspauschalen (AWP) zu erstatten sind. Der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs durch die Krankenkassen für vor dem 01.01.2015 gezahlte AWP stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Die durch die frühere Rechtsprechung des BSG gestützte Verwaltungspraxis und das gemeinsame Verständnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern habe seit Einführung des Fallpauschalensystems nicht zwischen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung differenziert. Auf diese Verwaltungspraxis hätten die Krankenhäuser vertrauen dürfen. Erst ab dem 01.01.2015 sei das Vertrauen durch die Diskussion über die Entscheidung des BSG vom 01.07.2014 in der Öffentlichkeit erschüttert gewesen.
Damit herrscht nun Klarheit: bis zum 31.12.2014 vorbehaltlos gezahlte AWP sind den Krankenkassen nicht zu erstatten. Seit dem 01.01.2015 gezahlte AWP für vor dem 01.01.2016 eingeleitete sachlich-rechnerische Überprüfungen sind – vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls – zu erstatten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner ist in der Liste der "Besten Wirtschaftskanzleien 2020" von brand eins und Statista platziert. Die Auszeichnung basiert auf einem unabhängigen zweistufigen Erhebungs- und Bewertungsverfahren, das Empfehlungen von Experten sowie von Inhouse-Juristen aus mittleren und großen Unternehmen berücksichtigt und damit tausende von Urteilen bündelt.
Das Sozialgericht Dortmund hat mit Urteil vom 25.05.2020, S 48 KR 1115/17 in einem von uns vertretenen Verfahren vollumfänglich einem Zahlungsanspruch auf Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten stattgegeben. Das Sozialgericht bejaht zwar eine wirksam vereinbarte Ausschlussfrist gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung. Diese kann sich aber nur auf Unterlagen beziehen, die der MDK konkret angefordert hat. Im entschiedenen Fall erfolgte zwar seitens des MDK eine Anforderung der Fieberkurve, die der klagende Krankenhausträger nicht übersandte, die unterlassene Übermittlung führe gleichwohl nicht zur Anwendung der Ausschlussfrist, weil sich die beklagte Krankenkasse für die Anwendung der Ausschlussfrist nicht auf solche Unterlagen stützen darf, die zwar trotz Anforderung durch den MDK nicht übermittelt worden sind, die aber erkennbar keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung haben, wie die Fieberkurve im Falle einer sozialpädiatrischen Behandlung eines Kindes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Am 29.05.2020 ist das Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Planungssicherstellungsgesetz – PlanSiG), BGBl 2020, S. 1041, in Kraft getreten. „Sichergestellt" werden Planungen dadurch, dass ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen (§ 2) sowie Auslegungen von Unterlagen oder Entscheidungen
(§ 3) befristet bis zum 31.03.2020 durch Veröffentlichungen im Internet ersetzt werden. Der Anwendungsbereich reicht vom Umweltverträglichkeits- über das Bundes-Immissionsschutzgesetz über das Baugesetzbuch, das Raumordnungsgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz und das Luftverkehrsgesetz; zudem sind noch zahlreiche weitere Gesetze betroffen. Die Auslegung von Unterlagen wird nicht vollständig ersetzt, sondern bleibt „daneben als zusätzliches Informations-angebot" erhalten. Weitere Modifikationen des Gesetzes sind die Erleichterungen von Erklärungen zur Niederschrift in § 4 durch die „Abgabe elektronischer Erklärungen" und die Durchführung von Erörterungsterminen, mündlichen Verhandlungen und Antragskonferenzen als „Online-Konsultation". In die sonst in zahlreichen Urteilen besonders hoch gesetzten formalen Anforderungen entsprechende Beteiligungsakte hat der Gesetzgeber damit tief eingegriffen. Besonders fraglich erscheint die Vereinbarkeit mit europäischem Recht, die in der Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drucks. 19/18965, Seite 9 Ziff. 5 lediglich behauptet wird.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Nach § 13 b Satz 2 1. Halbsatz BauGB mussten Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach Satz 1 bis zum 31.12.2019 förmlich eingeleitet werden. Viele Gemeinden haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und noch Bebauungsplanaufstellungsbeschlüsse vor Jahresende gefasst. Inzwischen ist eine Diskussion entstanden, ob zur Fristwahrung auch die Bekanntmachung des Bebauungsplanaufstellungsbeschlusses erforderlich ist. Diese Auffassung hat das Regierungspräsidium Stuttgart in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg vertreten. Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner hat diese Auffassung geprüft und kommt dazu, dass sie sich nur schwer begründen lässt: Weder dem Wortlaut, noch der Gesetzgebungshistorie, noch einer teleologischen Auslegung ist die Anforderung zu entnehmen, dass die „förmliche Einleitung" des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens nicht nur den in öffentlicher Sitzung gefassten Bebauungsaufstellungsbeschluss, sondern auch eine ortsübliche Bekanntmachung erfordert. Die Anforderung kann im Übrigen weder § 2 Abs. 1 BauGB noch dem Übergangsrecht in § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dessen Formulierung § 13 b Satz 2 BauGB angelehnt ist, entnommen werden. Auch die Formulierung des § 13 b Satz 2 2. Halbsatz BauGB für den Satzungsbeschluss erforderlich keine Bekanntmachung. Hierzu wird eine höchstrichterliche Entscheidung erforderlich werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 10.03.2020 ( L 9 KR 389/19 B ER) rechtskräftig entschieden, dass ein Krankenhaus nach Vorlage einer jedenfalls nicht völlig abwegigen und schlechthin willkürlich erscheinenden Prognose weiterhin Leistungen im Geltungsbereich einer betroffenen Mindestmenge erbringen darf. Für die Zulässigkeit einer Leistungserbringung muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird. Zu Recht weist das LSG insofern darauf hin, dass sich an die Vorlage einer Prognose kein Genehmigungsverfahren anschließt. Vielmehr wird mit Darlegung der Prognose ein schlichtes Prüfverfahren in Gang gesetzt, in dessen Rahmen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen die Tragfähigkeit der Prognose prüfen. Lediglich bei Vorliegen „begründeter erheblicher Zweifel" an der Richtigkeit können die Landesverbände der Krankenkassen die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen, § 136 b Abs. 4 Satz 6 SGB V. Im Zusammenhang mit der Prognosedarlegung für die Jahre 2021 und 2022 sei aus aktuellem Anlass darauf hingewiesen, dass gemäß § 4 Abs. 2 der Mindestmengenregelung (Mm-R) des G-BA die COVID-19 Pandemie wegen der hiermit verbundenen Verschiebung oder dem Ausfall mindestmengenrelevanter Leistungen als sog. „weiterer Umstand" zur Begründung einer berechtigten mengenmäßigen Erwartung herangezogen werden kann.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das Verwaltungsgericht Minden hat zu Gunsten einer von uns vertretenen Klinik mit Beschluss vom 21.04.2020, 7 L 299/20, die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Ordnungsverfügung, mit der ihr ab sofort und bis auf Weiteres jegliche Patientenaufnahme untersagt wurde, angeordnet. Der Reha-Klinik, die Anfang April 2020 mit Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHG als Einrichtung zur Entlastung der akutstationär zu versorgenden Patientinnen und Patienten bestimmt worden war und seitdem als zugelassenes Krankenhaus gemäß § 108 SGB V gilt, war es aufgrund des Auftretens einer Covid-19-Erkrankung bei einer Patientin untersagt worden, ab sofort und bis auf Weiteres neue Patienten aufzunehmen. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat – gesetzlich vorgesehen - keine aufschiebende Wirkung, auf Antrag hin wurde diese nun angeordnet, weil sich der verhängte Aufnahmestopp nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig erweist. Zur Begründung verweist das VG Minden darauf, dass die Behörde darzulegen hatte, warum die Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Dies gelte auch bei eilbedürftigen Entscheidungen, die Behörde habe das ihr zustehende Ermessen allerdings nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch), weil sich aus dem Bescheid in keinster Weise ergebe, warum genau diese Maßnahme erforderlich gewesen sei. Dies sei im vorliegenden Fall zu erwarten und geboten gewesen, zumal ein Aufnahmestopp in einer solchen Einrichtung, die gerade auch der Versorgung von stationär behandlungsbedürftigen Patienten dienen soll, einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae und Prof. Dr. Michael Quaas
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner zählt für die Redaktion des Magazin der Wirtschaftswoche auf Basis einer unabhängigen Datenerhebung und der Entscheidung einer Expertenjury 2020 zu einer von Deutschlands Top-Kanzleien im Medizinrecht: Quaas & Partner wurde in der aktuellen WirtschaftsWoche-Listung im Rechtsgebiet „Medizinrecht" als „TOP Kanzlei 2020" ausgezeichnet und Frau Rechtsanwältin Heike Thomae wurde als „TOP Anwältin 2020" empfohlen. Das Handelsblatt Research Institute befragte mehr als 450 Medizinrechtler aus 115 Kanzleien; die ausgewählten Anwälte wurden gebeten, daraus die renommiertesten Kollegen zu benennen. Die entstandene Liste wurde von einer Expertenjury bewertet. Für die Behandlerseite also für Ärzte, Klinken und Versicherer wurden 31 führende Kanzleien und 47 besonders empfohlene Anwälte herausgefiltert, für die Patientenseite sind es 24 Kanzleien und 28 Anwälte.
Eine Gemeinde kann gegen eine Beanstandung des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen; ein prinzipieller Ausschluss des Rechtsschutzes wäre mit Verfassungsrecht nicht vereinbar. Dies hat der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 04. Februar 2020 (Az. 10 S 1082/19) in einem von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner mbB für die klagende Gemeinde geführten Rechtsstreit entschieden und dabei die folgenden weiteren Leitsätze aufgestellt:
Durch eine Beanstandung des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit wird eine Gemeinde im verfassungsrechtlich geschützten eigenen Wirkungskreis beeinträchtigt und ist daher klagebefugt. Die Ausführung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes durch eine Gemeinde ist eine weisungsfreie Aufgabe und nicht etwa eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung.
Hält eine informationspflichtige Stelle (Gemeinde) einen Antrag nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz für rechtsmissbräuchlich, ist sie grundsätzlich nicht befugt, das Informationsbegehren unbeantwortet zu lassen. Der Antrag leitet ein Verwaltungsverfahren ein, das mit einer Entscheidung der informationspflichtigen Stelle (Gemeinde) abzuschließen ist.
Der Missbrauchstatbestand im Informationsfreiheitsrecht, der zur Antragsablehnung berechtigt, umfasst insbesondere den behördenbezogenen Missbrauch (z. B. „Behördenblockierung") und den verwendungsbezogenen Missbrauch (z. B. „Geschäftsmodell" zur Generierung von Honoraransprüchen eines Bevollmächtigten). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Missbrauchstatbestands liegt bei der informationspflichtigen Stelle.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Was nach fachgesetzlichen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes (LIFG) geheim - mit dieser Kernaussage hat der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 04. Februar 2020 (Az: 10 S 1229/19) einer von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner vertretenen Gemeinde recht gegeben, die ein auf das LIFG gestütztes Auskunftsbegehren betreffend die Niederschrift einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung abgelehnt hatte. Der VGH BW hat dazu die folgenden Leitsätze aufgestellt:
§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gewährt Gemeindeeinwohnern nur dann Einsicht in eine Sitzungsniederschrift, wenn die betroffene Gemeinderatssitzung tatsächlich öffentlich stattgefunden hat.
§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine Rechtsvorschrift, die den Zugang zu amtlichen Informationen vorrangig und abschließend regelt. Anspruchsberechtigung, Anspruchsverpflichtung und Anspruchsgegenstand kennzeichnen § 38 Abs. 2 Abs. 4 GemO als eine „Teilmenge" des allgemeinen Informationszugangsrechts nach § 1 Abs. 2 LIFG; gegenüber § 7 Abs. 5 Satz 1 LIFG speziell und abschließend geregelt ist im § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO auch die Art des Informationszugangs (Einsichtnahme in Sitzungsniederschrift).
Selbst wenn § 1 Abs. 2 LIFG entgegen § 1 Abs. 3 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO anwendbar wäre, stünde die gemeinderechtliche Bestimmung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 LIFG als Ablehnungsgrund einem LIFG-Begehren auf Zugang zu der Niederschrift einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung entgegen. Was nach fachgesetzlichen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes geheim.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Das Sozialgericht Duisburg hat mit Entscheidung vom 14.02.2020 (S 44 KR 379/17) der klagenden Krankenkasse einen Schadensersatzanspruch gegen ein Krankenhaus wegen einer aus medizinischer Sicht nicht erforderlichen Verlegung zugesprochen. Im zugrundeliegenden Fall war ein Versicherter zunächst in einem Krankenhaus stationär behandelt und sodann zur – unstreitig medizinisch erforderlichen - geriatrischen Weiterbehandlung in ein anderes Krankenhaus verlegt worden. Das erstbehandelnde Krankenhaus verfügte ebenfalls über eine geriatrische Fachabteilung; aus welchen Gründen die Weiterbehandlung letztlich nicht dort, sondern im zweitbehandelnden Haus erfolgte, blieb strittig. Das Sozialgericht ging davon aus, dass kein sachlich-medizinischer Grund für die Verlegung ersichtlich sei. Das Fehlen von Kapazitäten für die geriatrische Versorgung im erstbehandelnden Krankenhaus sei zwar zwischen den Parteien streitig, allerdings spräche die Aufnahme von sieben anderen Patienten der klagenden Krankenkasse in die dortige geriatrische Fachabteilung zum Verlegungszeitpunkt eher dagegen. Dem verlegenden Krankenhaus sei letztlich der Entlastungsbeweis nicht gelungen und der Krankenkasse stünde gemäß § 69 S. 3 SGB V i.V.m. § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. Die stationäre Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus stelle ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis dar, auf das § 280 BGB anwendbar sei. Mit einer grundlosen Verlegung vor Entlassfähigkeit des Versicherten habe das Krankenhaus in zu vertretender Weise die Pflichten aus diesem Schuldverhältnis verletzt. Einem Schadensersatzanspruch stünden auch die Regelungen der Fallpauschalenvereinbarung nicht entgegen, da sich diese gemäß § 17b KHG auf Regelungen der Vergütung beschränke und nicht zu den Pflichten in einem bestehenden Schuldverhältnis verhalte. Die Höhe des Schadensersatzanspruches folge analog aus § 249 S. 1 BGB, so dass der Krankenkasse die Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten für die Behandlung in zwei Krankenhäusern einschließlich der Transportkosten und den Kosten, die ohne die Verlegung entstanden wären, zu erstatten sei.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Im Sommer 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine grundsätzliche Entscheidung zum Verhältnis zwischen Unternehmen und dort nur vermeintlich selbstständig tätigen Honorarkräften getroffen. Das Urteil ist nach hiesiger Einschätzung in der „Krankenhauswelt" trotz seiner mutmaßlich herausragenden Bedeutung noch nicht hinreichend wahrgenommen worden. Konkret ging es um die Rückforderung von Teilen der Vergütung, die ein Unternehmen einem „IT-Mitarbeiter" auf Basis der Vereinbarung eines freien Dienstvertrages über neun Jahre hinweg gezahlt hatte. Der nach ursprünglicher Auffassung der Vertragsparteien selbstständige Dienstleister erhielt einen Stundenlohn, der weit über demjenigen lag, den das Unternehmen mit gleicher Tätigkeit befassten Arbeitnehmern gezahlt hätte. Nachdem der Mitarbeiter das Vertragsverhältnis (selbst) gekündigt hatte, beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine sogenannte Statusfeststellung. Er behauptete, er habe seine Tätigkeit nicht selbstständig, sondern als abhängig Beschäftigter verrichtet. Die Auseinandersetzung darüber endete erst vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg, welches eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestätigte. Das Unternehmen wurde daraufhin von der DRV auf die Zahlung von Arbeitgeberanteilen zur Rentenversicherung in Anspruch genommen. In der Folge verklagte das Unternehmen den Mitarbeiter auf Rückzahlung des auf die Differenz zwischen dem Stundenlohn eines Arbeitnehmers und dem Stundenlohn eines freien Mitarbeiters entfallenden Honorars in Höhe von stattlichen 106.000 €. Während Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht die Klage abwiesen kam das BAG zu dem Ergebnis, die Rückforderung sei berechtigt. Der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarung sei nicht zu entnehmen, dass diese auch dann Geltung haben sollte, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass eben doch kein freies Dienstverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. In diesem Fall schulde das Unternehmen lediglich die für Arbeitnehmer übliche Vergütung. Dem Einwand des Mitarbeiters, der Arbeitgeber habe ihn in Kenntnis der rechtlich korrekten Einordnung des Dienstverhältnisses bezahlt, erteilte das BAG eine Absage. Auch die Einrede der Verjährung sah es als nicht begründet an. Jedenfalls dann, wenn der sozialversicherungsrechtliche Status des Mitarbeiters umstritten gewesen sei, sei die Verjährung der Rückzahlungsansprüche bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Landessozialgerichts gehemmt.
Über diese Rechtsprechung des BAG ergeben sich für die Krankenhäuser, die in sozialversicherungsrechtlichen Auseinandersetzungen um die Beschäftigung von Honorarkräften im Bereich von Ärzteschaft und Pflege unterlegen sind, unter Umständen bislang ungeahnte Rückforderungsansprüche, die sich auf die gesamte Dauer der Beschäftigung und auch auf den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung erstrecken können.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
In einem von uns geführten Verfahren auf Zahlung einer Aufwandspauschale hatte sich die Krankenkasse auf Verjährung berufen. Maßgeblich hierfür ist die Frage, wann der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale erstmals entsteht. Das Sozialgericht Düsseldorf entschied mit Urteil vom 25.02.2019 (S 47 KR 1165/14), dass der Anspruch erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem feststeht, dass die Prüfung des MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Dies ist allerdings nicht bereits mit Erstattung des die Abrechnung bestätigenden MDK-Gutachtens der Fall. In dem vom SG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte es die Krankenkasse trotz mehrfacher Nachfragen des Krankenhausträgers unterlassen, über das im Ergebnis für das Krankenhaus positive Ergebnis zu unterrichten. Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs der Aufwandspauschale ist vielmehr, dass die Krankenkasse endgültig von einer Rechnungsminderung aus Anlass der MDK-Prüfung Abstand nimmt und dies nach außen gegenüber dem Krankenhaus zu erkennen gibt. Dies ist, wenn eine gerichtliche Prüfung des Vergütungsanspruchs nicht erfolgt, dann zu bejahen, wenn die Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus unbedingt erklärt, dass die Abrechnung infolge der Prüfung im Ergebnis nicht beanstandet wird. Die bloße Entgegennahme des MDK-Gutachtens durch die Krankenkasse reicht grundsätzlich nicht aus, da die Entscheidung über die Abrechnungsminderung abschließend der Krankenkasse obliegt. Im Berufungsverfahren L 16 KR 741/19 hat das LSG NRW die Auffassung des Sozialgerichts Düsseldorf bestätigt; die Krankenkasse hat daraufhin die Berufungsrücknahme erklärt. In der mündlichen Verhandlung hatte der 16. Senat des LSG NRW deutlich gemacht, dass es einem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08.12.2016 (L 1 KR 508/14) nicht folge, wonach bereits der dem Krankenhaus entstandene Aufwand zur Entstehung des Zahlungsanspruchs der Aufwandspauschale und dessen Fälligkeit führen soll. Maßgeblich hierfür ist – so das LSG NRW in seinem protokollierten Hinweis an die Parteien –, dass das LSG Berlin-Brandenburg nicht zwischen Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs differenziert, zudem nicht der Aufwand, der dem Krankenhaus entsteht, zum Zahlungsanspruch führt, sondern vielmehr die Prüfung des MDK, die keine Minderung der geforderten Krankenhausvergütung zur Folge hat. Die Entstehung des Anspruchs auf die Fallpauschale ist – so das LSG NRW – anzunehmen, wenn durch konkludentes oder ausdrückliches Handeln der Krankenkasse die Mitteilung an den Krankenhausträger ergangen ist, dass eine Minderung unterbleibt, oder dies rechtskräftig zwischen den Beteiligten festgestellt worden ist oder der Erstattungsanspruch der Krankenkasse verjährt ist.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat auf Antrag eines von uns vertretenen psychosomatischen Fachkrankenhauses den Krankenkassen mit Beschluss vom 17.12.2019 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren untersagt, Daten der Klinik nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BPflV ersatzweise an das InEK zur Durchführung eines leistungsbezogenen Vergleichs zu übermitteln. Nach Auffassung des Gerichts stellt die ersatzweise Übermittlung der in den Pflegesatzverhandlungen vereinbarten Daten, insbesondere der Personaldaten, einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar. Soweit die Vertragsparteien auf Bundesebene ein Recht der Krankenkassen auf ersatzweise Lieferung der Daten anstelle der Krankenhäuser in der Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung normiert haben, ist dies von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 4 Abs. 2 BPflV nicht gedeckt. Das Gesetz räumt den Selbstverwaltungspartnern keinen Spielraum für die Einführung einer Kompetenz zur Ersatzdatenlieferung ein. Des Weiteren würde die Übermittlung der Personaldaten der Krankenhäuser, sowohl durch die Krankenhäuser als auch durch Dritte, für die Kalenderjahre 2018 und 2019 generell ohne Rechtsgrundlage erfolgen, soweit es sich um psychosomatische Krankenhäuser handelt. Da § 4 Abs. 1 Nr. 4 BPflV im Hinblick auf die Nachweise zur personellen Ausstattung auf § 18 Abs. 2 BPflV verweist und die dortige Regelung die Anwendbarkeit der Psychiatrie-Personalverordnung voraussetzt, müssen diese Nachweise – entgegen den Annahmen der Vertragsparteien auf Bundesebene in ihrer Vereinbarung – nicht von Kliniken mit psychosomatischer Ausrichtung erbracht werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Das VG Karlsruhe hat mit Urteil vom 16.10.2019 - 9 K 8419/18 - entschieden, dass der Totalausschluss von Beihilfe für die Inanspruchnahme eines Einbettzimmers in einer Privatklinik als gesondert berechnete Wahlleistung Unterkunft in § 7 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BVO eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG darstelle und daher unwirksam sei. Beihilfeberechtigte, die sich in einer Privatklinik in einem Einbettzimmer unterbringen lassen, werden danach sowohl gegenüber jenen, die dies in einem zugelassenen Krankenhaus tun, als auch gegenüber jenen, die sich in einer Privatklinik in einem Zweibettzimmer unterbringen lassen, schlechter gestellt, so die Begründung. Denn anders als in den Vergleichsfällen, in denen eine anteilige Beihilfe in Höhe der (fiktiven) Kosten für ein Zweibettzimmer gewährt wird, ergebe sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BVO ein Totalausschluss für die Unterkunft in einem Einbettzimmer, ohne dass es hierfür eine sachliche Rechtfertigung gebe.
Die Frage, in welcher Höhe die Aufwendungen für die Unterbringung in einem Einbettzimmer in einer Privatklinik von der Beihilfestelle zu erstatten sind, beur-teile sich im Hinblick auf die insoweit angenommene Unwirksamkeit des § 7 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BVO nach dem allgemeinen beihilferechtlichen Grundsatz der Angemessenheit. Derartige Aufwendungen seien nach Auffassung des VG Karlsruhe - entsprechend § 6a Abs. 1 Nr. 3 BVO - gedeckelt auf 1,5 % der oberen Grenze des Bundesbasisfallwertkorridors, sofern die tatsächlichen Aufwendungen diesen Betrag übersteigen. Denn der insoweit vorzunehmenden Vergleichsberechnung sei immanent, dass ein Beamter weder besser noch schlechter gestellt werden solle, als wenn er sich in einem zugelassenen Krankenhaus hätte behandeln lassen. Das VG Karlsruhe hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zum VGH Baden-Württemberg zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Nicht zuletzt im Zuge des sogenannten Diesel-Skandals haben sich Defizite im Unternehmensstrafrecht gezeigt. Vor diesem Hintergrund, aber auch in Umsetzung Koalitionsvertrages hat das Bundesjustizministerium den Entwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" vorgelegt. Dieser ist noch nicht offiziell veröffentlicht. Die Inhalte sind gleichwohl schon bekannt. Ziele des VerSanG ist eine einheitliche gesetzliche Grundlage für Verbandssanktionen. In diesem Zuge soll das Verfolgungsermessen der Strafverfolgungsbehörden nach dem bislang geltenden Opportunitätsprinzip durch das Legalitätsprinzip ersetzt werden. Bei einem Anfangsverdacht ist also zwingend ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Dies wird auch für die Krankenhäuser Bedeutung haben, weil quasi jede Krankenhausträgergesellschaft unabhängig von ihrer konkreten rechtlichen Organisation unter den Verbandsbegriff fallen wird. Nach § 3 VerSanG werden Verbandssanktionen unter anderem dann verhängt, wenn jemand als Leitungsperson dieses Verbandes eine Verbandsstraftat begangen hat. Leitungspersonen in diesem Zusammenhang sind nicht nur Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs einer juristischen Person oder vertretungsberechtigte Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft, sondern auch Mitglieder von Kontrollorganen wie z. B. Vorstand und Aufsichtsrat. Anknüpfungspunkt ist eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt werden oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte (Verbandsstraftat). Als Sanktionen sind Geldsanktionen, Verwarnungen mit Sanktionsvorbehalt und sogar eine Verbandsauflösung vorgesehen. Nach § 9 VerSanG reichen die Geldsanktionen bis jenseits von 10 Mio. Euro und bei vorsätzlichem Handeln bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Unternehmens. Sanktionsmildernden sollen sich die Etablierung von Compliance-Maßnahmen und die Kooperation mit den Verfolgungsbehörden in Gestalt von internen Untersuchungen auswirken. Mit der Verabschiedung des VerSanG darf für den Lauf des kommenden Jahres gerechnet werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 22.11.2019 (21 K 19675/17) die Drittanfechtungsklage eines Krankenhausträgers gegen die Ausweisung einer geriatrischen Hauptfachabteilung einer benachbarten Klinik als unzulässig abgewiesen. Das Gericht verneinte die für die Klage notwendige Klagebefugnis, weil im nordrhein-westfälischen regionalen Planungskonzept kein eigener Antrag auf Ausweisung eines Mehrbedarfs geriatrischer Betten gestellt worden war. Der klagende Krankenhausträger hatte lediglich einen bedingten Antrag gestellt, weitere eigene geriatrische Betten zu beantragen, sollte die Bezirksregierung einen geriatrischen Mehrbedarf bejahen. Ein Antrag auf Planaufnahme bzw. Bettenerhöhung darf jedoch – so das VG Düsseldorf – aus Gründen der Verfahrensklarheit nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Zudem seien Anträge auf Planaufnahme nur innerhalb des vorgesehenen Verfahrenswegs zulässig, d. h. in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des regionalen Planungskonzeptes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 KHGG NRW. Anträge, die nach Abschluss dieser Verfahren gestellt werden, müssen von der Bezirksregierung nicht berücksichtigt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das BSG hat mit Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 13/19 R) zu Gunsten des Krankenhausträgers einen Anspruch auf Vergütung der vollstationären Behandlung bejaht. Die beklagte Krankenkasse hatte auf einen vom Krankenhausträger veranlassten Antrag eine stationäre Anschlussbehandlung bewilligt, in die das Krankenhaus den Versicherten ab dem Bewilligungstag nahtlos entließ. Die Beklagte zahlte jedoch die Behandlungskosten nicht bis zur Entlassung, sondern für einen kürzeren Zeitraum mit der Begründung, bis zur Verlegung in die Anschluss-Rehabilitation habe keine akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Der Versicherte hätte schon vor Erreichen der oberen Grenzverweildauer in die Reha-Einrichtung verlegt werden können, sofern ein Behandlungsplatz zur Verfügung gestanden hätte. Das BSG bestätigte nun den Zahlungsanspruch – wie auch die Vorinstanzen – mit der Begründung, das Krankenhaus sei für die Dauer der „Notfall-Reha-Behandlung" in das öffentlich-rechtliche Naturalleistungssystem der GKV einbezogen und erbringe seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für (eine Rehabilitation) zugelassene Krankenhäuser gelten. Das Krankenhaus habe als nicht zugelassener Reha-Leistungserbringer in einem Notfall gehandelt, da ein zugelassener Leistungserbringer für die unmittelbar im Anschluss an die Krankenhausbehandlung erforderliche Leistung nicht verfügbar war. Der Vergütungsanspruch richtet sich nach den Sätzen für Krankenhausvergütung gegen die beklagte Krankenkasse als Reha-Trägerin.
Die Entscheidung, von der bislang nur der Terminsbericht veröffentlicht ist, ist bemerkenswert, weil das BSG ausführt, dass die Rechtsgrundsätze „entsprechend auch" in Notfällen gelten, in denen Versicherte Anspruch auf stationäre medizinische Reha haben, aber nicht zeitgerecht erhalten. Vorbehaltlich der noch zu veröffentlichenden Entscheidungsgründe könnten diese Grundsätze auf eine Änderung der Rechtsprechung hinweisen, die bislang dem Krankenhausträger eine Vergütung für stationäre Krankenhausleistung versagte, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigte und wegen des Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben musste.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Jede Auswahlentscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Amtes muss den Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG genügen, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Weil dieser sog. Grundsatz der Bestenauslese jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl garantiert, wird regelmäßig vor den Ver-waltungsgerichten darüber gestritten, ob die Auswahlentscheidung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Trotz zahlreicher Entscheidungen der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte ist bislang kaum die Frage erörtert worden, ob und wenn ja in welchem Umfang bei Neueinstellungen einer Behörde hierbei die Arbeitszeugnisse und dienstlichen Beurteilungen externer Bewerber zu berücksichtigen sind. Vom OVG Lüneburg und dem VGH Kassel wurde angenommen, bei dienstlichen Beurteilungen auch unterschiedlicher Dienstherren und Arbeitszeugnissen habe sich der Dienstherr darum zu bemühen, an sich nicht vergleichbare dienstliche Beurteilungen und Arbeitszeugnisse vergleichbar zu machen (so etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.12.2015, 5 ME 196/15 – juris Rn. 13). Gegen diese wenig überzeugende Rechtsprechung hat sich nunmehr der VGH Mannheim mit einem Beschluss vom 31.10.2019 gewandt (4 S 2420/19 – noch nicht veröffentlicht): Zwar habe bei dienstrechtlichen Auswahlentscheidungen, also vor allem bei Beförderungen, die dienstliche Beurteilung die maßgebliche Aussagekraft für die Bestenauslese. Schon bei unterschiedlichen Dienstherren verliere diese aber an Aussagekraft, weil es dem weitem Organisationsermessen des Dienstherrn unterfalle, wie er sein Beurteilungswesen konkret regele. Das heißt, dienstliche Beurteilungen seien grundsätzlich nur im Binnensystem aussagefähig und könnten nur deshalb bei der Auswahl unter den Beamten eines Dienstherrn entscheidend sein. Wenn aber eine Auswahl aus einer heterogenen Gruppe externer Bewerber zu treffen sei, könne den dienstlichen Beurteilungen und Arbeitszeugnissen keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Eine abschließende Entscheidung darüber, welches Gewicht dienstli-che Beurteilungen und Arbeitszeugnisse bei der Auswahl unter externen Bewerbern beigemessen werden kann, trifft der VGH Mannheim nicht, stellt aber klar, dass bei einem entsprechend gestalteten Auswahlverfahren auch das völlige Nichtberücksichtigen von dienstlichen Beurteilungen und Arbeitszeugnissen im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Antragsgegnerin im Verfahren hatte mit allen in Betracht kommenden Bewerbern ein strukturiertes Auswahlgespräch anhand vor-her definierter Kriterien geführt und dieses jeweils umfassend dokumentiert. Darüber hinaus hatten sämtliche eingeladenen Bewerber zuvor in einer Art „Hausaufgabe" eine stellenbezogene Aufgabe zu lösen und vorzustellen. Ein solches Verfahren und die daraus resultierende Dokumentation hielt der VGH für die Bewerberauswahl insgesamt für geeignet.
Ihr Ansprechpartner: Dr. P. Sieben
Gemäß § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB sind der Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung von Bauleitplänen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB und die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden Unterlagen zusätzlich in das Internet einzustellen. Während viele Gemeinden bislang davon ausgehen, dass es mit dem „Einstellen" getan ist und nicht überwacht werden muss, ob der Server der Gemeinde oder die Internetverbindung lückenlos funktioniert, hat das OVG Nordrhein-Westfalen nun genau dies gefordert. Mit Urt. v. 25.06.2019 – 10 D 88/16.NE – BauR 2019, 1559, hat es unter Rückgriff auf den strengen Maßstab zu § 3 Abs. 2 BauGB entschieden, dass „während der gesamten Auslegungszeit über das Internet auf die maßgeblichen Informationen zugegriffen" können werden muss. Für Gemeinden und Betroffene bedeutet dies nun gleichermaßen, dass die ständige Zugriffsmöglichkeit auf die Unterlagen während der öffentlichen Auslegung zu überwachen und zu dokumentieren ist.
Ihr Ansprechpartner: Dr. A. Kukk
Zwischenzeitlich liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für eine Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern vor. Hierdurch soll die bisherige PpUGV vom 05.10.2018 abgelöst werden. Die Ersatzvornahme durch das Ministerium wurde notwendig, nachdem sich die Vertragsparteien auf Bundesebene (erneut) nicht einigen konnten. Hierzu musste der Gesetzgeber zunächst im Rahmen des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" vom 09.08.2019 die hierfür notwendige Ermächtigungsgrundlage in § 137i Abs. 3 SGB V schaffen, da die frühere gesetzliche Ermächtigungsnorm durch Gesetzesänderung entfallen war.
Einige Bestimmungen entsprechen den bisher bekannten Vorgaben in der PpUGV. Auf einige wesentliche Neuerungen ist hinzuweisen:
1. Im Wesentlichen unverändert
a) ist die Vorgabe, dass das InEK die pflegesensitiven Bereiche in den Krankenhäusern auf Grundlage der Daten nach § 21 KHEntgG des jeweiligen Vorjahres sowie unter Beachtung einer der Verordnung beigefügten Anlage (Indikatoren-DRGs) ermittelt.
b) bleibt es bei der Schichtdifferenzierung (Tag- und Nachtdienst), der Standortbetrachtung sowie der Verpflichtung der Krankenhäuser zur Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen auf Grundlage monatlicher Durchschnittswerte.
c) gelten (restriktive) Ausnahmetatbestände, die lediglich für kurzfristige krankheitsbedingte Personalausfälle sowie starke Erhöhungen der Patientenzahlen formuliert worden sind; nach wie vor fehlt es insbesondere an Ausnahmetatbeständen für die Versorgung von unvorhergesehenen Notfällen sowie für Krankenhäuser mit dem Status einer Besonderen Einrichtung.
2. Neuerungen sieht der Referentenentwurf insbesondere zu folgenden wesentlichen Punkten vor:
a) Pflegesensitive Bereiche mit verbindlichen Pflegepersonaluntergrenzen werden neben der Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie und Intensivmedizin in den Bereichen Neurologie, Herzchirurgie, neurologische Frührehabilitation sowie für Schlaganfalleinheiten formuliert.
b) Außerhalb des Fachabteilungsbezugs (Fachabteilungsschlüssel oder 40 % Indikatoren-DRGs) wird ein pflegesensitiver Bereich der Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie, Neurologie oder Herzchirurgie nunmehr auch angenommen, wenn die Anzahl an Belegungstagen (am jeweiligen Standort) der jeweiligen Indikatoren-DRGs jeweils mindestens 5.000 beträgt; durch diese nicht-fachabteilungsbezogene, sondern standortbezogene Betrachtung dürfte die Zahl der von der Verordnung betroffenen Krankenhäuser erheblich ansteigen.
c) Ein pflegesensitiver Bereich der neurologischen Frührehabilitation wird vom InEK angenommen, wenn ein pflegesensitiver Bereich der Neurologie ermittelt wurde und 3.000 Belegungstage in den Indikatoren-DRGs der neurologischen Frührehabilitation festgestellt werden.
d) Ein pflegesensitiver Bereich einer Schlaganfalleinheit wird angenommen, wenn der pflegesensitive Bereich der Neurologie ermittelt wurde und 200 Fälle mit einem OPS der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls oder der anderen neurologischen Komplexbehandlungen des akuten Schlaganfalls festgestellt sind.
e) Im Bereich der Intensivmedizin wurde zwar die diskutierte Pflegepersonaluntergrenze nicht verändert, jedoch verfügt ein Krankenhaus künftig über einen derartigen pflegesensitiven Bereich bereits, wenn mindestens 5 Fälle mit einem OPS der intensivmedizinischen Komplexbehandlung oder der aufwendigen intensivmedizinischen Komplexbehandlung festgestellt sind.
f) Verschärfungen der Pflegepersonaluntergrenzen sind im Bereich der Kardiologie sowie bei der Anrechnung der Pflegehilfskräfte im Bereich der Geriatrie, Kardiologie und Intensivmedizin zu verzeichnen.
Es bleibt abzuwarten, welche Veränderungen sich noch im laufenden Verfahren ergeben werden. Die von der Feststellung pflegesensitiver Bereiche betroffenen Krankenhäuser sollen von dem InEK bereits bis zum 15.11.2019 über das Ergebnis der Ermittlungen informiert werden. Einwände hiergegen können sodann bis zum 30.11.2019 erhoben werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat es mit Urteil vom 12.09.2019 – u.a. 13 LB 354/18 – abgelehnt, eine Planungspflicht für die Krankenhausbehandlung im Rahmen der neurologischen Frührehabilitation der Phase B anzunehmen. Das Gericht sieht es als ausreichend an, dass der Krankenhausplanungsbehörde im Rahmen der jährlichen Fortschreibung des Krankenhausplans vom statistischen Landesamt die jeweiligen Diagnosen im Bereich der neurologischen Frühreha zur Verfügung gestellt werden und diese im Rahmen der Bedarfsanalyse in die Krankenhausplanung einfließen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es wird voraussichtlich im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG angegriffen werden.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. M. Quaas
Nach der bis zum 31.12.2018 geltenden Rechtslage unterlag der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer gezahlten Vergütung einer 4-jährigen Verjährung. Gemäß § 109 Abs. 5 SGB V in der seit dem 01.01.2019 geltenden neuen Fassung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) verjähren Ansprüche der Krankenkassen gegen Krankenhäuser auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen nunmehr in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies gilt nach Satz 2 auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind. Teilweise ist umstritten, ob und inwieweit sich hieraus eine rückwirkende Verkürzung der Verjährungsfristen entnehmen ließ. Das LSG NRW weist anlässlich einer Entscheidung vom 10.07.2019 (L 10 KR 538/15) hierzu auf Folgendes hin:
Gemäß § 109 Abs. 5 S. 4 SGB V gelten - wie zuvor gemäß § 45 Abs. 2 SGB I - für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB entsprechend. Daraus folge, dass sich das Ende der Hemmung allein nach den Vorschriften des BGB bestimmt. Durch Erhebung einer Klage vor Ablauf der Verjährungsfristen sei der Eintritt der Verjährung der Forderung gemäß § 45 Abs. 2 SGB I iVm § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Daher könnten ab 01.01.2019 bereits rechtshängige Erstattungsansprüche aus der Zeit vor 2015 bzw. vor 2017 nicht rückwirkend verjährt sein. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Neuregelung keine rückwirkende Verjährung rechtshängiger Ansprüche. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/5593, S. 115 ff.) sollte die verkürzte Verjährungsfrist für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind, gelten, weil andernfalls das gesetzgeberische Regelungsziel nur unvollkommen erreicht werden könne. Insoweit stelle der Gesetzgeber ausdrücklich auf die in 2016 entstandenen Ansprüche ab. Es könne eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle nicht erreicht werden, wäre die verkürzte Verjährungsfrist erst mit dem 01.01.2019 eingeführt worden. Diese hätte bereits auf 2016 entstandene Ansprüche keine Auswirkungen gehabt, weil diese sowohl nach der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist als auch nach der neuen zweijährigen Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 verjährt wären. Vor diesem Hintergrund sollte Satz 2 in Abweichung von den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die Verjährung dieser Ansprüche bereits ab dem 01.01.2019 durchsetzen. Ansprüche aus den Jahren 2010 und 2011, die bereits gerichtlich geltend gemacht worden waren, als die Neufassung des § 109Abs. 5 SGB V in Kraft trat, sollten von der Verkürzung der Verjährungsfrist nach der Gesetzesbegründung ersichtlich nicht umfasst werden. Im Übrigen sei nach der Regelung des § 325 SGB V, der ebenfalls zum 01.01.2019 in Kraft getreten ist, die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden sind. Wenn es der Gesetzgeber aber den Krankenkassen ermöglichen wollte, Erstattungsansprüche aus 2015 und 2016 noch bis zum 09.11.2018 gerichtlich geltend zu machen, obwohl auch bei den Ansprüchen aus 2015 die zweijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war, so müsse dies erst recht für solche Erstattungsansprüche gelten, die bereits gerichtlich anhängig waren, bevor § 109 Abs. 5 SGB V und § 325 SGB V überhaupt in Kraft traten. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschied das SG Dresden, ein Krankenhaus sei berechtigt, vor stationärer Aufnahme für eine elektive Schmerzbehandlung eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse einzufordern.
Das LSG Sachsen meinte hingegen, das Vorgehen des Krankenhauses verstoße gegen sozialversicherungsrechtliche Vorgaben. Nun liegt die Hauptsacheentscheidung des SG Dresden vom 26.06.2019 zu Az. S 25 KR 1284/19 vor. Unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Argumentation des LSG Sachsen aus dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hält das SG Dresden an seiner Auffassung fest, ein Krankenhaus sei bei einer geplanten elektiven stationären Schmerzbehandlung berechtigt, von einer Krankenkasse eine Kostenübernahmeerklärung einzufordern. Das Gericht führt u. a. aus, das vom Krankenhaus gewählte Vorgehen dürfte der Sozialgerichtsbarkeit eine Vielzahl von Verfahren ersparen. Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, wie sich das LSG Sachsen nun positionieren wird.
Ihr Ansprechpartner: Dr. T. Flachsbarth
Die BARMER hat bundesweit von Krankenhäuser Gelder wegen vermeintlich zu Unrecht erfolgter Hilfsmittelverordnungen während stationärer Aufenthalte zurückgefordert.
Das SG Stuttgart hat mit Urteil vom 06.02.2018 die Rechtmäßigkeit der Verordnungen festgestellt. Die BARMER ist in Berufung gegangen. Die Berufung wurde vor dem LSG Baden-Württemberg nun zurückgenommen. Auch in weiteren Verfahren erfolgten nach hier vorliegenden Kenntnissen Rückzüge der BARMER.
Ihr Ansprechpartner: Dr. T. Flachsbarth
Das BSG entschied mit Urteil vom 30.07.2019 (B 1 KR 11/19R), dass eine High-Flow-Nasal-Cannula (HFNC)-Beatmungstherapie bei Neugeborenen und Säuglingen keine Beatmung im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) darstellt und daher bei der Ermittlung der Beatmungsdauer nicht zu berücksichtigen ist. Nach Auswertung der mittlerweile vorliegenden Entscheidungsgründe ist allerdings davon auszugehen, dass eine Berücksichtigung der HFNC-Zeiten weiterhin zu erfolgen hat, wenn diese Form der Atemtherapie im Rahmen einer Entwöhnung eingesetzt wird. Die Berechnung der Dauer der Beatmung beginnt u.a. bei der Maskenbeatmung mit dem Einsetzen der maschinellen Beatmung und endet u.a. mit der Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung. Die Kodierregeln zur Dauer der Beatmung (DKR 1001l) erfassen nach Wortlaut und Regelungssystem dabei grundsätzlich eine Entwöhnung „von der maschinellen Beatmung", welche nach Wortlaut und Regelungssystem voraussetzt, dass der Patient intubiert oder tracheotomiert ist oder bei intensivmedizinischer Versorgung die Beatmung über ein Maskensystem erfolgt, wenn dieses an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt wird. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Aussage des BSG, dass bei Neugeborenen und Säuglingen eine Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) faktisch einer maschinellen Beatmung gemäß der Definition der DKR 1001l gleichgestellt ist. Liegt demgemäß eine maschinelle Beatmung im vorgenannten Sinne vor und erfolgt eine Umstellung der Art der maschinellen Beatmung in Form des nachfolgenden Einsatzes von HFNC, ist die seitens des BSG in der Entscheidung vom 19.12.2017 ( B 1 KR 18/17 R) geforderte zeitliche Zäsur zwischen Gewöhnungs- und Entwöhnungsphase erfüllt, so dass die Zeiten des Einsatzes von HFNC als Entwöhnungsmethode berücksichtigungsfähig sein müssen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Seit wenigen Tagen sind zwei Urteile zu den insgesamt 13 Verfahren zur Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit von Honorarärzten veröffentlicht. Ein Blick in die Entscheidungsgründe offenbart keine Überraschungen. Allerdings vertieft das BSG dort erwartungsgemäß seine Ausführungen zum Terminbericht vom 04.06.2019. Insgesamt arbeitet das BSG die hinlänglich bekannte Prüfungsagenda zur Frage, ob eine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt oder nicht konsequent ab. Maßgeblich sind danach weiterhin die Umstände des Einzelfalles, die als Indizien im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen sind. Als Honorararzt definiert das BSG einen zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätigen (Fach-)Arzt, der aufgrund eines (freien) Dienstvertrages Leistungen für einen Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Beleg- oder Konsiliararzt tätig zu sein. Interessanterweise macht das BSG insofern noch einen Schlenker und lässt es dahinstehen, unter welchen Umständen Beleg- und Konsiliarärzte sozialversicherungsrechtlich (überhaupt) selbstständig tätig sind. Über die bislang bekannten Kriterien hinaus führt das BSG aus, es spiele keine Rolle, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt sei, dass „Honorarärzte im Krankenhaus" selbstständig sind oder sein können. Es lässt sich auch durch das „Argument" der Revision nicht „erweichen", Krankenhäuser seien zur Überbrückung eines Fachkräftemangels im Gesundheitswesen auf Honorarkräfte angewiesen. Krankenhäuser könnten das Problem, das sie kein Personal finden, das bereit ist, ein Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus einzugehen, weil sie die Arbeitsbedingungen als nicht attraktiv ansehen, nicht dadurch lösen, dass sie einen Honorarvertrag vereinbaren. Zu dem bei der Feststellung einer Scheinselbstständigkeit immer wieder angesprochenen Kriterium der Honorarhöhe äußerte sich das BSG beeindruckend deutlich: Es stehe den Beteiligten eines „Konsiliararztvertrages" nicht frei, sich durch einen Zuschlag zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht „freizukaufen". Zur Gesamtproblematik siehe Kuhlmann, BSG zu Honorarkräften, Sozialversicherungspflicht ist Standard, f&w 2019, Heft 7, Seite 594 bis 597 (auf Basis des Terminberichts).
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
Ebenso wie das Sozialgericht Karlsruhe (S 9 KR 1621/17) hat auch das Sozialgericht Gelsenkirchen mit Urteil vom 07.08.2019 (S 46 KR 70/17) entschieden, dass entgegen der Auffassung des MDK und einiger Krankenkassen auch angestellte Seelsorger des Krankenhauses zum Behandlungsteam zählen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Krankenhäuser, die konservativ-orthopädisch tätig sind, sehen sich häufig mit dem Einwand der primären Fehlbelegung konfrontiert. Der MDK behauptet regelmäßig, eine stationäre Aufnahme sei nicht indiziert, da die Schmerzen nicht immobilisierend und keine Lähmungserscheinungen aufgetreten seien. Das LSG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 23.05.2019 die Berufung einer Krankenkasse gegen eine Entscheidung des SG Karlsruhe zurückgewiesen (L 11 KR 4179/18). Das Berufungsgericht führt aus, es bedürfe entgegen der Auffassung des MDK für die stationäre Aufnahme nicht einer Notfallsituation mit immobilisierenden Schmerzen oder Lähmungserscheinungen. Diese sehr deutliche Aussage des LSG ist zu begrüßen, zumal sie auch im Interesse der Versicherten und ihrer Krankenkassen liegen sollte. Letztere beschweren sich medial wiederholt über die hohe Anzahl von Operationen, gerade am Rücken. Dass andererseits die Notwendigkeit multimodaler Schmerztherapien im stationären Setting regelmäßig in Abrede gestellt wird, kann deshalb nur verwundern.
Ihr Ansprechpartner: Dr. T. Flachsbarth
Am 30.05.2018 berichteten wir Ihnen über eine äußerst interessante Entscheidung des Landgerichts Bamberg vom 11.05.2018. Das OLG Bamberg hat nun rechtskräftig mit Urteil vom 07.03.2019 zu Az. 1 U 110/18 die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Die vom Krankenhaus mit der Versicherten getroffene Vereinbarung über medizinische Wahlleistungen (hier besonderes Gewebe zum Wiederaufbau der Brust nach Mastektomie) sei wirksam. Die private Zusatzversicherung müsse die Sachkosten für die Gewebematrix übernehmen. Weder aus Gesetz noch aus den Versicherungsvertragsbedingungen ergebe sich eine Beschränkung auf die Wahlleistung Arzt oder Unterkunft. Bemerkenswert an der Entscheidung des OLG Bamberg ist zudem die ausführliche Befassung mit der Frage, ob eine Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BGH vorliege, wenn in der einen Brust die Vorstufe von Krebs diagnostiziert wurde, in der anderen jedoch noch nicht. Das OLG schließt sich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht an und führt aus, eine Krankheit könne auch in Fallgestaltungen vorliegen, in denen es noch nicht zu einer Störung körperlicher oder geistiger Funktionen gekommen ist, jedoch ein erhebliches und schwerwiegendes Erkrankungsrisiko bestehe. Die Familienanamnese sowie verschiedene klinische Befunde würden im konkreten Fall dafür sprechen, dass die private Krankenversicherung auch die Behandlungskosten für die Versorgung der Brust übernehmen müsse, in der (bislang) noch kein Krebs festgestellt wurde.
Ihr Ansprechpartner: Dr. T. Flachsbarth
Der EuGH hat mit Urteil vom 04.07.2019 – nach den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht mehr allzu überraschend – entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Artikel 15 Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 (Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen. Der EuGH begründet dies ausschließlich damit, dass Planungsleistungen in Deutschland auch von Dienstleistern erbracht werden können, die keine Architekten oder Ingenieure sind, deshalb nicht den Regelungen der HOAI unterfallen, und damit das von der Bundesrepublik Deutschland verfolgte Ziel, durch die Honorarvorgaben eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten, nicht erreicht werden kann. Das ist zumindest insoweit nicht richtig, als dass nach sämtlichen Landesbauordnungen bestimmte Qualifikationsanforderungen an diejenigen Personen gestellt werden, die als Entwurfsverfasser einen förmlichen Bauantrag stellen können (vgl. etwa § 43 LBO BW). Dies ändert aber nichts daran, dass der EuGH die verbindlichen Honorare der HOAI für insgesamt als europarechtswidrig beurteilt hat.
Der EuGH hat keine Übergangsfrist für eine etwaige Anpassung vorgesehen, weshalb die Berufung auf die Mindest- und Höchstsätze der HOAI in sämtlichen Architekten- und Ingenieurverträgen nicht mehr erfolgversprechend ist. Soweit allerdings in Verträgen die HOAI ausdrücklich vereinbart wurde, behalten diese Vereinbarungen ihre Gültigkeit. Wenn sich aber etwa Architekten im Honorarstreit darauf berufen, es liege eine Mindestsatzunterschreitung vor und das Honorar sei entgegen der getroffenen Vereinbarung nach den Mindestsätzen der HOAI zu bestimmen, geht diese Argumentation jetzt ins Leere.
Der EuGH hat aber ausschließlich die Honorarordnung der HOAI verworfen, nicht aber deren übrige, weit darüber hinausgehenden Regelungen. Das heißt auf die Regelung etwa zu den Zahlungen, Nebenkosten oder die Leistungsbilder der HOAI kann nach wie vor zurückgegriffen werden. Daneben ist es natürlich immer noch möglich, anhand der HOAI das Honorar vertraglich zu vereinbaren. Es empfiehlt sich daher, eine solche Bezugnahme ausdrücklich im Vertrag zu regeln.
Daneben besteht ab sofort aber die Möglichkeit, das Honorar nach anderen Kriterien zu vereinbaren, etwa nach Aufwand oder auch pauschaliert. Unter anderem die Bundesarchitektenkammer und der Verband Beratender Ingenieure haben schon angekündigt, in Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium zeitnah Empfehlungen hierfür zu veröffentlichen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Peter Sieben
Im Rahmen der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten sind Spontanatmungszeiten gemäß Wortlaut und Regelungssystem der Kodierrichtlinien (DKR 1001l) nur dann als Beatmungsstunden mitzuzählen, wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolgt. Diese Phase ist durch das Ziel geprägt, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen (BSG, Urt. v. 19.12.2017 – B 1 KR 18/17 R). Das LSG Bayern hat nunmehr mit Urteil vom 12.03.2019 (L 5 KR 202/18) entschieden, dass der Wortlaut der DKR 1001l nicht voraussetzt, dass der Entwöhnungsversuch zu vollem Erfolg, also zur Beendigung der maschinellen Beatmungsbedürftigkeit geführt haben muss. Ein Ende der Entwöhnung im Sinne einer stabilen respiratorischen Situation sei nicht erforderlich, um eine Entwöhnungssituation zu bejahen, zu deren Dauer auch beatmungsfreien Intervalle hinzugezählt werden müssen. Ausschlaggebend sei allein das Ziel der Entwöhnung, nicht deren tatsächlicher Erfolg im Sinne des Erreichens eines stabilen respiratorischen Zustands. Die Entscheidung des LSG ist uneingeschränkt zu begrüßen. Sie beschäftigt sich zwar nicht mit der umstrittenen Frage, unter welchen Umständen die vom BSG (unglücklicherweise allein anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs ohne Heranziehung einer medizinisch-wissenschaftliche Definition) geforderte „Gewöhnung" an eine Beatmung vorliegt, enthält jedoch zwei wichtige Klarstellungen: Ist die die Behandlung des Krankenhauses auch (nur) auf eine zeitliche Reduzierung der maschinellen Beatmung ausgerichtet, liegt bereits eine gezielte Entwöhnung vor; die Anrechnung beatmungsfreier Intervalle kann grundsätzlich auch bei erfolglosen Entwöhnungsversuchen erfolgen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Nach den Mindestmengenregelungen des G-BA (Mm-R) haben die Krankenhäuser den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bis spätestens zum 15. Juli 2019 ihre Prognose zum Erreichen der Mindestmengen im Kalenderjahr 2020 zuzuleiten. Die Erklärung ist in schriftlicher oder in elektronischer Form unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur ohne vorherige Aufforderung zu übermitteln. Insbesondere sind die Leistungsmengen des vorausgegangenen Kalenderjahres (2018) sowie der letzten zwei Quartale des vorausgegangenen Kalenderjahres (2018) und der ersten zwei Quartale des laufenden Kalenderjahres (2019) mitzuteilen. Die voraussichtliche Leistungsentwicklung für das Kalenderjahr 2020 ist von dem Krankenhaus näher zu begründen; es sind aussagekräftige Belege vorzulegen, insbesondere sofern die positive Prognose nicht schon ausreichend durch die in jüngerer Vergangenheit erreichten Fallzahlen, sondern auch durch personelle oder strukturelle Veränderungen oder weitere Umstände begründet werden soll. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen haben sodann die Möglichkeit, die Prognose durch Verwaltungsakt, gegen den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, zu widerlegen. Ein Widerspruchs- oder Schiedsstellenverfahren vor Erhebung der Klage ist nicht vorgesehen. Aufgrund der Dringlichkeit der Angelegenheit wird im Einzelfall ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren in Betracht zu ziehen sein. In diesem Zusammenhang liegt eine erste Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 10.05.2019 vor, die Fragen zur Rechtmäßigkeit der Prognose eines Krankenhauses zum Kalenderjahr 2019 betroffen hat.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Mit mehreren Urteilen hat das Bundessozialgericht (BSG) am 04. und 07.06.2019 für Klarheit gesorgt. Sogenannte Honorarärzte und Honorarpflegekräfte sind grundsätzlich nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt. Ihre Tätigkeit unterliegt daher der Beitragspflicht zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Für den aufmerksamen Beobachter ist dies keine Überraschung. Das BSG bestätigte auf Basis der siebzehn dazu vorliegenden Revisionsfälle nunmehr höchstrichterlich, was sich als sozialgerichtlicher Trend bereits deutlich abzeichnete. Die Versorgung in Krankenhäusern und Pflegeheimen erfolgt im Rahmen einer Organisation, bei welcher die Mitarbeiter arbeitsteilig zusammenwirken. Dies bedingt eine Eingliederung in den Betrieb und erfüllt damit grundsätzlich die Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung, wie sie nach § 7 Abs. 1 SGB IV gesetzlich vorgezeichnet ist. (Seltene) Ausnahmen sind denkbar. Ob deren Anforderungen einer sicheren Organisation der Patientenversorgung dienlich sind, steht auf einem anderen Blatt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
In einem von uns geführten Verfahren war der Ablehnungsantrag wegen der Besorgnis der Befangenheit gegen einen Sachverständigen, der auch als externer Gutachter für den MDK tätig wird, erfolgreich (Beschluss des SG Detmold vom 28.05.2019, S 24 KR 813/18). Der Sachverständige, der auch im Dienste des MDK tätig ist, stehe „im Lager der Krankenkassen", denn die gesetzliche Funktion des MDK bestehe in der Beratung und Unterstützung der Krankenkassen bei deren gesetzlichen Aufgaben. Dass der MDK organisatorisch und rechtlich von den Krankenkassen unabhängig ist und die Ärzte weisungsfrei agieren und nur ihrem ärztlichen Wissen unterworfen sind, sei nicht entscheidend, denn hieraus könne für die prozessuale Stellung im gerichtlichen Verfahren nichts abgeleitet werden. Auch bei einem externen Gutachter seien keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei einem hauptamtlichen Mitarbeiter des MDK, denn bereits durch seine Beauftragung durch den MDK entstehe eine hinreichende Verbindung zu den institutionellen Abläufen des MDK, so dass es auch Sicht eines objektiven Dritten kein Unterschied macht, ob jemand als hauptamtlicher Mitarbeiter oder externer Gutachter eingesetzt werde.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das LSG Baden-Württemberg entschied am 09.04.2019, dass vorbehaltlos im Jahre 2012 bezahlte Aufwandspauschalen (AWP) von Krankenkassen nicht zurückgefordert werden könnten. Der Grundsatz von Treu und Glauben stehe einer Rückforderung auch dann entgegen, wenn es sich um sachlich-rechnerische Überprüfungen gehandelt haben sollte. Es sei treuwidrig und unbillig, vorbehaltlos bezahlte AWP zurückzufordern. Die Revision wurde im Urteil zu Az L 11 KR 1359/18 zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der OPS 8-982 (palliativmedizinische Komplexbehandlung) verlangt insbesondere mindestens sechs Stunden Gespräche pro Woche. Die Gespräche können gemäß OPS von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams geführt werden. Das SG Karlsruhe entschied am 28.02.2019, dass entgegen der Auffassung des MDK und einiger Kassen auch angestellte Seelsorger des Krankenhauses zum Behandlungsteam zählen. Die Entscheidung zum Aktenzeichen S 9 KR 1621/17 ist rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.04.2019 (L 5 KR 1522/17) entschieden, dass die in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV 2015 festgelegte Fünfmonatsfrist für die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren eine nachträgliche Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren nicht ausschließt. Zur Regelung derartiger materiell-rechtlicher Ausschlussfristen seien die Partner der PrüfvV nicht ermächtigt. Zum Prüfverfahrensrecht i.S.d. § 17c Abs. 2 KHG gehörten zwar grundsätzlich auch Regelungen über die Rechtsfolgen von Versäumnissen im Prüfverfahren. Hierbei handele es sich jedoch um rein verfahrensrechtliche Ausschlussfristen als "formelle Präklusionsvorschriften". Diese dienten dem verfahrensrechtlichen Ziel der PrüfvV, das bundesweit vereinheitlichte Prüfverfahren effektiver und konsensorientierter zu gestalten und auch zu beschleunigen. Demgegenüber gehörten Regelungen im Sinne von "materiellen Präklusionsvorschriften" , d.h. materieller Ausschlussvorschriften, innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist bzw. innerhalb des vom BSG postulierten Verwirkungs-Zeitraums (Ablauf des auf die erste Rechnungsstellung folgenden Kalender/Haushaltsjahres) nicht mehr zum (formellen) Prüfverfahrensrecht i.S.d. § 17c KHG, sondern zum (materiellen) Krankenhausvergütungsrecht. Rechtswirkungen auf den materiell-rechtlichen Vergütungsanspruch des Krankenhauses (oder dessen gerichtliche Geltendmachung) könnten Regelungen der PrüfvV daher auch im Wege der Auslegung nicht beigemessen werden; damit würde der Umfang der Rechtssetzungsermächtigung in § 17c Abs. 2 KHG überschritten.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Streitgegenständlich war die Frage, ob das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK) auf der Grundlage des § 17b Abs. 3 Satz 7 KHG Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten kann. Mehrere von uns vertretene Krankenhäuser haben sich gerichtlich gegen die Verpflichtung gewandt, Kalkulationsdaten nach Aufforderung durch das InEK zu liefern. In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat nun das OVG Nordrhein-Westfalen zu Gunsten des Krankenhauses entschieden. Antragsgemäß wurde mit Beschluss vom 17.04.2019 vorläufig festgestellt, dass das antragstellende Krankenhaus nicht verpflichtet ist, Kalkulationsdaten gemäß der Bundesvereinbarung an das InEK zu liefern. Mit überzeugender Begründung wird ausgeführt, dass dem InEK keine unmittelbare gesetzliche Ermächtigung zukomme, Krankenhäuser zur Teilnahme am Kalkulationsverfahren zu verpflichten. Das InEK ist eine juristische Person des Privatrechts, die für das Kalkulationsverfahren nicht mit hoheitlichen Befugnissen beliehen ist.
Ihre Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas und Dr. Ulrich Trefz
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 04.04.2019 entschieden, dass vertragliche Abreden zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenkasse darüber, dass Aufrechnungen entgegen dem landesvertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot durchgeführt werden dürfen, unwirksam sind. Derartige Vereinbarungen verstoßen gegen § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages für Nordrhein-Westfalen nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Die Regelungen des Landesvertrages stehen nicht zur Disposition der einzelnen Krankenkassen und Vertragskrankenhäuser. Dies ergibt sich bereits aus dem Rechtscharakter des Landesvertrages nach § 112 SGB V als sogenannten Normenvertrag, der für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich ist. Der Landesvertrag sehe Öffnungsklauseln vor, nicht aber in Bezug auf das landesvertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LSG NRW die Revision zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 13.12.2018 (L 5 KR 738/16) ein Krankenhaus zur Erstattung vorbehaltlos gezahlter Aufwandspauschalen für vor dem 01.07.2014 abgewickelte Behandlungsfälle verurteilt. Es habe sich in sämtlichen Fällen um Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gehandelt, welche nicht erst seit der Entscheidung des BSG vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13), sondern „seit jeher" einem eigenen Prüfregime unterlägen. Die Prüffragen, ob Hauptdiagnosen richtig kodiert waren, ob Nebendiagnosen richtig kodiert waren, ob Prozeduren korrekt waren, ob Zusatzentgelte korrekt waren oder/und ob die Anzahl der Beatmungsstunden korrekt war, seien sämtlich Prüfgesichtspunkte, die nach der Rechtsprechung des 1.Senats des BSG der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zuzuordnen seien. Die Differenzierung zwischen Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und Auffälligkeitsprüfungen, die der 1. Senat des BSG am 01.07.2014 mit Blick auf § 275 SGB V „verbalisiert" habe, könne auch rückwirkend Geltung beanspruchen. Denn zuvor habe es hierzu keine gefestigte und langjährige Rechtsprechung, die dem entgegenstünde, gegeben. Vielmehr habe sich die Rechtsprechung des BSG zur Prüfung von Krankenhausabrechnungen (jedenfalls) seit 2003 noch "im Fluss" befunden. Es bestünde daher keine Vertrauensgrundlage des Krankenhauses für das Behaltendürfen bereits ausgezahlter Aufwandspauschalen für Prüfungen vor dem 1.7.2014. Sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor dem 01.07.2014 nicht geeignet, ein derartiges schutzwürdiges Vertrauen der Krankenhäuser zu begründen, lasse sich insbesondere mit Blick auf die kurze Verjährungsfrist nach § 45 SGB I ein Abweichendes auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründen.
Die Entscheidung des LSG vermag nicht zu überzeugen. Sie lässt nicht nur eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Grundsatzfrage der Verwirkung von Rückforderungsansprüchen nach vorbehaltloser Zahlung aufgrund jahrelang gefestigter Praxis vermissen, sondern offenbart auch ein erstaunliches Verständnis der datenschutzrechtlich relevanten - und daher abschließenden - Regelungen zur Übermittlung sensibler Gesundheitsdaten im Rahmen des SGB I, X und V: Das LSG vertritt die Ansicht, der MDK werde bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung in der Sache zugunsten des Krankenhauses tätig, daher sei eine Rechtsgrundlage sein Tätigwerden gar nicht erforderlich. Die Revision wurde zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Mit Urteil vom 10.01.2019 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aus 2014 bestätigt, nach welcher nur am Krankenhaus angestellte oder dort als Beamte tätige Krankenhausärzte die Funktion eines Wahlarztes im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG übernehmen können. Die genannte Vorschrift legt den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend fest und schließt (damit) wahlärztliche Leistungen durch sogenannte Honorarärzte aus. Aber der BGH geht noch weiter: Er versteht § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG als eine zwingende preisrechtliche Schutzvorschrift zugunsten des Patienten, die es sogar verbietet, den Honorararzt in der Wahlarztvereinbarung als „originären" Wahlarzt zu benennen. Derartige Vereinbarungen betrachtet der BGH wegen des Verstoßes gegen eine Verbotsnorm gemäß § 134 BGB als nichtig. Das allseitige Einverständnis der Beteiligten, einschließlich des Patienten, ändert daran nichts. Wahlärztliche Leistungen können danach nur (noch) durch Krankenhausärzte erbracht werden, die zum Krankenhausträger in einem Anstellungs- oder Beamtenverhältnis stehen. Nicht festangestellte Ärzte im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 KHEntgG scheiden insofern aus. Sie dürfen nur für allgemeine Krankenhausleistungen eingesetzt werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das LSG Baden-Württemberg hat sich in einem Urteil vom 22.01.2019, Az. L 11 KR 3754/18, mit der häufig umstrittenen Frage der Kodierung einer Sepsis als Hauptdiagnose befasst. Streitig war zwischen Krankenhaus und Krankenkasse, ob die Abnahme nur eines Blutkulturpärchens vor Einleitung einer antimikrobiellen Therapie ausreicht, um als Hauptdiagnose eine "Sepsis durch Streptokokken, (ICD A40.0)" kodieren zu können. Dies wird vom LSG bejaht. Die Abnahme einer zweiten Blutkultur sei nach den Leitlinien für die Diagnose einer Sepsis nicht zwingend, sofern bereits eine Blutkultur vorliegt, welche die Infektion positiv belegt und mindestens 2 weitere SIRS („Systemic Inflammatory Response Syndrome") -Kriterien erfüllt sind. Soweit die entsprechende Leitlinie S 2: „Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis" der Deutschen Sepsis-Gesellschaft und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, die bis zum 01.02.2015 gültig war und zurzeit überprüft wird, die Abnahme von 2 bis 3 Blutkulturpärchen schnellstmöglich vor Einleitung einer antimikrobiellen Therapie empfiehlt, handele es sich ausweislich des Wortlautes ausschließlich um eine Empfehlung. Aus den Diagnosekriterien selbst sei nur der Nachweis der Infektion gefordert. Die zwingende Abnahme von mindestens 2 Blutkulturpärchen vor der Einleitung der antimikrobiellen Therapie ergäbe sich auch nicht aus der ab 01.01.2007 gültigen Definition von SIRS der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Sepsis-Gesellschaft (DSG). Nach deren Wortlaut sei vielmehr auch bei Abnahme von zwei Blutkulturen, von denen nur eine positiv ist, bei Erfüllung mindestens zwei der SIRS-Kriterien von einer Sepsis auszugehen. Die Abnahme einer zweiten Blutkultur könne demnach nicht zur Voraussetzung der Diagnosestellung der Sepsis und damit der Abrechnung gemacht werden.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das ohnehin schon sehr stark durch das Europarecht, insbesondere die Arbeits-zeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) geprägte Urlaubsrecht hat durch die neu-este Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine weitere, eher zu Lasten der Arbeitgeber gehende Änderung erfahren: Nach der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt in der Regel nicht genommener Jahresurlaub mit Ablauf des Jahres, wenn er nicht ausnahmsweise in das Folgejahr übertragen wird. Auf Vor-lage des Bundesarbeitsgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union am 06.11.2018 (Az. C-684/16 - Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissen-schaften) erklärt, dass – etwas verkürzt dargestellt – diese Regelung nicht mit der Arbeitszeitrichtlinie übereinstimmt.
In Umsetzung dieser Vorgabe hat nunmehr das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15) entschieden, dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG der Verfall von Urlaub in der Regel nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefor-dert hat, den Urlaub zu nehmen und gleichzeitig klar und rechtzeitig darauf hin-gewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlöschen wird. Zumindest ist das Bundesarbeitsgericht nicht der Vorinstanz, dem Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 06.05.2015 – 8 SA 982714 -) gefolgt, wonach der Arbeitgeber sogar gezwungen sein sollte, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Gleichwohl sind durch diese Rechtsprechung des BAG die Obliegenheiten an einen Arbeitgeber, der erreichen will, dass Urlaubsansprüche seiner Mitarbeiter verfallen, gestiegen. Dieser muss also zukünftig, wie es der Europäische Gerichtshof ausführt, „konkret und in völ-liger Transparenz dafür (...) sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun".
Es ist zu erwarten dass es wegen der Frage, wann eine solche Information „rechtzeitig" und ausreichend „transparent" erfolgt, weiteren Streit geben wird. Eine Information kurz vor Ablauf des Kalenderjahres dürfte nicht mehr rechtzeitig sein, wohl auch nicht ein einfacher Hinweis auf den bestehenden Resturlaub in der monatlichen Gehaltsabrechnung. Für Arbeitgeber, die insoweit kein Risiko eingehen möchten, empfiehlt sich daher, schon früher im Jahr, etwa nach den Herbstferien oder spätestens Anfang November, entsprechende Schreiben an die betroffenen Arbeitnehmer zu versenden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Peter Sieben
Das BSG entschied 2015, das Wirtschaftlichkeitsgebot zwinge Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung dazu, die Möglichkeiten wirtschaftlicheren Alternativverhaltens zu prüfen und ggf. zu nutzen. Soweit die Behandlung kostengünstiger durch einen stationären Aufenthalt statt durch zwei stationäre Behandlungsepisoden tatsächlich möglich sei und medizinische Gründe nicht entgegenstünden, habe das Krankenhaus seine Behandlungsplanung zwingend daran auszurichten (BSG, Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 3/15 R; Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 29/16 R). Auf Grundlage der BSG-Entscheidung fordern Krankenkassen und MDK häufig in Fallgestaltungen, in denen eine Fallzusammenführung gem. § 2 FPV nicht in Betracht kommt, eine Fallzusammenführung aus Wirtschaftlichkeitsgründen. Das LSG Baden-Württemberg hat nun in einer typischen Fallgestaltung am 25.01.2019 entschieden, dass es nicht auf die expost-Betrachtung ankomme, ob ein stationärer Aufenthalt günstiger gewesen wäre als zwei. Zu prüfen sei, ob unter Zugrundelegung der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entlassung aus der ersten stationären Krankenhausbehandlung von den Krankenhausärzten wirtschaftlich gehandelt wurde. Lagen – wie im vorliegenden Fall – zum Zeitpunkt der Entlassung die maßgeblichen Befunde noch nicht vor, die für die weitere Versorgung wegweisend waren, habe das Krankenhaus mit einer Entlassung nicht unwirtschaftlich gehandelt. Im konkreten Fall stand vor dem histologischen Befund und der noch ausstehenden Tumorkonferenz nicht fest, ob eine ambulante oder stationäre palliative oder adjuvante Chemotherapie oder doch zunächst eine operative Versorgung erforderlich sein werden.
In der ausführlich begründeten Entscheidung rechnet das LSG der Krankenkasse vor, welche Kosten bei den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen im Raum gestanden hätten und schlussfolgert, dass in Anbetracht der unklaren weiteren Schritte auch vom Krankenhaus keine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 FPV zu fordern gewesen sei. Das Urteil des LSG vom 25.01.2019 zu Az. L 4 KR 72/17 ist zu begrüßen, da es mit seiner ausführlichen Darstellung der Behandlungsalterna-tiven und den damit korrespondierenden Kosten klar aufzeigt, wie unrealistisch die Auffassung der Krankenkassen und des MDK ist, die weitere Behandlung unter Kostengesichtspunkten bei unklarem weiteren Verlauf zu planen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit Urteil vom 25.10.2018 mit der Rechtmäßigkeit einer Schiedsstellenentscheidung bei Festsetzung krankenhausindividueller Entgelte nach § 6 Abs. 1 KHEntgG befasst. Die gerichtliche Entscheidung betrifft Inhalt und Reichweite der der Schiedsstelle im Rahmen der Festsetzung zukommenden Bewertungs- und Beurteilungsspielräume. Demnach hat die Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung grundsätzlich dieselben rechtlichen Grenzen zu beachten wie die Vertragsparteien und ihr kommt innerhalb dieser Grenzen die diesen Parteien zukommenden Gestaltungsmöglichkeiten zu. Allerdings unterliegt sie strengeren verfahrensrechtlichen Bindungen als die Vertragsparteien aufgrund ihrer Funktion als staatlich geregeltes, paritätisch zusammengesetztes Konfliktlösungsgremium. Bestätigt wird die bisherige Rechtsprechung, wonach im Schiedsstellenverfahren grundsätzlich der Beibringungsgrundsatz gilt, demnach jede Partei ihre Position substantiiert darlegen und ggf. belegen muss. Dies bedeutet unter Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, der auch im Schiedsstellenverfahren gilt, dass die Schiedsstelle in den Fällen, in denen eine Vertragspartei substantiierte Einwendungen gegenüber dem Vortrag der anderen Vertragspartei erhebt, diese Einwendungen zur Kenntnis nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen muss. An die Substantiierungspflicht der Parteien dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Grundsatz der sachgerechten Kalkulation der krankenhausindividuellen Entgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG beinhaltet, dass die Entgelte nach allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen krankenhausindividuell zu kalkulieren sind. Hierbei kommt auch § 17 Abs. 2 Satz 1 KHG Bedeutung zu, wonach die zu vereinbarenden Entgelte medizinisch leistungsgerecht sein müssen und einem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Die Schiedsstelle ist auch verpflichtet, ihre Beschlüsse ausreichend zu begründen, so dass transparent wird, von welchen Erwägungen sie sich bei ihrer Entscheidung hat leiten lassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Mit Beschluss vom 26. November 2018, veröffentlicht am 8. Januar 2019, hat der 1. Senat des BVerfG einstimmig die unter den Aktenzeichen 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17 sowie 1 BvR 2207/17 erhobenen Verfassungsbeschwerden gegen die Rechtsprechung des BSG zur Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 275 Abs. 1 c S. 3 SGB V in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen BSG-Entscheidungen vom 25.10.2016, 28.03.2017 und 23.05.2017, mit denen das BSG jeweils Ansprüche der Krankenhäuser auf Erstattung der Aufwandspauschale nach durchgeführten Abrechnungsprüfungen unter Einschaltung des MDK mit der Begründung verneint hatte, es habe sich um Fälle sog. „sachlich-rechnerischer Prüfungen" gehandelt. Fraglich war, ob das BSG mit der Implementation dieses Prüfregimes die von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten hatte.
Zwei der Verfassungsbeschwerden verwarf das BVerfG als unzulässig, da sich die beschwerdeführenden Krankenhäuser zumindest mehrheitlich in kommunaler Trägerschaft befinden und somit wegen ihrer Zugehörigkeit zur öffentlichen Hand nicht grundrechtsfähig sind. Hinsichtlich der Rüge, das Bundessozialgericht habe die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, hält das BVerfG die Verfassungsbeschwerden für unbegründet: Selbst wenn man davon ausgehe, es habe sich um richterliche Rechtsfortbildung gehandelt, seien deren verfassungsrechtliche Grenzen durch die angegriffenen Entscheidungen des BSG nicht überschritten. Es sei vielmehr gut vertretbar, die durch § 275 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGB V geregelte Prüfung an das Vorliegen von Auffälligkeiten zu binden und davon einen auf die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung einer als solchen rechtmäßigen Behandlung zielenden Prüfbereich abzugrenzen, so dass sich das BSG nicht über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt habe. Die Rechtsänderung des § 275 Abs. 1 c SGB V zum 1. Januar 2016 ändere daran nichts; zwar sei unverkennbar, dass mit der Anfügung von § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V die streitige Rechtsprechung des BSG korrigiert werden sollte. Dies sei jedoch kein Indiz für einen vorher schon vorhandenen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers. Daher verletze auch die Annahme des Bundessozialgerichts, die Regelung entfalte erst ab 1. Januar 2016 Wirkung und sei nicht als zurückwirkende Klarstellung der ohnehin geltenden Rechtslage anzusehen, nicht die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger Rechtsfortbildung.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.12.2018 (L 11 KR 206/18 – nicht rechtskräftig) entschieden, dass eine endoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einsatz von Coils (Sprialen) schon im Jahr 2013 eine über das experimentelle Stadium hinausgehende Behandlungsmethode mit Potential darstellte und daher auf Grundlage des § 137 c SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden konnte. Mit dem bereits 2012 eingeführten Begriff des Potenzials einer Behandlungsalternative habe der Gesetzgeber einen Mittelweg eingeführt zwischen Anerkennung und Ablehnung einer Methode nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin im Sinne einer mit niedrigerer Evidenz belegten Behandlungsalternative. Somit werde das in § 2 SGB V geregelte allgemeine Qualitätsgebot in § 137 c SGB V speziell für im Rahmen der Krankenhausbehandlung vorgesehene oder bereits zur Anwendung kommende Methoden konkretisiert. Das LSG wendet sich damit ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des BSG, welches mit Urteil vom 19.12.2017 (B 1 KR 17/17 R) an seiner – dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufenden - einschränkenden Auslegung des § 137 c SGB V festgehalten hatte.
Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg ist uneingeschränkt zu begrüßen, sie steht zudem im Einklang mit dem aktuellen Abschluss des Methodenbewertungsverfahrens nach § 137 c SGB V: Mit Beschluss vom 20.12.2018 hat der G-BA entschieden, dass die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion beim schweren Lungenemphysem mittels Einlage von Ventilen eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung bleibt. Dies gilt ebenfalls für die Methode der Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Spiralen (Coils) bei Patienten mit einem pulmonalen Residualvolumen von mindestens 225% vom Soll; liegt das verbliebene Residualvolumen unter diesem Wert, liegt zwar noch keine abschließende Entscheidung es G-BA vor, es wird aber das Potential als erforderliche Behandlungsalternative bestätigt.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Mit Urteil vom 12.12.2018 hat das Bundessozialgericht (BSG) jüngst entschieden, dass ermächtigte Krankenhausärzte nicht verpflichtet sind, an dem von einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) organisierten Notdienst teilzunehmen. Die im entschiedenen Fall maßgebliche Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen ist insofern rechtswidrig. Zur Begründung zieht das BSG grundlegende Unterschiede zwischen der Zulassung von Vertragsärzten und der Ermächtigung von Krankenhausärzten heran. Ermächtigungen sind inhaltlich beschränkt und grundsätzlich befristet. Der Krankenhausarzt ist in erster Linie als Arbeitnehmer des Krankenhausträgers und nicht als selbstständiger Betreiber einer Arztpraxis tätig. Er kann daher anders als der Vertragsarzt nicht frei über seine Arbeitszeit entscheiden. Den Verpflichtungen aus einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kommt der Krankenhausarzt nur im Rahmen einer Nebentätigkeit nach. Er ist daher nicht verpflichtet, „rund um die Uhr" an der vertragsärztlichen Versorgung mitzuwirken.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Am 06.02.2018 berichteten wir Ihnen über eine Entscheidung des SG Ulm, wonach unter einer Blutbank im Sinne des OPS 8-98f in der bis 2017 gültigen Version ein Blutdepot zu verstehen sei. Dieser Rechtsprechung schloss sich zwischenzeitlich auch das SG Freiburg an. Die von der Krankenkasse gegen die Ulmer Entscheidung eingelegte Berufung (L 5 KR 1151/18) hat sich nach einem Anerkenntnis der Kasse erledigt; zuvor gab es deutliche Hinweise des Berichterstatters, der Senat beabsichtige, die Berufung der Krankenkasse zurückzuweisen. Damit ist das Urteil des SG Ulm rechtskräftig. Zuvor wurde bereits das Urteil des SG Freiburg rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Mit Beschluss vom 07.08.2018 – 4 B 24.18 – hat das Bundesverwaltungsgericht eine Revision zur Klärung der Frage zugelassen, „Ob und unter welchen Voraussetzungen Vorhaben, die der Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen dienen, von § 246 Abs. 9 BauGB begünstigt werden". Damit wird geklärt werden, ob die vom Gesetzgeber bewusst weit ausgestaltete Vorschrift des § 246 BauGB mit Blick auf die Rechtsnatur des Vorhabenträgers Einschränkungen unterliegt. Dies erscheint zunächst als fernliegend, weil es im Gesetzgebungsverfahren erklärtes Ziel gewesen ist, dem hohen Bedarf nach Unterkünften Rechnung zu tragen und deren Zulassung im gesamten Geltungsbereich des Baurechts zu erleichtern.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Über die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) haben wir bereits am 17.09.2018 berichtet. Zwischenzeitlich ist die Verordnung im Bundesgesetzblatt verkündet worden, so dass sie am 11. Oktober in Kraft getreten ist. Hierzu informieren wir weiter wie folgt:
1. Im Vergleich zum Referentenentwurf (unsere Info vom 17.09.2018) haben sich folgende
wesentliche Änderungen ergeben:
- Es wird bei der Formulierung der Untergrenzen auf eine Differenzierung zwischen Werktagen
und Wochenenden/ Feiertagen verzichtet und
- die Pflegepersonaluntergrenzen wurden teilweise leicht verändert:
• für Intensivstationen gilt ab 2019, dass in der Tagschicht 2,5 Patienten und in der
Nachtschicht 3,5 Patienten maximal von einer Pflegekraft betreut werden dürfen;
• für die Geriatrie und Unfallchirurgie gilt ab 2019 ein Verhältnis von 10:1 (Tag) und 20:1
(Nacht) sowie in der Kardiologie von 12:1 (Tag) und 24:1 (Nacht).
2. Für die Jahre ab 2019 müssen die Krankenhäuser für die einzelnen Monate Durchschnittswerte der
Personalbesetzung (Erfüllungsquote) ermitteln und hierbei zwischen verschiedenen Stationen und
Schichten differenzieren. Näheres ergibt sich aus der noch von den Vertragsparteien auf
Bundesebene zu schließenden Nachweisvereinbarung. Unabhängige Wirtschaftsprüfer oder
Buchführer müssen die Einhaltung der Untergrenzen bestätigen (§ 137i Abs. 4 SGB V und § 6 Abs.
5 PpUGV).
3. Des Weiteren haben die Vertragsparteien auf Bundesebene auf Grundlage der PpUGV eine
Abschlagsvereinbarung nach § 137i Abs. 1 Satz 7 SGB V zu schließen. Hält ein Krankenhaus die
festgelegten Personaluntergrenzen nicht ein, ohne dass ein konkret bestimmter
Ausnahmetatbestand vorliegt, sind Vergütungsabschläge ab dem 01.04.2019 zu erheben (§ 137i
Abs. 1 Satz 7, Abs. 5 sowie § 8 Abs. 1 PpUGV). Ausnahmetatbestände gelten in Fällen von
kurzfristigen krankheitsbedingten Personalausfällen sowie bei starker Erhöhung der
Patientenzahlen, insbesondere bei Epidemien oder Großschadensereignissen.
4. Konkret ist zunächst die krankenhausindividuelle Ermittlung pflegesensitiver Krankenhausbereiche
durch das InEK abzuwarten. Die Ermittlung erfolgt auf Basis der von den Krankenhäusern
übermittelten Daten nach § 21 KHEntgG für das Jahr 2017. Pflegesensitive Bereiche wird das InEK
annehmen, wenn entweder ein entsprechender Fachabteilungsschlüssel übermittelt wurde oder in
einer Fachabteilung mindestens 40 % Indikatoren-DRGs festgestellt werden; abweichend hierzu
wird ein pflegesensitiver Bereich bei intensivmedizinischen Behandlungseinheiten angenommen,
wenn mindestens 400 Fälle mit einem intensiv-medizinischen OPS-Kode dokumentiert sind. Die
Auswertungsergebnisse müssen zum 31.10.2018 vorliegen und den betroffenen Krankenhäusern
bis zum 15.11.2018 übermittelt werden. Hiergegen können die Krankenhäuser sodann bis zum
30.11.2018 Einwände erheben. Nach einer Mitteilung des InEK sollen den betroffenen
Krankenhäusern die Auswertungsergebnisse demnächst – zwischen dem 22.10. und 25.10.2018
- spätestens jedoch bis zum 15.11.2018 auf dem schriftlichen Wege zugehen.
5. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass nach § 5 Abs. 3 PpUGV die betroffenen Krankenhäuser
verpflichtet sind, bestimmte Angaben an das InEK bis 15.12.2018 zu übermitteln
(Mitteilungsverpflichtung). Hierbei handelt es sich insbesondere um die von den Krankenhäusern
verwendeten Namen der als pflegesensitiv ermittelten Fachabteilungen sowie sämtlicher zu diesen
Fachabteilungen gehörender Stationen.
6. Ergänzend zu den Bestimmungen der PpUGV ist der Vollständigkeit halber auf weitere beachtliche
Bestimmungen zu den Personalvorgaben hinzuweisen, die im Rahmen des Pflegepersonal-
Stärkungsgesetzes (PpSG) verabschiedet werden sollen:
Neben die Personaluntergrenzen für die pflegesensitiven Bereiche soll künftig der sog.
„Ganzhausansatz" treten. Nach § 137j SGB V-neu des im Gesetzentwurf vorliegenden PpSG wird
zum 31.05.2020 ein „Ganzhaus-Pflegepersonalquotient" eingeführt, der vom InEK berechnet wird.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll hierdurch im gesamten Krankenhaus eine gute Pflege
und die Sicherheit der Patienten gewährleistet werden. Aktuell sieht nun der von den Fraktionen
CDU/CSU und SPD eingebrachte Änderungsantrag zum PpSG erneut Änderungen im Bereich der
Pflegepersonaluntergrenzen vor. Insbesondere soll nach § 137i Abs. 4a SGB V-neu das InEK für
jedes Krankenhaus über die jeweils geltenden Personaluntergrenzen auf seiner Homepage
unterrichten. Des Weiteren ist in § 137k SGB V-neu eine Weiterentwicklung der
Pflegepersonaluntergrenzen in den pflegesensitiven Bereichen vorgesehen; demnach haben die
Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung zum 01.01.2020 neue
Pflegepersonaluntergrenzen zu vereinbaren. Hierbei sollen dann auch die pflegesensitiven
Bereiche der Neurologie und Herzchirurgie einbezogen werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen wie auch Er-stattungsansprüche der Krankenkassen gegen die Krankenhäuser verjähren nach gefestigter Rechtsprechung des BSG nach vier Jahren. Die Regierungsfraktionen planen mit einer Änderung zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz die Verjährungs-frist auf zwei Jahre zu verkürzen. Dies soll auch für Vergütungs- oder Erstat-tungsansprüche gelten, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind. Sollte die geplante Ergänzung zum 01.01.2019 in Kraft treten, müssten die Krankenhäuser vor Ablauf des 31.12.2018 nicht nur Ansprüche gerichtlich geltend machen, die im Jahre 2014 entstanden sind, sondern auch Ansprüche aus den Jahren 2015 und 2016. Für bereits bei Gericht rechtshängige Forderungen dürfte die Änderung keinerlei Auswirkungen haben, denn nach der geplanten Neuregelung sollen die Vorschriften des BGB über die Hemmung, also beispielsweise durch Klageer-hebung, entsprechend gelten.
Wir empfehlen vor dargelegtem Hintergrund die dringende Abklärung, welche in den Jahren 2014, 2015 und 2016 entstandenen Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden sollen, damit entweder noch vor Jahreswechsel Klage erhoben oder mit den Kostenträgern Verjährungsverzichtsvereinbarungen geschlossen werden können.
Für weitere Informationen: Dr. Heike Thomae und Dr. Till Flachsbarth
§ 87 a Abs. 1 Satz 2 SGB XI bestimmt, dass die Zahlungspflicht des Heimbewohners oder seines Kostenträgers mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt. Der BGH hat mit Urteil vom 04.10.2018 klargestellt, dass unter „Entlassung" im Sinne der Norm auch der freiwillige Auszug des Heimbewohners, der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezieht, fällt. Nach Sinn und Zweck der Norm solle der Heimbewohner (bzw. seine Erben) oder seine Kostenträger vor doppelter Inanspruchnahme für etwaige Leerstände nach dem Auszug (oder dem Tod) des Heimbewohners bewahrt werden. Gemäß der üblichen Praxis der Heimträger würden die durch Leerstände verursachten Kosten im Rahmen der Auslastungskalkulation sowie durch gesonderte Wagnis- und Risikozuschläge in die Pflegesätze eingerechnet und anschließend anteilig auf die Heimbewohner umgelegt werden.
Kurzum: Ein Heimträger kann also nicht nur bei Tod oder Entlassung aus dem Heim das vereinbarte Heimentgelt nur bis zu diesem Zeitpunkt fordern, sondern auch bei „freiwilligem" Auszug des Bewohners vor Ablauf der Kündigungsfrist.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Prof. Dr. Michael Quaas wurde erneut von Handelsblatt und dem US-Verlag Best Lawyers zu einem von Deutschlands besten Anwälten im Rechtsgebiet - Öffentliches Wirtschaftsrecht, Gesundheitswesen - gekürt; bereits 2017 war dies der Fall.
Näheres zu dem am 13.07.2018 veröffentlichten Rating „DEUTSCHLANDS BESTE ANWÄLTE 2018" ist entweder im Handelsblatt-Spezial „DEUTSCHLANDS BESTE ANWÄLTE 2018" zu finden, oder unter diesem Link auf der Internetseite des Handelsblattes; die komplette Listung aller ausgezeichneten Anwälte steht online hier zur Verfügung.
Die Bundesregierung hat sich zur Aufgabe gestellt, die Pflege der Patienten in Deutschland spürbar zu verbessern. Hierzu sollen – neben den Maßnahmen zu den Pflegestärkungsgesetzen, zum Pflegeberufegesetz, zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sowie zu der Konzertierten Aktion Pflege – Personaluntergrenzen im Bereich der Pflege formuliert werden. Nachdem sich die Vertragsparteien auf Bundesebene auf Grundlage des § 137i SGB V nicht auf Plegepersonaluntergrenzen verständigen konnten, hat zwischenzeitlich das Ministerium im Rahmen der Ersatzvornahme einen Referentenentwurf vorgelegt. Mit dieser Verordnung sollen verbindliche Personaluntergrenzen für das Jahr 2019 in den pflegesensitiven Bereichen der Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie geregelt werden. Für jeden dieser Bereiche wird das Verhältnis der Patienten zu den Pflegekräften, differenzierend nach unterschiedlichen Schichten (Tagschichten an Wochentagen, Tagschichten an Wochenenden und Feiertagen sowie Nachtschichten an Wochentagen und Nachtschichten an Wochenenden und Feiertagen) sowie unter Vorgabe des Verhältnisses zwischen examinierten Pflegekräften und Pflegehilfskräften geregelt. Die festgelegten Vorgaben zu den Pflegepersonaluntergrenzen beruhen auf einem Quartilansatz, der im Ergebnis darauf abzielen soll, dass die Personalbelastung von Krankenhäusern in den 25 % der Versorgungsbereiche mit den höchsten Personalbelastungszahlen sinkt. Krankenhäuser mit einer Personalbelastung in diesem Quartil müssen ihre Personalausstattung erhöhen, damit sie das Niveau der übrigen 75 % erreichen. Hierzu wird ein komplexes Verfahren unter Einbeziehung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beschrieben. Das InEK hat zunächst bis zum 31.10.2018 die pflegesensitive Bereiche der Krankenhäuser fachabteilungsbezogen auf der Grundlage der Daten zu § 21 KHEntgG bundesweit festzustellen und die Ergebnisse dieser Auswertung, soweit möglich standortbezogen, bis zum 15.11.2018 an die betroffenen Krankenhäuser zu übermitteln. Einwände hiergegen sollen die Krankenhäuser sodann bis zum 30.11.2018 mitteilen. Für den Fall einer Unterschreitung von Pflegepersonaluntergrenzen drohen Vergütungsabschläge. Deren Höhe ergibt sich dann aber nicht aus der Verordnung, sondern aus einer nachfolgenden Vereinbarung der Vertragsparteien auf Bundesebene und im Streitfall aus einer Festsetzung der Bundesschiedsstelle.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 23.08.2018 (L 16 KR 349/18) zu Gunsten eines von uns vertretenen Krankenhauses die Klage einer Krankenkasse wegen Verjährung des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches abgewiesen und damit bereits die erstinstanzlich erfolgte Klageabweisung des Sozialgerichts Duisburg bestätigt. Die Krankenkasse hatte sich darauf berufen, das beklagte Krankenhaus habe Widerspruch gegen das Begutachtungsergebnis des MDK erhoben und um erneute Begutachtung gebeten. Dies stelle die Vereinbarung eines Begutachtungsverfahrens gem. § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB dar, die die Verjährung gehemmt habe. Dieser Auffassung erteilte das LSG nunmehr eine Absage, da es bereits an einer zwischen Krankenhaus und Krankenkasse getroffenen Vereinbarung über die Einleitung eines Prüfverfahrens durch den MDK fehle. Auch sei die Beauftragung eines weiteren Widerspruchsgutachtens nicht als „Verhandlung" zu verstehen, die nach § 203 Satz 1 BGB die Verjährung hemmen könnten, denn es habe schon an einer unmittelbaren Kommunikation mit der Krankenkasse gefehlt; das Krankenhaus habe lediglich unmittelbar mit dem MDK im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Prüfverfahrens kommuniziert. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Frank Montag
Prof. Dr. Quaas ist in einem aktuellen Rechtsgutachten für den Gemeinde- und Städtebund Thüringen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine im vergangenen Jahr in Kraft getreten Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes, nach der Gemeinden, die finanziell dazu in der Lage sind, auf das Erheben von Straßenausbaubeiträgen verzichten können, verfassungswidrig ist. Am 10.09.2018 war er deshalb in der Live-Sendung FAKT IST! des MDR zum Thema "Gemeinden bauen und Bürger zahlen - Wenn Abgaben die Existenz bedrohen" zu Gast. Mit ihm diskutiert wurden Fragen wie "Wie gerecht sind Straßenausbaubeiträge? Wie sollen die Kommunen den wegfallenden Eigenanteil der Bürger finanziell ausgleichen können? Was ist mit bereits gezahlten Beiträgen? Ab wann soll ein neues Gesetz greifen?"
Weitere Infomationen und die ganze Sendung in der Mediathek des MDR finden Sie hier und hier.
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 22.04.2018 (L 5 KR 593/17) zahlreiche erstinstanzliche Entscheidungen dahingehend bekräftigt, dass die Aufrechnung einer Krankenkasse mit einem Erstattungsanspruch gegen einen Leistungsanspruch des Krankenhauses im Geltungsbereich der PrüfvV eine genaue Bezeichnung des Leistungsanspruchs erfordert. Der Verweis auf ein Zahlungs- bzw. Sammelavis genügt dieser Anforderung nicht und führt zur Unzulässigkeit der Aufrechnung, da aus der reinen Gegenüberstellung von Forderungen und Gegenforderungen nicht ansatzweise erkennbar ist, gegen welche Leistungsansprüche aufgerechnet werden soll. Entgegen der vielfach vertretenen Ansicht der Krankenkassen scheidet auch der Verweis auf eine Bestimmtheit der Aufrechnung anhand des § 366 BGB aus, da diese Vorschrift angesichts der speziellen Regelung des § 9 bzw. § 10 der PrüfvV nicht anwendbar ist. In Nordrhein-Westfalen verbleibt es daher bei dem landesvertraglich bestehenden Aufrechnungsverbot. Die Revision wurde zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Bei dem Kreis derjenigen Personen und Einrichtungen, die ein MVZ gründen können, handelt es sich um eine „geschlossene Gesellschaft". § 95 Abs. 1 a SGB V nennt in seiner seit dem 01.01.2012 geltenden Fassung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) insofern ausschließlich zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, die Erbringer ärztlicher Dialyseleistungen sowie gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und darüber hinaus Kommunen. Diese Aufzählung ist abschließend. Das bekam nun auch ein ursprünglich von einem Apotheker gegründetes MVZ aus Thüringen zu spüren. Die in der Rechtsform einer GmbH organsierte Betreibergesellschaft beantragte die Zulassung eines neuen MVZ in Hessen. Das BSG erteilte dem Vorhaben mit einem bislang noch nicht veröffentlichten Urteil aus Mai 2018 eine Absage. Die Regelung in § 95 Abs. 1 a SGB V sei nicht erweiterbar. Daran ändere auch § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, nach welchem die für Ärzte geltenden Regelungen auf Zahnärzte, Psychotherapeuten und MVZ entsprechend anzuwenden seien, nichts. Das gelte auch für die Bestandsschutzvorschrift des § 95 Abs. 1 a Satz 2 SGB V. Danach bleiben MVZ, die von Personen oder Einrichtungen gegründet worden sind, die nach der Beschränkung des Gründerkreises durch das GKV-VStG nicht mehr gründungsberechtigt sind, zugelassen. Anderenfalls – so das BSG im Terminbericht – würde das Ziel des Gesetzgebers, Neugründungen ab dem 01.01.2012 nur noch durch den jetzt definierten Gründerkreis zuzulassen, unterlaufen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind medizinische Versorgungszentren (MVZ) ärztliche geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der Gesetzgeber lässt damit MVZ in drei Varianten zu, nämlich als Angestellten-MVZ, als Freiberufler-MVZ und als Mischvariante, bei welcher sowohl Vertragsärzte wie auch im MVZ angestellte Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. In einem Urteil von Ende 2017 hat sich das Bundessozialgericht (BSG) jetzt mit den Anforderungen an ein Freiberufler-MVZ befasst. Die insofern aufgestellten Kriterien sind unter anderem dann von besonderer Bedeutung, wenn die im MVZ tätigen Ärzte auch Gesellschafter der MVZ-Betreibergesellschaft sein wollen oder sollen. Dies ist nur unter Erlangung oder Beibehaltung des Status als Vertragsarzt möglich, weil anderenfalls die in § 95 Abs. 1 a Satz 1 SGB V geforderte Gründereigenschaft nicht besteht. Voraussetzung dafür ist nämlich in Bezug auf Ärzte, dass diese aufgrund einer Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Im jetzt vom BSG entschiedenen Fall enttarnte das Gericht die als „freie Dienstverträge" bezeichneten Vereinbarungen zwischen den im MVZ tätigen Ärzten und der MVZ-GmbH als Arbeitsverträge. Damit fehlte es an der für eine vertragsärztliche Tätigkeit „in freier Praxis" erforderlichen Selbstständigkeit. Für diese verlangt das BSG in Anlehnung an § 23 a Abs. 1 Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ärzte), dass die als Vertragsärzte im MVZ tätigen Ärzte entweder als Geschäftsführer oder als Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Gesellschaft beziehungsweise des MVZ ausüben können. Diese Voraussetzungen sah das BSG bei den zur vertragsärztlichen Tätigkeit im MVZ geplanten Ärzten als nicht erfüllt an. Als entscheidend betrachtete das Gericht die Bindung an feste Arbeitszeiten, die Zahlung einer Festvergütung in Kombination mit einer variablen Beteiligung an den Bruttoeinnahmen des MVZ und die fehlende Einflussmöglichkeit auf die Geschäfte der Gesellschaft. So war etwa die zur Tätigkeit im MVZ vorgesehene Zahnärztin schon nicht Gesellschafterin der MVZ-GmbH. Der zweite Arzt verfügte zwar über einen hälftigen Anteil am Stammkapital, war aber an der Geschäftsführung der GmbH nicht beteiligt. Das Urteil hat für die Praxis wesentliche Bedeutung, weil eine „falsche" vertragliche Gestaltung und Konstruktion nicht nur zu der Verweigerung einer beantragten MVZ-Zulassung, sondern bei nachträglichen Veränderungen der dem Zulassungsausschuss eingereichten Verträge zu einem Zulassungsentzug bei MVZ und vermeintlichen Vertragsärzten führen kann.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Zählt eine Therapie oder Diagnostik nicht zum Leistungskatalog der GKV, so steht es den Krankenhäusern frei, die entsprechende Leistung als medizinische Wahlleistungen nach zuvor erfolgter Aufklärung mit den Patienten zu vereinbaren. Das Landgericht Bamberg hat mit Urteil vom 11.05.2018 zu einer Wahlleistungsvereinbarung über eine spezielle Gewebematrix ausgeführt, sie sei tauglicher Gegenstand einer medizinischen Wahlleistungsvereinbarung, da sie nicht zur allgemeinen Krankenhausbehandlung zähle. Eine allgemeine Krankenhausbehandlung liege nur vor, wenn der Einsatz des innovativen Medizinproduktes im konkreten Fall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sei. Eine medizinisch indizierte, aber mehr als notwendige Leistung könne als medizinische Wahlleistung vereinbart werden. Hinsichtlich der Anforderung an eine medizinische Wahlleistungsvereinbarung gelte das, was der BGH zur wahlärztlichen Behandlung ausgeführt habe. Im konkreten Fall entspreche die Aufklärung wie auch die Vereinbarung selbst den Anforderungen nach Gesetz und Rechtsprechung.
Da die Anforderungen nach BSG zur Einhaltung des Qualitätsgebots immer mehr zunehmen, dürfte die Notwendigkeit zur Vereinbarung medizinischer Wahlleistungen bei innovativen Produkten/Methoden in der Praxis an Bedeutung gewinnen. Die Aufklärung wie auch die Wahlleistungsvereinbarung selbst sind sorgsam unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zu formulieren.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Am 19.04.2018 hat der G-BA auf Grundlage des § 136c Abs. 4 SGB V Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern beschlossen. Demnach werden die Krankenhäuser, die an der Notfallversorgung teilnehmen drei Versorgungsstufen zugewiesen (Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung sowie umfassende Notfallversorgung). Für jede einzelne Stufe werden Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfallleistungen formuliert. Strenge Anforderungen gelten bereits für die unterste Stufe (Stufe 1: Basisnotfallversorgung); auch Krankenhäuser dieser Versorgungsstufe müssen zumindest über eine Fachabteilung Chirurgie und Innere Medizin sowie eine Intensivstation mit mindestens 6 Betten verfügen. Ein Facharzt im Bereich der Inneren Medizin, Chirurgie und Anästhesie muss innerhalb von maximal 30 Minuten am Patienten verfügbar sein. Für alle Krankenhäuser, die an einer Stufe der Notfallversorgung teilnehmen, soll zur Versorgung von ambulanten Notfällen eine Kooperationsvereinbarung mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abgeschlossen werden. Die Regelungen des G-BA werden Grundlage der Vereinbarung der Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 Abs. 1a Nr. 5 KHEntgG sein, wonach bis zum 30.06.2018 die Höhe und die nähere Ausgestaltung der Zu- und Abschläge für eine Teilnahme oder Nichtteilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung zu regeln ist.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Die Vergütung teilstationär durchgeführter Dialysen wird seitens der Krankenkassen häufig pauschal mit dem Argument abgelehnt, diese sei aufgrund des Grundsatzes „ambulant vor stationär" ambulant abzurechnen. Dies ist zwar insofern nachvollziehbar, als dass die teilstationäre Dialyse nach der Rechtsprechung des BSG einen Grenzfall zwischen teilstationärer und ambulanter Behandlung darstellt und es im Falle der teilstationären Erbringung grundsätzlich der Prüfung einer entsprechenden Erforderlichkeit bedarf (Urteil vom 04.03.2004, B 3 KR 4/03R sowie Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 21/15 R). Allerdings sollte diese Prüfung im Rahmen des Einzelfalls und anhand medizinischer Standards erfolgen. Das Sozialgericht Braunschweig hat nunmehr mit Urteil vom 23.01.2018 (S 54 KR 370/14) zugunsten eines Krankenhauses entschieden, dass diesbezüglich auf den Dialysestandard der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) zurückgegriffen werden kann. Dieser definiert hinreichend, anhand welcher Indikatoren die Durchführung einer teilstationären Dialyse gerechtfertigt ist und ermöglicht eine nachvollziehbare Darlegung im Bestreitensfall.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das Sozialgericht Detmold hat mit Urteil vom 05.04.2018, S 22 KR 746/17, der Klage eines von uns vertretenen Krankenhauses in vollem Umfang stattgegeben. Der MDK gelangte in einer von der beklagten Krankenkasse in Auftrag gegebenen Teilprüfung zu dem Ergebnis, dass die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose unzutreffend und daher abzuändern sei. Die geänderte Hauptdiagnose führte zu einer anderen DRG mit einem höheren Erlösbetrag. Das Krankenhaus korrigierte daraufhin seine Erstrechnung und erstellte eine Korrekturrechnung mit einem höheren Rechnungsbetrag unter Zugrundelegung der vom MDK als richtig unterstellten Hauptdiagnose. Die Rechnungsänderung erfolgte unmittelbar nach Vorlage des MDK-Gutachtens und innerhalb von fünf Monaten nach Prüfeinleitung. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung mit der Begründung, eine Nachberechnung sei unzulässig. Dem folgte das Sozialgericht Detmold nicht und verwies auf die Rechtsprechung des BSG, wonach eine Abänderung einer Kostennote bis zum Ablauf des auf die Erstrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig ist. Auch die Prüfverfahrensvereinbarung schließe eine Nachberechnung nicht aus. Die Berufung wurde vom Sozialgericht Detmold nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das Sozialgericht Speyer hat mit Urteil vom 09.03.2018, S 16 KR 680/16, die Klage gegen ein von uns vertretenes Krankenhaus auf Rückerstattung im Jahr 2012 geleisteter Zahlungen für Umsatzsteuer auf die Abgabe von Zytostatikazubereitungen durch die Krankenhausapotheke des Krankenhauses zur Behandlung von bei der Klägerin versicherten Patienten abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht Speyer aus, dass der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch verjährt sei. Dabei geht das Sozialgericht von einer lediglich dreijährigen Verjährungsfrist aus. Der anders lautenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach für Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen eine vierjährige Verjährungsfrist greifen soll, folgt das Sozialgericht Speyer nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das Amtsgericht Minden hat mit Urteil vom 02.03.2018, 28 C 389/16, die Klage einer privaten Krankenversicherung auf Rückzahlung gezahlter Umsatzsteuer auf von der Krankenhausapotheke hergestellte Zytostatika für ambulante Patienten des Krankenhauses abgewiesen. Zur Begründung verweist das Amtsgericht Minden auf die fehlende Bereicherung des beklagten Krankenhauses, weil dieses einen Erstattungsanspruch der Beklagten hinsichtlich der gezahlten Umsatzsteuerbeträge gegen den Fiskus nicht (mehr) geltend machen kann. Im entschiedenen Fall war die Umsatzsteuer formell bestandskräftig festgesetzt worden. In diesem Bescheid hatte das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuererklärung aufgehoben, nachdem eine Außenprüfung stattgefunden hat. Die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts führe dazu, dass eine jederzeitige Abänderung des Bescheides nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO nicht mehr möglich sei. Auch einen Schadensersatzanspruch lehnte das Amtsgericht ab, da das Krankenhaus nicht verpflichtet gewesen sei, von sich aus unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 24.09.2014 Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen, um die formelle Bestandskraft zu vermeiden. Eine solche Verpflichtung habe schon deshalb nicht bestanden, weil den streitgegenständlichen Abrechnungen eine Bruttopreisabrede zugrunde lag, bei der grundsätzlich jede Partei das Risiko der Richtigkeit der zugrunde gelegten Steuer trage. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 16.01.2018 die Auffassung der von uns vertretenen Hochschulklinik bestätigt, dass die Aufnahme eines 2-jährigen Kindes um 7 Uhr in der Augenklinik mit nachfolgender Augenhintergrunduntersuchung (Funduskopie) in Vollnarkose und Entlassung an demselben Tag um 17 Uhr als vollstationäre Krankenhausbehandlung zu qualifizieren ist, so dass das Krankenhaus zu Recht die hierfür einschlägige DRG abgerechnet hat. Die Berufung der Krankenkasse wurde zurückgewiesen. Zwar begründe weder die Durchführung einer Vollnarkose noch eine mehrstündige postoperative Überwachung von vornherein die vollstationäre Behandlung, doch ergebe die anzustellende Gesamtabwägung, dass die Untersuchung des Augenhintergrundes bei bestehendem Verdacht auf ein Retinoblastom bei der im Zeitpunkt der Untersuchung knapp 2-jährigen Versicherten nur unter Inanspruchnahme der besonderen Mittel des Krankenhauses vorgenommen werden konnte.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
In einem Urteil von Oktober 2017 hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Wunsch eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers zur Erhöhung seiner Arbeitszeit auseinanderzusetzen. Der Arbeitnehmer (im konkreten Fall eine Musikschullehrerin) behauptete einen diesbezüglichen Anspruch, nachdem sich der Arbeitgeber dazu entschieden hatte, einen zusätzlichen Arbeitsbedarf über die Erhöhung des Arbeitszeitvolumens schon bestehender Arbeitsplätze zu decken. Darauf hatte sich der Arbeitnehmer unter Berufung auf § 9 TzBfG beworben. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Das BAG verneinte den behaupteten Anspruch. Zur Begründung führte es aus, ein Arbeitsplatz sei durch eine in örtlich-räumlicher und zugleich in funktioneller Hinsicht konkretisierte Beschäftigung definiert. Durch die Entscheidung, einen bestimmten Arbeitskräftebedarf durch die Arbeitszeiterhöhung bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer abzudecken, entstehe kein freier Arbeitsplatz, der eine Berufung auf § 9 TzBfG erlaube. Diese Entscheidung ist auch für Unternehmen im Bereich des Gesundheitswesens bedeutsam, wenn sie – wie beispielsweise im Bereich der Pflege eines Krankenhauses – darüber nachdenken, wie ein zusätzlicher Arbeitsbedarf gedeckt werden soll. Geschieht dies nicht durch die Schaffung zusätzlicher freier Arbeitsplätze, ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl frei, welchen Teilzeitbeschäftigten er eine Verlegung der Arbeitszeit anbietet.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Insbesondere Frühgeborene erhalten häufig eine Therapie mittels einer High-Flow-Nasenbrille (HFNC), über die eine Mischung von Druckluft und Sauerstoff geliefert wird, um eine höhere Sauerstoffkonzentration bei der Einatmung zu erreichen. Umstritten ist, ob diese Form der Therapie auch zu den anrechenbaren Beatmungsstunden zählt. Das LSG Hessen hat nun in einer Entscheidung vom 09.11.2017 (L 1 KR 166/15) bestätigt, dass es sich bei der HFNC-Therapie bei Frühgeborenen und Säuglingen um eine Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinie 1001h handelt, mit der Folge, dass die HFNC-Therapie bei der Berechnung der Beatmungsstunden zu berücksichtigen ist. Es zieht diese Schlussfolgerung zu Recht aus der ausdrücklichen Klassifizierung der Atemunterstützung durch HFNC in die OPS-Klasse 8-711 (maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) statt zur OPS-Klasse 8-720 (Sauerstoffzufuhr bei Neugeborenen). Durch diese klare definitorische Zuordnung der HFNC zu der maschinellen Beatmung und der nach Rechtsprechung des BSG gebotenen Auslegung von Vergütungstatbeständen eng an ihrem Wortlaut ist folglich kein Raum für eine anderweitige Bewertung.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Die BARMER ist mit ihrer Klage vor dem SG Stuttgart auf Umsatzsteuererstattung bei zur ambulanten Versorgung abgegebenen Zytostatika gescheitert, die das Krankenhaus von einer Krankenhausapotheke eines anderen Krankenhauses bezogen hat. Das SG Stuttgart führt im Urteil vom 20.12.2017 aus, sowohl die Entscheidung des EuGH wie auch die des BFH hätten nur Zytostatikazubereitungen betroffen, die in der „eigenen" Krankenhausapotheke hergestellt wurden. Aus dem Rundschreiben des BMF gehe klar hervor, der Bezug von Zytostatikazubereitungen aus Krankenhausapotheken, die in der Trägerschaft eines anderen Krankenhauses stünden, seien nicht erfasst.
Andere Krankenkassen, denen bei fristwahrender Klageerhebung nicht bewusst war, dass das angegangene Krankenhaus keine Krankenhausapotheke betreibt, haben in Parallelangelegenheiten die Klagen zurückgenommen. Nur die BARMER hielt an ihrer Forderung fest. Ob die BARMER gegen das Urteil vom 20.12.2017 in Berufung gehen wird, ist noch offen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Stuttgart hat am 06.02.2018 der Klage eines von uns vertretenen Krankenhauses gegen die BARMER stattgegeben, die meint, wegen vermeintlich zu Unrecht erfolgter Hilfsmittelverordnungen während stationärer Aufenthalte ihrer Versicherten zur Aufrechnung gegen unstreitige Vergütungsforderungen des Krankenhauses berechtigt zu sein. Nach der kurzen Urteilsbegründung des Vorsitzenden sehe man keinen Erstattungsanspruch. Auch ein Schadensersatzanspruch scheide jedenfalls wegen fehlendem Schaden aus. Sobald das schriftlich abgefasste Urteil hier vorliegt, werden wir Sie weiter informieren.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Soweit ersichtlich hat das SG Ulm am 01.02.2018 als erstes Sozialgericht über die Frage entschieden, was unter einer Blutbank im Sinne des bis 2017 geltenden OPS 8-98f zu verstehen ist. Das Gericht folgt unserer Argumentation und sieht die Voraussetzungen nach der kurzen Urteilsbegründung der Vorsitzenden als gegeben an, wenn in zulässigerweise ein Blutdepot im Sinne des TFG betrieben wird. Hierfür bedürfe es nicht eines Facharztes für Transfusionsmedizin. Sobald das schriftlich abgefasste Urteil hier vorliegt, werden wir Ihnen erneut berichten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Mit erfreulicher Deutlichkeit hat das SG Reutlingen mit Urteil vom 08.11.2017 (S 1 KR 2880/16) klargestellt, dass die Verschlüsselung einer Sepsis als Hauptdiagnose entgegen der vielfach vom MDK vertretenen Auffassung kein sepsistypisches Patientenmanagement erfordert. Insbesondere sei keine Versorgung auf der Intensivstation zwingend. Des Weiteren weist das Gericht zutreffend darauf hin, dass nicht zwingend zwei Blutkulturpärchen genommen werden müssten. Dies verlange die Leitlinie nicht. Insbesondere bei richtig-positiver Befundung sei ein weiteres Blutkulturpärchen ohnehin überflüssig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Zu einem Beschluss vom 22.08.2017 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgende (selbsterklärende) Leitsätze veröffentlicht:
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erfasst nicht nur die Vereinbarung von Dienstplänen für bestimmte innerbetriebliche Fallgestaltungen, sondern darüber hinaus auch die Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu einem solchen mitbestimmten Dienstplan.
2. Der Betriebsrat kann aufgrund zu erwartender weiterer Verstöße des Arbeitgebers gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG von diesem im Wege des negatorischen Rechtsschutzes verlangen, einen nicht mitbestimmten Einsatz von Arbeitnehmern zu unterlassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Mit einem Urteil vom 18.07.2017 hatte das BAG über den Fall einer Krankenschwester zu entscheiden, die ihr Arbeitszeitvolumen von Teilzeit auf Vollzeit erhöhen wollte. Die Mitarbeiterin eines Krankenhauses, in welchem die Caritas-AVR Anwendung fanden, war zuletzt im Umfang von 50 % des Beschäftigungsumfangs einer Vollzeitkraft tätig. Im Februar 2015 erklärte sie der Krankenhausträgerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Im darauffolgenden April stellte die Beklagte – sage und schreibe – fünf examinierte Krankenschwestern und Krankenpfleger in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über freie Stellen informiert zu haben. Die Krankenschwester vertrat die Ansicht, sie habe gemäß § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Anspruch auf eine Vollzeitstelle. Dies sah das BAG – aufgrund der besonderen Fallkonstellation – anders. Zwar gebe § 9 TzBfG einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes. Dies gelte aber nur dann, wenn ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Dies war zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) der Fall. Die Krankenhausträgerin hatte die Erfüllung des Anspruchs auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe eines freien Arbeitsplatzes – offensichtlich in Kenntnis des entsprechenden Begehrens der Krankenschwester – unmöglich gemacht. Mit dem Unterlaufen des Aufstockungsverlangens hat sich die Beklagte – so das BAG – unter dem Gesichtspunkt einer verschuldeten Unmöglichkeit aber schadensersatzpflichtig gemacht. Der Schadensersatzanspruch geht allerdings nicht in Gestalt einer Naturalrestitution auf die Schaffung eines entsprechenden (neuen) Arbeitsplatzes, sondern auf Ausgleich der ihr entstandenen Nachteile „in Geld". Diese dürften im Wesentlichen im entgangenen Zusatzverdienst der Krankenschwester bestehen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Am 19.12.2017 hat das BSG zwei Klagen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen auf Vergütung von erbrachten Leistungen zurückgewiesen. Im Verfahren zu Az. B 1 KR 17/17 R ging es um die Frage, ob das Krankenhaus einen Anspruch auf Vergütung bei Coil-Implantation habe, nachdem man mit den Krankenkassen für die Leistung eine NUB-Vereinbarung schloss. Der Vorsitzende führte im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung zusammengefasst aus, die Coil-Implantation genüge nicht dem Qualitätsgebot. Der Abschluss einer NUB-Vereinbarung besage nichts über die Qualität einer Leistung. Die Krankenkassen würden sich auch nicht treuwidrig verhalten, wenn sie eine NUB-Vereinbarung abschließen würden und dann die Vergütung der Leistung im Einzelfall wegen Verstoßes gegen das Qualitätsgebot verweigern würden.
Zur Frage, inwieweit beatmungsfreie Intervalle nach Phasen noninvasiver Beatmung bei der Bestimmung der abrechnungsrelevanten Beatmungsdauer zu berücksichtigen seien, führte der Vorsitzende bei der mündlichen Urteilsbegründung aus, eine Entwöhnung setze stets zunächst eine Gewöhnung voraus. Ob eine Gewöhnung vom Respirator eingetreten sei, müsse erforderlichenfalls von einem Sachverständigen beurteilt werden. Beatmungsfreie Phasen seien als Entwöhnung nur dann zu berücksichtigen, wenn eine gezielte methodische Entwöhnungsbehandlung stattfinde. Zu beidem würden im Urteil des LSG Feststellungen fehlen, weshalb das BSG den Rechtsstreit im Verfahren zu Az. B 1 KR 18/17 R an das Berufungsgericht zurückverwies.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das BSG hat am 19.12.2017 im Verfahren zu Az. B 1 KR 19/17 R entschieden, gesetzliche Krankenkassen hätten ein Recht auf Einsicht in die bei Gericht eingereichten Behandlungsakten. Weder Bestimmungen des SGB V noch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten stünden dem prozessualen Anspruch der Krankenkassen entgegen. Zudem verschärfte der Senat aus unserer Sicht über den Wortlaut des OPS 8-550 hinaus die Anforderungen an die Dokumentation für die frührehabilitative Komplexbehandlung. Nach der mündlichen Urteilsbegründung des Vorsitzenden seien konkrete Beschreibungen der wochenbezogenen Behandlungsergebnisse und eigenständigen Behandlungsziele je Therapiebereich nebst funktions- und personenbezogener Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen erforderlich.
Es bleibt abzuwarten, wie das BSG die nicht vom OPS vorgegebenen Dokumentationsanforderungen schriftlich begründet und erläutert, weshalb unstreitig stattgehabte Leistungen wegen offenbar nicht ausreichend detailscharfer Dokumenta-tion einen teilweisen Vergütungsausschluss rechtfertigen sollen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Duisburg hat mit Urteil vom 10.11.2017 (S 9 KR 736/15) den Rückzahlungsanspruch einer Krankenkasse bzgl. einer nach dem 01.07.2014 in Rechnung gestellten und vorbehaltlos gezahlten Aufwandspauschale abgewiesen. Obwohl es sich um eine sachlich-rechnerische Prüfung handelte, die die Krankenkasse in Auftrag gegeben hatte, entschied das Sozialgericht, dass eine Rückforderung dem Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht, wie er in § 814 BGB zum Ausdruck kommt. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Angesichts der erstmaligen Entscheidung des BSG am 01.07.2014 zum Rechtsinstitut einer sachlich-rechnerischen Prüfung habe die Krankenkasse die Aufwandspauschale in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt, da ihr zu diesem Zeitpunkt die aus dem Jahr 2014 datierende Rechtsprechung des BSG bekannt gewesen sei.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das LSG NRW hat mit Beschluss vom 30.10.2017 die Nichtzulassungsbeschwerde einer Krankenkasse zurückgewiesen. Das LSG NRW bestätigt damit das in NRW geltende Aufrechnungsverbot auch für Rückforderungsansprüche wegen gezahlter Aufwandspauschalen. Mit diesen darf in NRW nicht gegen Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus anderen unstreitigen Behandlungsfällen aufgerechnet werden. Die Krankenkassen müssen ihre Rückforderungsansprüche wegen (vermeintlich) zu Unrecht gezahlter Aufwandspauschalen im Klageweg geltend machen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Am 11.10.2017 hatte das Bundessozialgericht (BSG) über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob es nach § 24 Abs. 7 Satz 2 Ärzte-ZV in der Fassung durch das GKV-VSG vom 16.07.2015 möglich ist, Anstellungsgenehmigungen aus einem bestehenden Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in ein anderes neu zu gründendes MVZ zu verlegen. Der Ausgangsfall stammte vom SG Hamburg. Das Sozialgericht hatte die Rechtsfrage verneint und dazu ausgeführt, die Verlegung genehmigter Arztstellen, wie sie § 24 Abs. 7 Satz 2 Ärzte-ZV in seiner Neufassung vorsieht, gelte nicht, wenn die Verlegung der Neugründung eines zuvor nicht zugelassenen MVZ diene. Dem ist das BSG jetzt gefolgt. Nach Wortlaut, systematischer Stellung und Entstehungsgeschichte lasse die Norm keine Schaffung eines neuen, zusätzlichen Zulassungsstatus zu. Dies gelte auch dann, wenn die Verlegung der Arztstellen bedarfsplanungsneutral erfolge.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Am 11.10.2017 hat das Bundessozialgericht (BSG) über zwei für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) wichtige Rechtsfragen entschieden. Diese betreffen zum einen die Akzessorietät zwischen der Zulassung des MVZ und dem MVZ genehmigten Arztstellen und zum anderen das Recht des Insolvenzverwalters, bei den Zulassungsgremien die Umwandlung von dem MVZ genehmigten Arztstellen in Zulassungen beantragen zu können. Das BSG verneinte das Antragsrecht des Insolvenzverwalters und vertritt die Rechtsauffassung, eine MVZ-Betreibergesellschaft könne einen Umwandlungsantrag nicht mehr stellen, wenn der MVZ-Betrieb bereits ohne Fortführungsabsicht eingestellt sei. Zur Begründung führte das Gericht Folgendes aus:
Im Falle eines MVZs könne ein Antrag auf Umwandlung genehmigter Arztstellen in Zulassungen nach §§ 103 Abs. 4 a, 95 Abs. 9 b SGB V nicht mehr nach dem Ende der Zulassung gestellt werden. Im vorliegenden Fall habe die Zulassung des MVZ aufgrund dessen Auflösung im Sinne § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V mit dem Ablauf des 30.06.2012 sein Ende gefunden. Der Begriff der Auflösung sei nicht gesellschaftsrechtlich, sondern vertragsarztrechtlich zu verstehen. Er erfasse das Ende der tatsächlichen Möglichkeit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Ein MVZ könne an der vertragsärztlichen Versorgung nur durch Ärzte teilnehmen. Seien aber die Arbeitsverhältnisse mit den angestellten Ärzten des MVZ gekündigt und bestehe keine Absicht zur Nachbesetzung der Arztstellen, läge ein Fall der Auflösung vor. Das Gericht nahm insofern auch Bezug auf den Beschluss des BVerfG vom 22.03.2013 zu Aktenzeichen 1 BvR 791/12, in welchem ein Rechtsschutzbedürfnis für die gegen einen vorausgegangenen Zulassungsentzug erhobene Verfassungsbeschwerde unter anderem mit Hinweis auf die zum 30.06.2012 erfolgte Betriebseinstellung verneint wurde. Wünscht eine MVZ-Betreibergesellschaft die Umwandlung von ihr genehmigten Arztstellen in Zulassungen, so habe sie dies den Zulassungsgremien – so das BSG – vor einer Betriebseinstellung mitzuteilen. Bei der davon abweichenden gesetzlichen Regelung des Antragsrechtes der Erben eines verstorbenen Vertragsarztes handele es sich um eine Ausnahmevorschrift (§ 103 Abs. 3 a SGB V), die der Lebenswirklichkeit geschuldet sei. Eine Grundrechtsbetroffenheit der im MVZ angestellten Ärzte verneinte das BSG. Es führte aus, das Verhältnis zwischen Betreibergesellschaft und angestellten Ärzten sei dem Schwerpunkt nach durch das Arbeitsverhältnis geprägt. Das Recht eines Insolvenzverwalters, die Umwandlung genehmigter Arztstellen in Zulassungen beantragen zu können, verneinte das BSG in der mündlichen Verhandlung mit den knappen Hinweis darauf, weder die Zulassung noch das Antragsrecht würden in die Insolvenzmasse fallen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das Sozialgericht Gelsenkirchen, das Sozialgericht Dortmund sowie das Sozialgericht Aachen haben mit am 27.07.2017 (S 11 KR 1004/16), 31.07.2017 (S 40 KR 1088/16) und 22.08.2017 (S 13 KR 175/17) verkündeten Urteilen entschieden, dass die in § 9 PrüfvV (bis 31.12.2016 gültig) bzw. § 10 Satz 2 PrüfvV (seit dem 01.01.2017 gültig) enthaltene Regelung die Krankenkasse dazu verpflichtet, bei einer von ihr vorgenommenen Aufrechnung Leistungs- und Erstattungsanspruch genau zu benennen. Eine Aufrechnung im Rahmen einer Sammelabrechnung bzw. Zahlungsavis, dem sich nicht entnehmen lässt, mit welchen Ansprüchen gegen welche unstreitigen Forderungen des Krankenhauses aufgerechnet werden soll, entspricht nicht den Vorgaben der Prüfverfahrensvereinbarung und führt zur Unzulässigkeit
der Aufrechnung. In Nordrhein-Westfalen greift daher das landesvertraglich nach wie vor bestehende Aufrechnungsverbot, an dem das LSG NRW festhält (LSG NRW, Urteil vom 06.12.2016, L 1 KR 358/15).
Ihr Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt für unseren Stammsitz in Stuttgart eine(n) hervorragend qualifizierte(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt für den Bereich Medizinrecht.
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Anwaltskanzlei Quaas & Partner mbB
z. Hd. Herrn Prof. Dr. Michael Quaas
Möhringer Landstraße 5, 70563 Stuttgart
e-mail: info@quaas-partner.de
Seit dem ICD-10-GM in der Version des Jahres 2015 ist in die Hinweise zum Code N17.- die Definition des akuten Nierenversagens nach der KDIGO-Leitlinie aufgenommen. In der 5. Stelle des Codes ist das Stadium des akuten Nierenversagens anzugeben (Stadium 1 -3). Die Definition der drei Stadien enthält jeweils am Ende folgenden Klammerzusatz: adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt. Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 30.08.2017 klargestellt, dass sich der Klammerzusatz nur auf den Abfall der Diurese unter den angegebenen Werten bezieht, nicht hingegen auf den Serumkreatininwertanstieg. Die gegenteilige Auffassung der Krankenkasse (und des MDK) widerspreche einer Stellungnahme der Deutschen Nephrologischen Fachgesellschaft. Zudem spreche der Wortlaut und die systematische Stellung des Klammerzusatzes gegen die Annahme, eine adäquate Flüssigkeitszufuhr sei auch bei Serumkreatininwertanstieg um angegebene Werte maßgeblich.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Als Teil des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) ist mit Wirkung zum 11.04.2017 eine gesetzliche Neuregelung in § 23 c Abs. 2 SGB IV in Kraft getreten. Die auch als Notärzte-Gesetz bezeichnete Norm stellt die Einnahmen aus Tätigkeiten von Notärzten im Rettungsdienst in der Sozialversicherung beitragsfrei, wenn diese Tätigkeit entweder neben einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt wird. Eine Rückwirkung sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Es erfasst auch keine im Krankenhaus als solche tätigen Honorarärzte. Angestellte Ärzte des Krankenhauses, die auch „Notarzt fahren" können (dagegen) von der Beitragsbefreiung profitieren.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Nach § 95 Abs. 1 a SGB V können nur bestimmte, dort aufgezählte Personen und Einrichtungen medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen. Dazu gehören insbesondere zugelassene Vertragsärzte und zugelassene Krankenhäuser. Nicht dezidiert erwähnt werden im Gesetz schon zugelassene MVZ. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) zeigte sich mit einem Urteil vom November 2016 innovativ. Danach können auch schon bestehende MVZ-Betreibergesellschaften neue MVZ gründen. Das LSG verweist insofern auch auf § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V, wonach die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V auf MVZ entsprechend anzuwenden sind. § 95 SGB V steht im 4. Kapitel. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Ausdehnung des Gründer-Kreises über den Gesetzeswortlaut hinaus hat das LSG die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen. Die Entscheidung über die Revision zu Aktenzeichen B 6 KA 1/17 R darf mit Spannung erwartet werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Wer Inhaber einer Tagespflegeerlaubnis gemäß § 43 SGB VIII ist, darf die Betreuung von Kindern in anderen geeigneten Räumen i. S. v. § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII i. V. m. § 1 Abs. 7 Satz 3 Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) – sog. Großtagespflegestelle mit bis zu neun gleichzeitig anwesenden Kindern – mit abhängig beschäftigten Personen durchführen, die ihrerseits über eine Tagespflegeerlaubnis gemäß § 43 SGB VIII verfügen; dies hat der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 12.07.2017 – 12 S 102/15 – entschieden und damit der Auffassung der beklagten Stadt Stuttgart und des VG Stuttgart im erstinstanzlichen Urteil – 7 K 459/13 –, es sei rechtlich geboten, dass mehrere Tagespflegeperson nur als selbstständig, etwa in einer BGB-Gesellschaft, zusammenwirken dürften, eine Absage erteilt. Eine solche Vorgabe, die in den Schutzbereich des Artikel 12 GG eingreife, könne weder dem SGB VIII, noch anderen bundesrechtlichen Regelungen entnommen werden und ergebe sich auch aus dem Landesrecht nicht. Soweit die von der beklagten Stadt Stuttgart aufgestellte „Rahmenkonzeption", bzw. eine der Tagespflegeerlaubnis beigefügte Nebenbestimmung ein Angestelltenverhältnis ausgeschlossen hätten, sei dies unzulässig. Um den Förderungsauftrag der §§ 22, 23 SGB VIII, sowie den von § 43 SGB VIII intendierten Schutz von Kindern zu gewährleisten, sei die insofern geforderte Organisation in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht erforderlich; ausschlaggebend sei allein die Geeignetheit der Tagespflegeperson i. S. v. § 23 Abs. 3 Satz 1, 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, nicht aber, ob mehrere natürliche Personen im Rahmen eines Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnisses zusammenwirken oder selbstständig tätig seien.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Kostenträger bestreiten im Rahmen von Pflegesatz- und nachfolgenden Schiedsstellenverfahren häufiger die Abrechenbarkeit bestimmter Entgelte, weil Mindestmerkmale eines Operations- und Prozedurenschlüssels (OPS) angeblich nicht vorlägen. Im konkreten Fall konnten die Vertragsparteien in den Entgeltverhandlungen keine Einigung über die Frage erzielen, ob Entgelte für die intensivmedizinischen Komplexbehandlungen im Erlösbudget zu berücksichtigen sind, weil die für die Abrechnung dieses Entgelts zu fordernde ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation umstritten war. Die Schiedsstelle hat die geforderten Fallpauschalen im Erlösbudget berücksichtigt, weil ein evidenter Abrechnungsmangel nicht vorliege. Die von den Krankenkassen gegen die pflegesatzrechtliche Genehmigung des Schiedsspruchs erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat in letzter Instanz ausgeführt, die Schiedsstelle habe das Vorliegen der Abrechnungsvoraussetzungen offen lassen dürfen und die Vertragsparteien auf die Klärung im sozialgerichtlichen Verfahren verweisen können. Solange kein offensichtlicher Abrechnungsmangel vorliege, dürfe die Schiedsstelle die zwischen den Vertragsparteien umstrittenen Krankenhausleis-tungen im Erlösbudget berücksichtigen. Nur in dem Fall, in dem zum Zeitpunkt der Entgeltverhandlungen oder der Entscheidung der Schiedsstelle bereits feststehe, dass das Krankenhaus eine geforderte Krankenhausleistung mit einem bestimmten Entgelt nicht abrechnen dürfe, weil eine dafür erforderliche strukturelle Abrechnungsvoraussetzung nicht erfüllt sei, könne die Fallpauschale im Erlösbudget nicht berücksichtigt werden. Für die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs ist es auch ohne Bedeutung, wenn in einem sozialgerichtlichen Abrechnungsstreit zu einem späteren Zeitpunkt die von den Krankenkassen vertretene Rechtsauffassung bestätigt wird.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Prof. Dr. Michael Quaas wurde von Handelsblatt und dem US-Verlag Best Lawyers im Rahmen des am 23.06.2017 veröffentlichten Ratings „DEUTSCHLANDS BESTE ANWÄLTE 2017" zu einem von Deutschlands besten Anwälten im Rechtsgebiet - Öffentliches Wirtschaftsrecht, Gesundheitswesen - gekürt.
Näheres hierzu ist entweder im Handelsblatt-Spezial „DEUTSCHLANDS BESTE ANWÄLTE 2017" zu finden, oder unter diesem Link auf der Internetseite des Handelsblattes; die komplette Listung aller ausgezeichneten Anwälte steht online hier zur Verfügung.
Verschiedene Sozialgerichte – insbesondere das SG Karlsruhe (wir berichteten) – haben in Verfahren um die Zahlung bzw. Erstattung von Aufwandspauschalen gem. § 275 Abs. 1 c SGB V den Krankenhäusern Recht gegeben. Sie ließen jeweils offen, ob es eine sachlich-rechnerische Überprüfung gibt. Nach den vom BSG vorgegebenen Auslegungsgrundsätzen müsse man im konkreten Einzelfall von einer Auffälligkeitsprüfung ausgehen, die die Aufwandspauschale ausgelöst habe. Gegen die Nichtzulassung der Berufung in den den Krankenhäusern stattgegebenen Urteilen wehrten sich verschiedene Krankenkassen. Das LSG BW hat nunmehr in den letzten Wochen mit mehreren Beschlüssen die Beschwerden der Krankenkassen zurückgewiesen. Insbesondere bestünde keine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG, da die vom BSG vorgegebene Abgrenzung unter Beachtung der höchstrichterlichen Auslegungsregelungen von den Sozialgerichten beachtet worden seien. Die den Krankenhäusern stattgebenden Urteile sind damit rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Im Bundesanzeiger AT vom 08.06.2017 ist nunmehr eine Änderung der TA Lärm verkündet worden, in der lediglich die erhöhten Immissionsrichtwerte für die urbanen Gebiete (tags 63 dB(A), nachts 45 dB(A)) aufgenommen wurden. Gleiches gilt für die 18. BImSchV, deren Änderung am 01.06.2017 im BGBl. I S. 1486 verkündet wurde. Die Änderungen der TA Lärm treten 09.06.2017, die Änderung der Sportanlagen-Lärmschutzverordnung drei Monate nach Verkündung in Kraft. Darauf ist bei der Abwägung von Bebauungsplänen zu achten. Die erhoffte „große Reform" der TA Lärm steht noch aus.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Nach einem noch nicht veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erfordert die Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung eine Prognose zu den geplanten Weiterbildungsinhalten und Zielen. Nach der Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 14.06.2017 (Aktenzeichen 7 AZR 597/15) liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages im Sinne von § 1 Abs. 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) nur dann vor, wenn die Beschäftigung des Arztes der zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt dient. Voraussetzung dafür ist, dass die beabsichtigte Weiterbildung die Beschäftigung des Arztes prägt. Es ist deswegen gemäß den allgemeinen befristungsrechtlichen Grundsätzen eine entsprechende Planung und Prognose durch den Arbeitgeber erforderlich. Diese hat er anhand konkreter Tatsachen darzulegen. Eines detaillierten Weiterbildungsplanes oder der Aufnahme eines solchen Planes in den Arbeitsvertrag bedarf es indes nicht.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das SG Karlsruhe sprach mit Urteil vom 28.03.2017 dem klagenden Krankenhaus die geltend gemachte Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € zu. Es wies den Einwand der Krankenkasse zurück, der Anspruch bestehe nicht, da die Daten gem. § 301 SGB V unvollständig gewesen seien. Wenn die Krankenkasse den SMD (MDK) mit der Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung beauftrage, zeige dies, dass die Krankenkasse von vollständigen Daten ausgegangen sei. Wären die Daten tatsächlich unvollständig gewesen, wofür es keine Anhaltspunkte gegeben habe, hätte die Krankenkasse die Daten nachfordern können, bevor sie den SMD beauftrage. Folglich liege auch der weitere Einwand neben der Sache, die SMD habe keine Abrechnungsprüfung vorgenommen, weil die Rechnung wegen unvollständiger Daten nicht fällig gewesen sei. Die gegen die Entscheidung gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wies das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14.06.2017 zurück.
Die beiden sehr erfreulichen Entscheidungen unterstreichen, dass sich eine Krankenkasse nicht schlicht der Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale bei Fehlbelegsprüfung durch den MDK entziehen kann, indem sie behauptet, die nach § 301 SGB V übermittelten Daten seien nicht vollständig gewesen. Wären die Daten nicht vollständig gewesen, so wäre es an der Krankenkasse gewesen, diese nachzufordern, um dann zu entscheiden, ob eine Überprüfung durch den MDK notwendig ist.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Trier hat mit Urteil vom 09.05.2017 (S 3 KR 123/16) entschieden, dass es mit Einfügung des Satzes 4 in § 275 Abs. 1 c SGB V zum 1.1.2016 für das Entstehen des Anspruchs auf Aufwandspauschale nicht mehr darauf ankommt, ob die Angaben des Krankenhauses möglicherweise fehlerhaft oder unvollständig waren, sofern es sich nicht um missbräuchlich fehlerhafte Abrechnungen handelt oder das Krankenhaus im Vorfeld einer MDK-Prüfung jegliche Aufklärungsversuche der Krankenkasse abblockt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Krankenkasse die Zahlung der Aufwandspauschale unter anderem mit der Begründung abgelehnt, die Auffälligkeitsprüfung sei wegen der fehlenden Verschlüsselung der Pflegestufe nach OPS 0-984.0 und damit durch eine unvollständige Datenübermittlung veranlasst worden. Das SG Trier wies diese Ansicht zurück und stellte fest, dass mit der Rechtsänderung des § 275 Abs. 1 c Satz 4 SGB V die Regelung zur Aufwandspauschale auch auf die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu beziehen sei. Soweit das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auf dem Gedanken des Fehlverhaltens des Krankenhauses aufgebaut und in diesen Fällen den Anspruch auf die Aufwandspauschale verneint hat, sei dieser Überlegung somit die Grundlage entzogen. Es werde vielmehr das bereits mit der Einführung der Aufwandspauschale verfolgte gesetzgeberische Ziel einer vereinfachten, unbürokratischen Regelung, die deshalb keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall entfalten kann, unterstützt. Streitigkeiten, in denen im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung der Aufwandspauschale nun bürokratieverursachend mittelbare Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung geführt werden, seien gerade nicht gewollt (so auch bereits BSG, Urteil vom 22.06.2010, B 1 KR 1/10 R).
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln, die im Frühjahr diesen Jahres erhoben wurde, stellt ein privater Krankenhausträger die Kompetenzen des InEK bei der Auswahl von Kalkulationskrankenhäusern für die Entgelte nach dem KHEntgG in Frage. Der Krankenhausträger wurde im Losverfahren im Oktober letzten Jahres für die Kalkulation der Krankenhausentgelte 2017 bis 2022 ausgewählt. Das InEK verpflichtete ihn, an der Kalkulation durch umfangreiche Datenlieferung mitzuwirken. Den entsprechenden Bescheid hat der Krankenhausträger vor dem Verwaltungsgericht Köln angefochten. Im Rechtsstreit stellt sich die Frage, ob das InEK als sog. DRG-Institut für die Selbstverwaltung hinreichend beauftragt ist, als Beliehener gegenüber den ausgewählten Krankenhäusern tätig zu werden.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas
Mit Beschluss vom 16. Mai 2017 – II ZB 7/16 – (bislang liegt nur die Pressemitteilung vor) hat der BGH einem mehrere Kindertagesstätten betreibenden Verein, der sich gegen seine Amtslöschung im Vereinsregister gewehrt hatte, Recht gegeben. Der Verein hat 11 Mitglieder und betreibt neun Kindertagesstätten mit einer Größe von jeweils 16 bis 32 Kindern. Er ist mit Bescheid des Finanzamts von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO dient.
Der BGH führt aus, die Voraussetzungen für die Löschung des Vereins im Vereinsregister lägen entgegen der Auffassung des AG Charlottenburg nicht vor. Voraussetzung einer Löschung sei, dass der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Das sei bei dem Verein trotz des Betriebs mehrerer Kindertagesstätten nicht der Fall. Zwar handele es sich bei dem Betrieb der Kindertagesstätten um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Geschäftsbetrieb sei aber dem ideellen Hauptzweck des Vereins zugeordnet und falle deshalb unter das sogenannte Nebenzweckprivileg. Dabei komme der Anerkennung eines Vereins als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts (§§ 51 ff. AO) entscheidende Bedeutung zu. Diese Anerkennung indiziere, dass ein Verein nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als Hauptzweck ausgerichtet sei. Die Gesetzesmaterialien zeigten, dass der Gesetzgeber den gemeinnützigen Verein als einen Regelfall eines Idealvereins angesehen habe. Der als gemeinnützig anerkannte Verein ziele im Gegensatz zu den Gesellschaften (AG, GmbH etc.) nicht auf einen Geschäftsgewinn und den wirtschaftlichen Vorteil des Einzelnen. Der Umfang der vom Verein betriebenen Kindertagesstätten stehe dem Nebenzweckprivileg nicht entgegen, da ihm keine Aussagekraft zukomme, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einem ideellen Zweck zu- bzw. untergeordnet sei. Da ein Verein nach dem Willen des historischen Gesetzgebers berechtigt sein sollte, die erforderlichen Mittel zur Verwirklichung des Vereinszwecks zu erwirtschaften, könne ihm nicht verwehrt werden, seinen ideellen Zweck unmittelbar mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten zu verwirklichen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Im Streit um die Erstattungsforderungen der Krankenkassen, die durchgeführte Auffälligkeitsprüfungen nachträglich unter das vom BSG implementierte Regime der „sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung" subsummieren und bereits vorbehaltlos gezahlte Aufwandspauschalen zurückfordern, weist das Sozialgericht Aachen in mehreren Entscheidungen (u.a. mit Urteil vom 14.03.2017, S 13 KR 487/16) zu Recht darauf hin, dass eine Änderung der Rechtsprechung keinen in die Vergangenheit zurückweisenden öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch begründen kann. Indem eine Krankenkasse den MDK mit einer Prüfung der Krankenhausabrechnung nach § 275 Abs. 1 SGB V beauftragt, der MDK den Prüfauftrag im Hinblick auf seine Benachrichtigungspflicht gemäß § 275 Abs. 1c SGB V angezeigt und die Krankenkasse infolge des Prüfergebnisses, das zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hatte, die Aufwandspauschale gezahlt hat, sei bei dem Krankenhaus ein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit und das Behaltendürfen der Aufwandspauschale geschaffen worden. Würde die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 01.07.2014, 14.10.2014, 23.06.2015 und insbesondere 25.10.2016, wonach bei Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung keine Aufwandspauschale anfällt, auch auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Abrechnungsfälle angewandt, um daraus einen Erstattungsanspruch zu begründen, läge darin ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz). Dieses Verfahren befindet sich mittlerweile in der Berufungsinstanz vor dem LSG NRW. Das vom BSG entwickelte „sachlich-rechnerische Prüfregime" in Gestalt der Entscheidungen vom 25.10.2016 (B 1 KR 18/18 R u.a.) ist Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (1 BvR 318/17).
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz
Das Sozialgericht Duisburg hat am 27.04.2017 zu Gunsten eines von uns vertretenen Krankenhausträgers entschieden, dass Rechnungskorrekturen mit einem gegenüber der Erstrechnung erhöhten Rechnungsbetrag auf Grundlage eines MDK-Gutachtens, das im Rahmen der Prüfverfahrensvereinbarung seitens der Krankenkasse eingeholt worden war, nicht ausgeschlossen sind. Das Sozialgericht Duisburg verwies im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG darauf, dass grundsätzlich Nachforderungen bis zum Ablauf des auf die Erstrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig sind. Die Prüfverfahrensvereinbarung schließt Korrekturen schon nach dem Wortlaut nicht aus. Ein solches Ergebnis stünde auch nicht im Einklang mit Sinn und Zweck der Prüfverfahrensvereinbarung, die kein einseitiges Prüfrecht erlaube, sondern Ausdruck von Waffengleichheit und Vertragsparität sei, was denknotwendig voraussetzt, dass Prüfungsergebnisse für beide Seiten verwertbar sind.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Mit Beschluss vom 28.03.2017 wies das BSG die Beschwerde einer Krankenkasse gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.06.2016 zu Az. L 5 KR 3594/14 zurück. Das BSG bestätigt, dass Krankenhäuser bei ambulanten Operationen die jeweilige Grundpauschale für das Operationsgebiet gem. EBM grundsätzlich abrechnen dürfen. Erforderlich ist lediglich ein Arzt-Patienten-Kontakt am OP-Tag. Hierfür genügt eine Interaktion zwischen Operateur und Patient. Entgegen der Auffassung der Krankenkasse schließt weder die Präambel zum Abschnitt 31.2 EBM noch der AOP-Vertrag selbst die Abrechenbarkeit der Grundpauschale aus. Bei fachgruppengleichen Überweisungen wird die Grundpauschale jedoch durch die Konsultationspauschale verdrängt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Entgegen der regelmäßig von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) vertretenen Auffassung kann es nach Ansicht des SG Heilbronn sehr wohl in stationären Pflegeeinrichtungen selbstständige Pflege(honorar)kräfte geben. Das Gericht stellt mit Urteil vom 23.03.2017 fest, ein Altenpfleger, der ausschließlich „Nachteinsätze" in begrenztem Umfang in einer stationären Pflegeeinrichtung übernehme und die Betriebsmittel selbst mitbringe, sei sozialversicherungsrechtlich nicht als abhängig Beschäftigter zu qualifizieren.
Wie das Urteil des SG Heilbronn zeigt, lohnt es sich stets, die häufig oberflächlichen Feststellungen der DRV zur vermeintlich abhängigen Beschäftigung von Honorarkräften genau überprüfen zu lassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Wir berichteten Ihnen bereits über eine Entscheidung des SG Karlsruhe vom 15.11.2016, wonach die Träger von Krankenhausapotheken anlässlich der Abgabe von Zytostatikazubereitungen zur ambulanten Versorgung nicht verpflichtet sind, gesetzlichen Krankenkassen entrichtete Umsatzsteuer zu erstatten. Mit Urteil vom 21.03.2017 stellt das SG Heilbronn fest, es bestehe (auch) keine Verpflichtung zur Umsatzsteuererstattung bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch Krankenhausapotheken zur ambulanten Behandlung (hier: PIA). Die Krankenkasse habe ihre Forderung nicht schlüssig dargelegt; es fehle – unterstellt, man könne die Rechtsprechung des BFH zu Zytostatika dem Grunde nach übertragen – an einer Darlegung, weshalb die im einzelnen verordneten Fertigarzneimittel mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbunden seien. Ferner bestimme der Vertrag nach § 129 a SGB V zwischen den Parteien, Umsatzsteuer sei fiktiv aufzuschlagen, sollte Umsatzsteuerfreiheit bestehen. Schließlich meinte die Kammer im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung, die Krankenkasse könne ohnehin nur Abtretung des Anspruchs gegen die Finanzverwaltung verlangen, nicht jedoch Zahlung eines Betrages, der dem Träger der Krankenhausapotheke von der Finanzverwaltung jedenfalls bislang nicht zurückgezahlt worden sei.
Die Entscheidung ist bisher nicht rechtskräftig. Über den Fortgang des Verfahrens werden wir Ihnen berichten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) kann nach ihrer Satzung einen zugelassenen Vertragsarzt vorläufig bis zu einer Entscheidung des Berufungsausschusses von der vertragsärztlichen Versorgung suspendieren. Das LSG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 23.02.2017 festgestellt, dass die Satzungsbestimmung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Für vorläufige Maßnahmen, insbesondere für die Zulassungsentziehung nebst Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei der Zulassungsausschuss zuständig. Mit einer Suspendierung über die Entscheidung des Zulassungsausschusses hinaus bis zu einer Entscheidung des Berufungsausschusses überschreite die KVBW mit ihrer Satzung ihre Zuständigkeit. Das LSG ließ offen, ob Suspendierungen nicht ohnehin zeitlich befristet werden müssten.
Die KVBW wird nunmehr gezwungen sein, ihre Satzung entsprechend den Vorgaben des LSG anzupassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 01.02.2017 entschieden, alleine aufgrund der Auswahl durch den Zulassungsausschuss entstehe kein Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, wenn der Praxisabgeber vor Bestandskraft der Auswahlentscheidung den Ausschreibungsantrag zurücknehme. Der Ausgewählte habe mit der Auswahlentscheidung noch keine schützenswerte Position erlangt, die einen Anspruch auf Zulassung begründen würde. Vielmehr stünde es dem Abgeber frei, den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens jedenfalls bis zur Bestandskraft der Auswahlentscheidung zurückzunehmen, was zur Konsequenz habe, dass er weiter tätig werden müsse. Im Übrigen stünde der begehrten Zulassung der fehlende Verzicht des Praxisabgebers entgegen. Denn dieser habe lediglich erklärt, spätestens vor der Zulassung eines Nachfolgers auf seine vertragsärztliche Zulassung zu verzichten. Nach Antragsrücknahme sei es nie zu einem Zulassungsverzicht gekommen. Die später vom Praxisabgeber abgegebene Erklärung, auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung in einer Gemeinschaftspraxis zu verzichten, sei kein Verzicht im Nachbesetzungsverfahren und könne auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.
Die komplexe Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zeigt, welche Handlungsoptionen ein Praxiabgeber hat, wenn der von ihm gewünschte Praxisnachfolger nicht vom Zulassungsausschuss ausgewählt wird und wie sodann mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des BSG (B 6 KA 21/15 R) reagiert werden kann.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 09.02.2017 entschieden, dass eine kardiorespiratorische Insuffizienz, die einen Mehraufwand (Sauerstoffgabe) zur Folge hat, richtigerweise als Nebendiagnose mit R09.2 zu kodieren ist anstelle der von der Krankenkasse und dem SMD vorgeschlagenen ICD-Code J.96 (Respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert). Zur Begründung verwies das Sozialgericht darauf, dass in der maßgeblichen Fassung 2014 die kardiorespiratorische Insuffizienz als Exklusivum unter J96.- (Respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert) benannt ist und daher nach den Kodiervorgaben mit dem in Klammern angegebenen Code kodiert werden muss. Die ab dem Jahr 2016 vorgenommene Änderung sei nicht als Klarstellung zu verstehen. Die Krankenkasse hatte die Kodierung mit dem ICD-10-Code R09.2 mit der Begründung abgelehnt, darunter sei nur ein Atemstillstand bzw. ein Herz-Lungen-Versagen zu fassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Am 20.08.2015 berichteten wir Ihnen über eine Entscheidung vom SG Ulm vom 06.08.2015. Das Gericht stellte fest, während der Zeit des Übergangs von der maschinellen Beatmung zur Spontanatmung (Entwöhnungsphase) würden auch beatmungsfreie Intervalle zur Gesamtbeatmungszeit im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) zählen. In einem Parallelverfahren legte die beklagte Krankenkasse Berufung zum LSG Baden-Württemberg ein. Dieses wies mit Urteil vom 15.11.2016 zu Az. L 11 KR 4054/15 die Berufung zurück. Aus den Regelungen in den DKR zu „Berechnung und Dauer der Beatmung" lasse sich nicht ableiten, dass eine Entwöhnung mindestens eine vorhergehende 24-stündige Beatmung erfordere. Die betroffene Krankenkasse hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Duisburg hat in einem Urteil vom 16.11.2016 die Durchführung einer simultan durchgeführten beidseitigen Oberlidblepharoplastik unter stationären Bedingungen als medizinisch gerechtfertigt angesehen und die Krankenkasse zur Zahlung der stationären Behandlungskosten verurteilt. Zur Begründung verwies das Sozialgericht darauf, dass die beidseitige Blepharoplastik der Oberlider nicht im Katalog ambulant durchführbarer Operationen gem. § 115 b SGB V aufgelistet sei. Dort sei lediglich der einseitige Eingriff mit dem Zeichen „<->" gekennzeichnet, was bedeute, dass beidseitige Eingriffe zu diesem Kode nur dann von Krankenhäusern nach § 115 b SGB V erbracht werden, wenn diese Leistungen in der Vergangenheit bereits üblicherweise ambulant erbracht und abgerechnet wurden. Da jedoch der aktuelle AOP-Katalog trotz zwischenzeitlicher mehrerer Änderungen die beidseitige Blepharoplastik des Oberlides noch immer nicht als regelhaft ambulant erbringbare Leistung listet, handele es sich nicht um eine ambulant durchführbare Operation. Angesichts der beidseitigen Operation habe nicht nur ein zweifaches Risiko eines einseitigen Visusverlustes, sondern auch das – wenn auch geringe – Risiko einer vollständigen Erblindung bestanden. Angesichts dieser – wenn auch statistisch unwahrscheinlichen – möglichen dramatischen Folgen des Verlustes der Eigenständigkeit und der sozialen Teilnahmemöglichkeiten der Patienten wäre der Verzicht auf eine längere Beobachtungsphase im stationären Setting allein aus fiskalischen Gründen nicht sachgerecht gewesen. Der darüber hinaus angelegte beidseitige Rollbindenverband habe eine Überprüfung und Kontrollen der Augen durch Dritte – etwa durch einen ambulanten Pflegedienst – deutlich erschwert.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Das SG Karlsruhe hatte am 18.01.2017 über zwei Fälle zu entscheiden, in denen jeweils die Bedeutung der Prüfanzeige gem. § 4 PrüfVV umstritten war. In einem Fall konnte die Krankenkasse nicht nachweisen, dass ihre Prüfanzeige beim Krankenhaus einging. Im anderen Fall berief sich die Krankenkasse darauf, es genüge, wenn der MDK seine Beauftragung anzeige. Das Gericht stellt fest, dass nach dem Wortlaut der bis zum 31.12.2016 gültigen PrüfVV eine Anzeige durch die Krankenkasse erforderlich ist; eine Delegation an den MDK erlaubt die PrüfVV nicht. Kann die Krankenkasse den Zugang ihres Schreibens nicht nachweisen, geht dies zu ihren Lasten. In beiden Fällen waren die Krankenkassen daher nicht berechtigt, gegen unstreitige Forderungen des Krankenhauses aus anderen Behandlungsfällen aufzurechnen, weil das Krankenhaus dem MDK nicht die angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt hat.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der 5. Senat des LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 14.12.2016 klargestellt, dass er der Rechtsprechung des 4. Senats folge, wonach gesetzliche Krankenkassen in einem sozialgerichtlichen Rechtsstreit über Krankenhausvergütung keinen eigenen Anspruch auf Einsicht in die vom Krankenhaus bei Gericht eingereichten Behandlungsunterlagen hätten. Den Krankenkassen würde es freistehen, eine Schweigepflichtentbindungserklärung bei den Versicherten anzufordern, um Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu erhalten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der VGH Baden-Württemberg hat mit am 14.12.2016 bekannt gegebenem Urteil vom 08.12.2016 (12 S 1782/15) entschieden, dass die Stadt Stuttgart einem 4-jährigen Kind die Mehrkosten für einen von seinen Eltern selbstbeschafften Betreuungsplatz erstatten muss, da sie ihm 2013 und 2014 keinen Platz in einer städtischen Tageseinrichtung zur Verfügung stellen konnte. Die Eltern hatten ihn 2013 bis 2014 in einer privaten Kinderkrippe untergebracht und machten die im Zeitraum August 2013 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechts-anspruchs auf einen Kitaplatz) bis November 2014 entstandenen Mehrkosten gegenüber einem Platz in einer komunalen Einrichtung beim VG Stuttgart geltend. Dieses verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 5.620 € zuzüglich Zinsen und stellte zudem fest, dass die Stadt verpflichtet sei, dem Kläger bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auch die weiteren Kosten für seine Unterbringung in seiner privaten Kinderkrippe in Stuttgart zu erstatten, soweit diese die Kosten überschreiten, die bei einer Unterbringung in einer städtischen Tageseinrichtung entstehen würden, solange dem Kläger kein zumutbarer Platz in einer städtischen Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege durch die Beklagte bereitgestellt werde (vgl. Newsletter der Anwaltskanzlei Quaas & Partner II/2014). Der VGH hat die Entscheidung bestätigt: Das bloße „Versorgtsein" mit einem Betreuungsplatz in einer privaten Kindertagesstätte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII entbinde die Träger der Jugendhilfe nicht davon, die zu betreuenden Unter-Dreijährigen in den Kreis der Anspruchsberechtigten einzubeziehen. Auch der Umstand, dass die Landeshauptstadt öffentliche Mittel für den Betrieb privat-gewerblicher Tageseinrichtungen zur Verfügung stellt und so mittelbar dazu beiträgt, dass solche Betreuungsplätze neben jenen in städtischen Kindertagesstätten zur Verfügung stehen, führe für sich genommen nicht zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung. Die Revision wurde nicht zugelassen. An Baden-Württemberger VGs sind zahlreiche weitere, auch von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner geführte, ähnlich gelagerte Klagen anhängig, die den Ausgang des nun entschiedenen Musterverfahrens abgewartet haben.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Mit Beschluss vom 12.10.2016 befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Sicherstellungszuschlag nach § 5 Abs. 2 KHEntgG in der Fassung des Gesetzes, die bis Ende des Kalenderjahrs 2015 galt. Nach Auffassung des Gerichts erstreckt sich die Entscheidungsbefugnis der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG auf alle Tatbestandsmerkmale der Norm, einschließlich der Prüfung, ob die Kostenunterdeckung auf einen geringen Versorgungsbedarf zurückzuführen ist. Ausgenommen von der Entscheidungszuständigkeit der Landesbehörde sei lediglich die Höhe des Zuschlags. Voraussetzung für die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags sei auch, dass die das Defizit verursachenden geringen Fallzahlen in der Versorgungsstruktur des Einzugsgebiets (z.B. ländliches Gebiet) oder der Leistungsart (unregelmäßig oder selten auftretende Behandlungsfälle) begründet seien. Ob ein vorhandenes Marktpotenzial die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags ausschließe, sei stets eine Frage des Einzelfalls. Der gerichtlichen Entscheidung kommt auch bei Auslegung des § 5 Abs. 2 KHEntgG in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung maßgebliche Bedeutung zu.
Zwischenzeitlich liegt der Beschluss des G-BA über die bundeseinheitlichen Vorgaben für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen vor, die ab dem Entgeltzeitraum 2017 anzuwenden sind. Über diesen Beschluss werden wir gesondert informieren.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Mit Urteil vom 15.11.2016 hat das Sozialgericht Karlsruhe die Klage einer Krankenkasse auf Erstattung entrichteter Umsatzsteuer anlässlich der Abgabe von Zytostatikazubereitungen durch eine Krankenhausapotheke zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus abgewiesen. Auf Grundlage der für Baden-Württemberg ausgehandelten Verträge nach § 129 a SGB V – mit der Besonderheit eines fiktiven Umsatzsteueraufschlags bei festgestellter Umsatzsteuerfreiheit – bestehe unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens vom 28.09.2016 weder ein Erstattungs- noch ein Schadensersatzanspruch. Eine genaue Begründung behielt sich das Gericht für die schriftlichen Urteilsgründe vor, die bislang noch nicht vorliegen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das LSG Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 31.08.2016, dass es sich bei einer Untersuchung auf der Intensivstation, in deren Rahmen nur untergeordnet therapiert wird, nicht zwangsläufig um eine stationäre Krankenhausbehandlung handelt. Ergebe die Erstuntersuchung auf der Intensivstation die Notwendigkeit zur Verlegung in ein anderes Krankenhaus, verbleibe dem Krankenhaus nur die Möglichkeit, die Leistung als Erstuntersuchung im Sinne des Landesvertrages abzurechnen. Hierfür sei die Pauschale „Intensivmedizin" für vorstationäre Krankenhausbehandlung anzusetzen. Das LSG ließ die Revision zum BSG zu, da es eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit des Begriffs „Erstuntersuchung" sehe. Sollte die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vor dem BSG Bestand haben, wird man nicht weiter an der Aussage festhalten können, dass jegliche Versorgung auf einer Intensivstation stets stationäre Krankenhausbehandlung ist, gleich welche Leistungen erbracht werden und wie lange die Versorgung dauert.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Nach einem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen aus Sommer 2016 verliert ein Vertragsarzt, dem der Laborarzt für seine Überweisung eine Gegenleistung versprochen hat, seinen Anspruch auf die KV-Vergütung. Regelfall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung von Honorarbescheiden ist im Allgemeinen die Rechtswidrigkeit der Abrechnung. Honorarabrechnungen sind jedoch nicht nur im Fall rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler rechtswidrig, sondern auch dann, wenn der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale und inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet. Beispielsweise zu erwähnen sind deshalb das Fehlen einer erforderlichen Qualifikation oder die Tätigkeit nicht genehmigter Assistenten. In diesem Kontext sollen nun auch Leistungen zu berichtigen sein, die der Vertragsarzt in Ausnutzung einer unerlaubten Zuweisung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial erbracht hat. Nach der insoweit einschlägigen Berufsordnung der Ärztekammern Niedersachsen ist es dem Arzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Im entschiedenen Fall hatte ein Arzt für Mikrobiologie mit einer Urologin vereinbart, dass er ihr für jeden an ihn ausgestellten Überweisungsauftrag zu Laboruntersuchungen einen gewissen Betrag zahlt. Dies stellt einen Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung dar. Die zuständige KV hob die Honorarbescheide auf und setzte das Honorar mit 2/3 des ursprünglichen Betrages neu fest. Nach Auffassung des LSG war die KV dabei noch „großzügig", weil im Ergebnis alle von der Urologin veranlassten Laborleistungen im Widerspruch zum vertragsärztlichen Vergütungssystem standen und deshalb sämtlich hätten berichtigt werden können. Die Revision zum BSG wurde ausdrücklich zugelassen.
Ihr Ansprechpartner. Dr. Jens-M. Kuhlmann
Berufstätige Eltern können von Kommunen, die ihren Kindern keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen können, nach drei aktuellen Urteilen des BGH vom 20.10.2016, Az. III ZR 278/15, 302/15 und 303/15 grundsätzlich Schadensersatz verlangen, etwa für den Verdienstausfall, den sie dadurch erleiden, dass sie wegen der fehlenden Kita-Plätze länger als geplant zu Hause bleiben müssen. Das OLG Dresden hatte den drei Leipziger Eltern vom LG Leipzig zugesprochenen Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG abgelehnt, da die Eltern nicht geschützte Dritte der Amtspflicht aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, Kindern ab Vollendeung des ersten Lebensjahres einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen, seien. Zudem sei der Verdienstaufallsschaden nicht vom Schutzzweck dieser Norm umfasst. Das sah der BGH nun beides anders. Zwar stehe der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind selbst zu und nicht auch seinen Eltern. Die Einbeziehung der Eltern und ihres Erwerbsinteresses in den Schutzbereich der Amtspflicht ergebe sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck und der systematischen Stellung von § 24 Abs. 2 SGB VIII. Die Gerichte der Vorinstanzen hatten allerdings nicht geklärt, ob die beklagte Stadt Leipzig auch schuld an den Verzögerungen war. Unverschuldet wären nach Ansicht des BGH etwa der Mangel an qualifiziertem Personal oder Verspätungen durch die Insolvenz einer Baufirma - nicht aber finanzielle Engpässe. Da das OLG Dresden insofern noch Feststellungen treffen muss, hat der BGH die Verfahren dorthin zurückverwiesen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
In einem erst dem Terminbericht von Ende September 2016 nach bekannten Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, eine MVZ-Gesellschaft habe keinen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, wenn dieser die Stelle eines zuvor im MVZ tätigen Chirurgen nachbesetzen soll. Das „schlagende" Argument des BSG ist die Zugehörigkeit von Chirurgen und Orthopäden zu bedarfsplanungsrechtlich unterschiedlichen Arztgruppen. Dagegen konnte sich der MVZ-Träger auch nicht mit seiner Argumentation durchsetzen, der Chirurg habe im MVZ zu einem erheblichen Anteil unfallchirurgische Leistungen erbracht. Entscheidend ist nicht das konkrete Tätigkeitsspektrum des zuvor im MVZ beschäftigten Arztes. Maßgeblich ist die Zuordnung von Vorgänger und Nachfolger zu Arztgruppen und Fachgebieten im Sinne des Weiterbildungs- und Bedarfsplanungsrechts. Diese Grenzen können durch die individuelle ärztliche Behandlungsausrichtung nicht verschoben werden. Eine Besonderheit gilt hier (jedoch) im Bereich der Unfallchirurgie. Über diese kann sich ein „Brückenschlag" der Orthopäden und Unfallchirurgen in die Chirurgie eröffnen. § 16 Satz 1 der Bedarfsplanungsrichtlinie, welcher im Verfahren der Nachbesetzung von im MVZ angestellten Ärzten analog anzuwenden ist, fordert nach dem BSG dafür indes einen „Chirurgen mit Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie". Im entschiedenen Fall verfügte der bislang im MVZ tätige Chirurg über diese Schwerpunktbezeichnung nicht. Damit ergab sich für den zur Nachbesetzung vorgesehenen Orthopäden und Unfallchirurgen kein Anknüpfungspunkt an seinen „chirurgischen Kollegen". Die Revision des MVZ-Trägers wurde deswegen zurückgewiesen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Mit Urteil vom 15.06.2016 – 5 S 1375/14 – hat der VGH Baden-Württemberg begonnen, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben, wonach es keine ordnungsgemäße öffentliche Auslegung darstellt, wenn der Bürger erst nach ausgelegten Planunterlagen fragen muss. Vielmehr könne es einem „mündigen" Bürger zuzumuten sein, sich bei auskunftsbereiten Bediensteten der Gemeinde nach den ausgelegten Planunterlagen zu erkundigen. Die Entscheidung erging allerdings zu einem Fall, bei dem der Entwurf des zeichnerischen Teil an einer Stellwand ausgehängt, der Entwurf des Textteils, der Planbegründung und der örtlichen Bauvorschriften sowie das artenschutzrechtliche Gutachten in einem Aktenordner auf einem Tisch vor der Stellwand ausgelegt waren. Bei der konkreten Einsichtnahme war der Ordner möglicherweise aufgrund gerade erfolgender Einsicht durch einen anderen Bürger oder aus sonstigen Gründen nicht zugänglich. (Nur) in dieser Situation sei es den mündigen Bürger zumutbar, nach diesem Teil des Bebauungsplanentwurfs nachzufragen. Damit scheint eine Wende der Rechtsprechung eingeläutet. Vorsichtshalber sollten Gemeinden weiterhin alle Unterlagen zu jedermanns Verfügung auslegen. Geeignet kann auch ein „Anketten" der Unterlagen sein.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Krankenhäuser sind durch ihre Schlussrechnungen nicht an den dort berechneten Betrag gebunden. Das BSG hat nunmehr erneut bestätigt, dass Rechnungskorrekturen grundsätzlich zulässig sind. Allerdings sind diese nach Ansicht des BSG unter dem Vorbehalt des Rechtsgedankens des § 242 BGB nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung auch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist nicht uneingeschränkt möglich. Die entsprechende bisherige Rechtsprechung des 3. Senat des BSG, wonach die Zulässigkeit von Nachforderungen bislang an bestimmte Bagatellgrenzen und Prozentsätze des Ausgangsrechnungswertes sowie des Gesamtrechnungsvolumens geknüpft war, gibt der nunmehr allein zuständige 1. Senat des BSG ausdrücklich auf. Mit Urteil vom 5.7.2016 (Az.: B 1 KR 40/15 R) entschied das BSG, dass Krankenhäuser grundsätzlich nur bis zum Ablauf des auf die Rechnungsstellung nachfolgenden Haushaltsjahres der Krankenkassen berechtigt sind, ihre Schlussrechnungen zu korrigieren. Da das Haushaltsjahr der Krankenkassen gemäß § 67 Abs. 1 SGB IV das Kalenderjahr ist, wäre somit beispielsweise die Korrektur einer im März 2015 erstellten Schlussrechnung bis zum 31.12.2016 möglich. Nur in – sehr seltenen - Ausnahmefällen einer offensichtlich unschlüssigen Rechnung mit einem eindeutigen Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses, z.B. bei deutlichen Rechnungsfehlern, geht das BSG davon aus, dass eine Rechnungskorrektur auch noch nach Ablauf des folgenden Kalenderjahres zulässig sein kann.
Ihre Ansprechpartner: Kristina Schwarz, Dr. Heike Thomae, Dr. Till Flachsbarth
Das SG Ulm gab mit Urteil vom 01.09.2016 einem vom uns vertretenen Krankenhaus Recht, das sich gegen eine Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen wehrte. Es wies die Argumentation der beklagten Krankenkasse zurück, sie sei zur Aufrechnung befugt, da das Krankenhaus auf Aufforderung des MDK hin nicht binnen der 4-Wochenfrist nach § 7 PrüfVV die angeforderten Unterlagen aus der Patientenakte vollständig übersandt habe. Das Sozialgericht Ulm stellt klar, dass es sich bei der Frist nach § 7 PrüfVV zur Einreichung der Unterlagen um eine Ausschlussfrist handele. Die Berechtigung zur Aufrechnung der strittigen Behandlungskosten gelte allerdings nur für den Fall der unterbliebenen bzw. nicht nachweisbaren Einreichung von Unterlagen. Vorliegend habe das Krankenhaus die Unterlagen jedoch per Einwurfeinschreiben übersandt und könne daher den fristgerechten Zugang nachweisen. Dass die Unterlagen möglicherweise nicht vollständig gewesen seien, berechtige die Kasse jedoch ohne MDK-Prüfung nicht zur Verrechnung. Sollten die Unterlagen unvollständig sein, sei dies nur eine Frage der Würdigung des medizinischen Sachverhalts durch den MDK und ggf. das Gericht. Da zwischenzeitlich die 9-Monatsfrist gem. § 8 PrüfVV zur Mitteilung über die Leistungsentscheidung abgelaufen sei, sei die Krankenkasse mit ihren nunmehr im gerichtlichen Verfahren erhobenen Einwände gestützt auf das zwischenzeitlich vorgelegte MDK-Gutachten ausgeschlossen.
Die Entscheidung des SG Ulm schafft zu mehreren Fragestellungen im Zusammenhang mit der PrüfVV Klarheit und zeigt Krankenhäusern auf, wie sie ihre Abläufe bei Prüfungen nach PrüfVV rechtssicher organisieren sollten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Im Rahmen einer Strahlentherapie mit simultan-integriertem Boost (SIB) werden mehrere „Körperregionen" bestrahlt, ohne dass es einer Patientenumlagerung oder Tischverschiebung bedarf. Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 31.08.2016 festgestellt, dass der OPS 8-52 für jedes einzelne Zielvolumen verschlüsselt werden darf, auch wenn keine Patientenumlagerung oder Tischverschiebung erfolgt, solange die Zielvolumina jeweils mit unterschiedlichen – zuvor festgelegten Dosen – nach bestimmten Dosis-Zeitmustern bestrahlt würden. Entgegen der Auffassung des MDK dürfte das Krankenhaus für den einheitlichen Vorgang der Bestrahlung für jedes der drei im konkreten Fall bestrahlten Zielvolumina im Bereich des Kopfes, des Halses und der Schulter jeweils einmal den OPS 8-52 abrechnen.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Wird entgegen einer Wahlleistungsvereinbarung bei der Operation nicht der Wahlarzt der Abteilung – regelmäßig Chefarzt – tätig, sondern ein anderer nicht liquidationsbefugter Arzt des Krankenhauses, so wird der Heileingriff ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt. Der Chefarzt bzw. das Krankenhaus sind in diesem Fall im Haftungsprozess mit dem Einwand, der Patient wäre mit der Vornahme des lege artis erbrachten Eingriffs durch einen anderen Operateur einver-standen gewesen, nicht zu hören. Sie haften nach einer aktuellen Entscheidung des BGH vom 19.07.2016 (VI ZR 75/15) alleine deshalb, weil sich die Einwilligung auf den Wahlarzt beschränkt hat.
Vorsicht also: Kann der Wahlarzt die Operation nicht erbringen und liegt kein Fall der unvorhersehbaren Verhinderung vor, für den das Tätigwerden des ständigen ärztlichen Vertreters vereinbart wurde, muss bei Leistungserbringung durch einen anderen Arzt zwingend vor der Operation die Einwilligung des Patienten – sofern einwilligungsfähig – eingeholt werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
In einer aktuellen Entscheidung hat die „Schiedsstelle zur Festsetzung der Entgelte für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen im Land Nordrhein-Westfalen nach § 111b SGB V" Vergütungspauschalen unter Berücksichtigung einer Steigerung deutlich oberhalb der Veränderungsrate festgesetzt. Maßgeblich war ein neueres Urteil des BSG in einer vergleichbaren Angelegenheit, dem wesentliche Bedeutung in unserer Argumentation zukam. Die Schiedsstelle hat sich unserer Rechtsauffassung angeschlossen, so dass die von der neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch auf die Entgelte für Rehabilitationseinrichtungen sinngemäß übertragen worden sind. Demnach muss in einem ersten Schritt geprüft werden, ob die Einrichtung die Kosten der Betriebsführung plausibel darlegen konnte. Anschließend ist in einem zweiten Schritt zu bewerten, ob der nachvollziehbar begründete Vergütungsanspruch insgesamt leistungsgerecht und angemessen ist sowie einem Vergleich mit den Entgelten anderer Rehabilitationseinrichtungen standhält. Der Beschluss hebt sich mit diesem Ansatz erfreulich von einigen Schiedsstellenentscheidungen der Vergangenheit ab, die häufig die Anpassung der Vergütung ausschließlich an der Höhe der Veränderungsrate bemessen haben. Positiv anzumerken ist auch, dass die Schiedsstelle einen angemessenen Unternehmerlohn in Anlehnung an neuere Urteile zur Vergütung der Pflegeeinrichtungen anerkannt hat.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, so begründet eine Personalüberlassung auch dann kein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht auf Basis eines entsprechenden Vertrages, sondern im Rahmen eines von Verleiher und Entleiher sogenannten Werkvertrages erfolgt. Nach einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat dieses am 12.07.2016 entschieden, die rechtlich unzutreffende Beurteilung eines fälschlich als Werkvertrag angenommenen, korrekterweise aber als Arbeitnehmerüberlassung zu beurteilenden Vertragsverhältnisses (allein) begründe kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kunden des vermeintlichen Werkunternehmers. Vorbehaltlich eines Studiums der noch zu erwartenden Urteilsgründe fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Gleichbehandlung der Falschbezeichnung eines Überlassungsvertrages als Werkvertrag bei Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung mit dem Fall des Fehlens einer solchen Erlaubnis. Hätten Entleiher und Verleiher ihre vertragliche Basis zutreffend eingeordnet und bezeichnet, so wäre zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher ebenfalls kein Arbeitsverhältnis zustande kommen. Das BAG setzt damit seine mit Urteil vom 10.12.2013 zu Aktenzeichen 9 AzR 51/13 begründete Rechtsprechung fort, wonach ein fingiertes Arbeitsverhältnis bei Vorliegen einer formal wirksamen Erlaubnis nach dem AÜG (mangels gesetzlicher Grundlage) nicht zustande kommt. In dieser Situation darf mit Spannung dem auf Ende des Jahres angekündigten neuen Gesetz zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen im Rahmen der sogenannten Zeitarbeitsreform entgegengesehen werden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Ein Sozialhilfeträger forderte von einer nach § 75 SGB XII zugelassenen Einrichtung übernommenes Heimentgelt mit der Begründung zurück, die Einrichtung habe entgegen der der Vergütungsvereinbarung zugrunde liegenden Kalkulation geringere Personalkosten gehabt. Das SG Bayreuth wies mit Urteil vom 18.02.2014 die Klage des Sozialhilfeträgers ab. Die dagegen gerichtete Berufung vor dem LSG Bayern blieb erfolglos. In der Berufungsentscheidung vom 04.02.2016 stellt das LSG fest, dass es dem Grunde nach schon keine Anspruchsgrundlage erkennen könne. Insbesondere bestehe kein vertraglicher Rückzahlungsanspruch, da eine konkrete Personalstärke nicht vereinbart worden sei und man auch nicht eine bestimmte Bezahlung der Mitarbeiter – insbesondere nach TVÖD – festgeschrieben habe. Das LSG betont, der Sozialhilfeträger sei nach der Vergütungsvereinbarung und den Bestimmungen des SGB XII nur zur Übernahme des heimvertraglich geschuldeten Entgelts verpflichtet; er trete lediglich der zivilrechtlichen Forderung aus dem Heimvertrag bei. Schadensersatzansprüche und Bereicherungsansprüche wegen vermeintlicher Überzahlungen aus dem Heimvertrag seien jedoch vor den Zivilgerichten zu verfolgen. Die Rechtsprechung des LSG Bayern erschwert Sozialhilfeträgern in erheblicher Weise Rückforderungsansprüche gegen Heime. Zugleich zeigt es den Sozialhilfeträgern auf, welche aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten im Interesse der Qualitätssicherung bestehen.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der BGH hat mit ausführlich begründeter Leitsatzentscheidung vom 12.05.2016 klargestellt, dass eine Entgelterhöhung des Heimträgers bei Änderung der Berechnungsgrundlage nach § 9 WBVG stets zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Heimbewohners bedarf. Dies gelte auch bei Heimbewohnern, die Leistungen nach dem SGB XI oder SGB XII in Anspruch nehmen. Eine davon abweichende Regelung im Heimvertrag, die ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht vorsehe, sei unwirksam. Damit hat der BGH Klarheit geschaffen: Vertragsklauseln, die dem Heimträger ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht einräumen, sind unwirksam. Dies gilt insbesondere entgegen vereinzelt in Rechtsprechung und Literatur vertretener Auffassung auch gegenüber Leistungsempfänger nach dem SGB XI bzw. SGB XII.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Mit Beschluss vom 09.05.2016 hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts auf die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Anwaltskanzlei Quaas & Partner ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aufgehoben, mit dem einer syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft die Einrichtung einer Krypta als Begräbnisstätte für Gemeindepriester in ihrer Kirche versagt worden war; Az.: 1 BvR 2202/13. In der am 17.06.2016 veröffentlichten Entscheidung bekräftigt das BVerfG, dass das Gewicht einer religiösen Verhaltensvorgabe eine genuin religiöse Frage ist, die der selbständigen Beurteilung durch die staatlichen Gerichte entzogen ist. Bei der Anwendung der Ausnahme- und Befreiungsvorschriften des Baugesetzbuchs und der Auslegung der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe habe der VGH Baden-Württemberg die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) nicht hinreichend berücksichtigt; insbesondere könne der von der Beschwerdeführerin angeführten Glaubensregel der zwingende Charakter nicht ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe abgesprochen werden. Das BVerfG hat die Sache daher zur erneuten Entscheidung an den VGH Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Hartnäckig vertreten einige MDK-Gutachter die Auffassung, für die Verschlüsselung einer Sepsis als Haupt- oder Nebendiagnose genüge es nicht, wenn die sog. SIRS-Kriterien nach der S 2-Leitlinie der DSG und der DIVI vorliegen. Hinzukommen müsse noch ein bestimmtes Sepsismanagement. Dies begründen sie damit, bei einer Sepsis handele es sich um eine potentiell lebensgefährliche Erkrankung. Das SG Heilbronn folgt mit Urteil vom 28.01.2016 nicht der Argumentation des MDK. Maßgeblich seien die SIRS-Kriterien, auf die auch das DIMDI verweise. Ein besonderes Sepsismanagement sei nicht erforderlich. Die für Krankenhäuser erfreuliche, weil Klarheit schaffende Entscheidung ist rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Wird entgegen den Maßgaben des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte erweitert, ist eine Wahlleistungsvereinbarung nach Auffassung des LG Stuttgart in Gänze unwirksam, auch wenn der Patient im Informationsschreiben über die Wahlleistungen gesetzeskonform aufgeklärt wurde. Im entschiedenen Fall formulierte das Krankenhaus, „dass sich die Vereinbarung über zusätzliche wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung beteiligten ärztlichen Direktoren/Ärzte, soweit diese zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen durch Ärzte und ärztlich gerichtete Einrichtungen außerhalb des Klinikums erstreckt (Wahlarztkette nach § 17 Abs. 3 KHEntgG)". Durch die unterbliebene Beschränkung auf „angestellte oder beamtete Ärzte" würde sich – so das Gericht – die Vereinbarung auf Honorarärzte, Belegärzte oder Konsiliarärzte erstrecken, was nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG jedoch unzulässig sei. Das LG Stuttgart ließ die Revision gegen das Urteil vom 04.05.2016 zu Az. 13 S 123/15 nicht zu. Die Entscheidung zeigt, dass bei der Formulierung von Wahlleistungsvereinbarungen peinlich genau auf die durch § 17 KHEntgG gemachten Vorgaben geachtet werden muss, auch wenn diese in vielerlei Hinsicht nur rudimentär Wahlleistungen konkretisieren.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae und Dr. Till Flachsbarth
Erwartungsgemäß müssen sich zwischenzeitlich Schiedsstellen mit den Auswirkungen der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R) befassen, wonach die Erfüllung der Mindestmenge im Vorjahr notwendige Voraussetzung für die positive Prognoseentscheidung zur Erreichung der Mindestmenge im neuen Jahr sein soll. Die Schiedsstelle in Schleswig-Holstein beschäftigt sich in einer neueren Entscheidung kritisch mit diesem Urteil und setzt letztlich das Erlösbudget des Krankenhauses unter Einbeziehung mindestmengenrelevanter Leistungen im Bereich Knie-TEP fest, obwohl das Krankenhaus im Vorjahr (2014) die geforderte Mindestmenge (knapp) unterschritten hat. Es sei zweifelhaft, ob eine Prognoseentscheidung zwingend voraussetze, dass die Mindestmenge im Vorjahr bereits erreicht worden sei. Problematisch sei auch, dass der G-BA mit Beschluss vom 18.12.2014 die mehrjährig ausgesetzte Mindestmengenregelung zu den Knie-TEPs bereits mit Wirkung zum 01.01.2015 wieder in Kraft gesetzt habe, obwohl § 3 der Mindestmengenregelungen (Mm-R) eine 3-Monatsfrist vorsehe, um den Krankenhäusern Zeit zu geben, sich auf eine neue Mindestmenge einzustellen. Insoweit habe der G-BA seine eigenen Fristenregelungen nicht beachtet. Die Schiedsstellenentscheidung wurde zwischenzeitlich durch die zuständige Landesbehörde genehmigt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Umstritten bleibt, ob Gemeinden eine Vergnügungssteuer für Wettbüros bezogen auf deren Fläche erheben dürfen. Der VGH Baden-Württemberg hat dies mit Urteil vom 28.01.2016 – 2 S 2067/14 abgelehnt, weil der Flächenmaßstab nicht einmal einen lockeren Bezug zum Vergnügungsaufwand des Wettbürobesuchers aufweise. Dagegen hat das OVG Nordrhein Westfalen mit Urteil vom 13.04.2016 – 14 A 1599/15 den Flächenmaßstab gebilligt. Der Wettmehraufwand, der in einem Wettbüro aufgrund seiner die Wettleidenschaft befördernden Aufenthaltsqualität gegenüber einer reinen Wettannahmestelle erzielt wird, lasse sich nicht beziffern, sondern nur vergleichend schätzen. Dafür sei die Veranstaltungsfläche ein zulässiger Steuermaßstab.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
„Mit Prof. Dr. Michael Quaas wird heute ein Jurist geehrt, der auf herausragende Weise bewiesen hat, wie man Beruf und Ehrenamt miteinander verbinden und dabei viel Gutes bewirken kann", erklärte Staatssekretär Klaus-Peter Murawski anlässlich der Überreichung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Prof. Dr. Michael Quaas.
Pressemitteilung des Staatsministeriums Baden-Württemberg
Nach dem Terminbericht des BSG über dessen Sitzung vom 04.05.2016 fordert der 6. Senat für die Einbringung einer „Zulassung" in ein MVZ gemäß § 103 Abs. 4 a SGB V die Absicht des auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung im MVZ verzichtenden Vertragsarztes, mindestens drei Jahre im MVZ tätig zu werden. Dies stellt eine massive Änderung der Rechtslage im Verhältnis zur bisherigen Spruchpraxis der Zulassungsgremien dar. Bislang akzeptierten diese eine Tätigkeit des ursprünglichen Vertragsarztes von ein bis zwei Quartalen im MVZ, um im Anschluss daran eine Nachbesetzung der Angestelltenstelle vornehmen zu können. Konzediert wird dem seine Zulassung in das MVZ einbringenden Arzt lediglich eine Reduzierung seines Stellenumfangs um 25 % je Jahr, wobei als Bezugszeitraum drei Jahre genannt werden. In der Konsequenz bedeutet dies bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren eine Stellenreduzierung auf 0,5 (1/4 ab dem 2. Jahr). Das BSG verlangt hier – wohl im Rahmen einer Missbrauchskontrolle – zwar nur eine entsprechende Absicht des abgebenden Arztes und diese auch nur „grundsätzlich". Vorbehaltlich einer detaillierten Prüfung der noch nicht veröffentlichen Urteilsgründe stellt sich die Rechtsprechungsänderung, welche ausdrücklich nur für Zukunft erfolgt, jedoch als „freie Rechtschöpfung" entgegen dem Gesetzeswortlaut und nach hiesiger Auffassung auch als einen massiven, sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des auf seine Zulassung verzichtenden Arztes dar. Dieser wird durch die neue Rechtsprechung entweder zu einer Praxisabgabe drei Jahre vor dem geplanten Ruhestand oder alternativ zu einer Verlängerung seiner Lebensarbeitszeit um 2,5 Jahre gezwungen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Nach dem Terminbericht vom 04.05.2016 hat der 6. Senat (auch) seine Rechtsprechung zur Nachbesetzung von Viertel-Arztstellen im MVZ geändert. Bisher verlangte die Rechtsprechung für Nachbesetzung der Stelle eines angestellten Arztes im MVZ die Einhaltung einer Frist von sechs Monaten beziehungsweise bei begründetem Verlängerungsantrag von 12 Monaten nur für Stellen mit einem Umfang oberhalb von 25 % einer Vollzeitstelle. Viertel-Arztstellen konnten bislang unbefristet nachbesetzt werden. Der 6. Senat des BSG meint nun insoweit eine Missbrauchskontrolle einführen zu können beziehungsweise zu müssen, indem er hierfür eine Frist von einem Jahr vorgibt. Dem Terminbericht nach geht es um die Verhinderung eines „Bunkerns" von Viertel-Stellen, die – je nach Größe des MVZ – sogar zusammengeführt hätten werden können. Verlangt wird jetzt ein ernsthaftes und aussichtsreiches Bemühen um eine Nachbesetzung binnen eines Jahres. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so soll das Nachbesetzungsrecht des MVZ (ersatzlos) entfallen. Die Rechtsprechungsänderung gilt (ebenfalls) ausdrücklich (nur) „für die Zukunft". Diese „verdüsterte" Zukunft dürfte mit der Urteilsverkündung am 04.05.2016 begonnen haben – und zwar auch für alle schon bestehenden MVZ.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das SG Ulm hat mit Urteil vom 12.05.2016 dem sog. Umschlagsverfahren eine Absage erteilt. Im konkreten Fall verweigerte eine Krankenkasse die abgerechnete Vergütung mit der Begründung, das Krankenhaus habe seine Mitwirkungspflicht verletzt, indem es der Krankenkasse nicht auf Aufforderung in einem verschlossenen Umschlag die angeforderten Unterlagen aus der Patientenakte zugeleitet habe. Das Krankenhaus argumentierte dagegen, mit Blick auf die Feststellungen des Bundesdatenschutzbeauftragten sei es einem Krankenhaus nicht gestattet, die angeforderten Unterlagen direkt der Krankenkasse zu übersenden. Es sehe sich nur verpflichtet, auf Anforderung der Krankenkasse die Unterlagen direkt einem näher zu benennenden MDK zuzuleiten. Das SG Ulm teilt die Ansicht des Krankenhauses, die zwischenzeitlich mit dem KHSG zum 01.01.2016 in Gesetzesfassung gegossen worden sei.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 11.04.2016 die Klage der Barmer GEK gegen einen Krankenhausträger auf Schadensersatz wegen angeblich unzulässig verordneter Hilfsmittel noch während des stationären Aufenthaltes abgewiesen. Zur Begründung verweist das Sozialgericht auf eine fehlende schuldhafte Pflichtverletzung des beklagten Krankenhauses, weil es sich zum einen erkennbar um Verordnungen des Krankenhauses handelte, denen die Verordnung noch zum Zeitpunkt der stationären Behandlung deutlich zu entnehmen war. Zum anderen habe die Barmer GEK die Kosten der in Rede stehenden Hilfsmittel stets beanstandungslos übernommen, sogar explizit genehmigt, so dass dem Krankenhaus kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne. Außerdem sei es nicht Aufgabe des Krankenhauses, die Versicherten auch nach der stationären Behandlung mit Hilfsmitteln auf eigene Kosten zu versorgen. Diese seien damit nicht mehr allgemeine Krankenhausleistungen. Selbst wenn man eine schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses hinsichtlich der Hilfsmittelverordnungen bejahen würde, läge ein erhebliches Mitverschulden der Barmer GEK im Hinblick auf die von ihr ohne Weiteres erkennbare Verordnungspraxis und jahrelange beanstandungslose Hinnahme vor. Schließlich sei ein Schaden der Barmer GEK höchst zweifelhaft, denn selbst wenn das Krankenhaus die Hilfsmittel nicht hätte verordnen dürfen, folgt daraus nicht, dass sie sie den Versicherten auch für die poststationäre Behandlung auf eigene Kosten hätte zur Verfügung stellen bzw. weiter überlassen müssen.
Auch aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot lasse sich eine solche Verpflichtung nicht ableiten, die Versicherten mit teuren Hilfsmitteln zu versorgen, deren Wirtschaftlichkeit sich erst im Hinblick auf den z. T. deutlich längeren poststationären Einsatz ergibt, der aber nicht dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses unterfällt. Nur die Versorgung mit Hilfsmitteln während des stationären Aufenthaltes gehört nämlich zu den Krankenhausbehandlungsleistungen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae
Die Krankenhausträgerin und die Krankenkassen haben gegen die Genehmigung der von der Schiedsstelle festgesetzten Entgelte Klage erhoben. Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 19.02.2016 – 21 K 1321/14 – den angefochtenen Genehmigungsbescheid aufgehoben, weil (1.) das Krankenhaus es im Rahmen des Pflegesatz- und Schiedsstellenverfahrens versäumt habe, die für die Kalkulation der Entgelte einer Besonderen Einrichtung (Palliativstation) notwendige LKA (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 4 KHEntgG) vorzulegen und (2.) die Schiedsstelle nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend beachtet habe, dass die von dem Krankenhaus bei Berechnung des Zuschlags für ein kinderonkologisches Zentrum geltend gemachten Kosten grundsätzlich von dem InEK bei Ermittlung der Höhe der Fallpauschalen berücksichtigt werden konnten, so dass insoweit ein Zentrumszuschlag nach § 5 Abs. 3 KHEntgG ausscheide. Zutreffend habe die Schiedsstelle einen Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG für erstmalig vereinbarte NUB-Entgelte abgelehnt. Die – teilweise kritikwürdige – gerichtliche Entscheidung bestätigt den Befund, dass Krankenhäuser im Rahmen von Pflegesatz- und Schiedsstellenverfahren mit großer Sorgfalt ihre Forderung unter Beachtung der maßgeblichen pflegesatzrechtlichen Bestimmungen darzulegen haben. Auf Antrag einer Vertragspartei wird die Schiedsstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entsprechend § 14 Abs. 3 KHEntgG erneut entscheiden müssen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Der Gesetzgeber hat im Rahmen des GKV-VSG mit Wirkung zum 23.07.2015 einen neuen Absatz 3 in § 137c SGB V angefügt, mit dem der Einsatz innovativer Behandlungsmethoden im stationären Bereich gefördert werden soll. Zwischenzeitlich liegen erste gerichtliche Entscheidungen hierzu vor. Das SG Hamburg stellt mit Urteil vom 04.09.2015 – S 33 KR 822/13 – fest, dass die Änderung des § 137c SGB V als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG erfolgt sei. Der Gesetzgeber habe hiermit klargestellt, dass die bisherige Auslegung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen habe. Die alleinige Ausrichtung der Methodenwahl in Krankenhäusern am Qualitätsmaßstab des § 2 Abs. 1 SGB V und der Ausschluss jeglicher innovativer neuer Behandlungsmethoden durch die höchstrichterliche Rechtsprechung stehe mit der gesetzgeberischen Intension nicht im Einklang. Nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.11.2015 – L 11 KR 1116/12) kommt einer neuen Methode das in § 137c Abs. 3 SGB V angesprochene Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative zu, wenn der Einsatz der Methode der Behandlung einer schwerwiegenden Krankheit dient, für die eine nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin kausal wirksame Therapie nicht existiert. Darüber hinaus muss im Einzelfall eine begründete Aussicht bestehen, dass mit der Behandlungsmethode ein kurativer oder palliativer Therapieerfolg erzielt werden kann.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Am 22.06.2015 berichteten wir, dass das LSG Baden-Württemberg am 20.05.2015 entschied, die von einem psychiatrischen Fachkrankenhaus erbrachten ergotherapeutischen Leistungen auf Verordnung einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA), angesiedelt am selben Krankenhaus, seien von der Krankenkasse zu vergüten. Die hiergegen von der Krankenkasse erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht wurde mit Beschluss vom 17.02.2016 zurückgewiesen. Die Angelegenheit weise nach BSG keine grundsätzliche Bedeutung auf. Eine Divergenz zu anderen Entscheidungen könne nicht erkannt werden.
Damit steht fest: Baden-württembergische Krankenhäuser haben auf Grundlage der auf Landesebene abgestimmten Vergütungsvereinbarungen einen Anspruch auf Vergütung der von ihnen erbrachten ergotherapeutischen Leistungen, selbst wenn diese von den von ihnen betriebenen PIAs verordnet wurden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Ärzte wie Krankenhäuser sehen sich häufig geschäftsschädigenden Äußerungen von (vermeintlichen) Patienten auf Ärztebewertungsportalen ausgesetzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert mit Urteil vom 01.03.2016 die Pflichten für Betreiber von entsprechenden Portalen: Der Betrieb eines Ärztebewertungsportales trage von vornherein in sich ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsverletzungen. Diese Gefahr werde durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Derart verdeckt abgegebene Bewertungen würden es dem betroffenen Arzt zudem erschweren, unmittelbar gegen den Bewertenden vorzugehen. Vor diesem Hintergrund habe die Betreiberin eines Ärztebewertungsprotals die Pflicht, die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden zu übersenden und ihn dazu anzuhalten, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus habe der Portalbetreiber den Bewertenden aufzufordern, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diese Information hätte das Portal sodann dem Arzt weiterleiten müssen, damit sich dieser gegen die erhobenen Behauptungen zur Wehr setzen könne.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Die Klage einer Krankenkasse auf Erstattung vermeintlich zu viel entrichteter Vergütung an ein Krankenhaus wegen unzutreffend abgerechneter Beatmungsstunden wies das Sozialgericht Stuttgart mit Urteil vom 23.02.2016 zurück. Das Krankenhaus habe nicht nur bei der Berechnung der Beatmungsstunden zutreffend die Phasen der Entwöhnung bis zum Eintritt einer stabilen respiratorischen Situation berücksichtigt. Vielmehr genüge auch die Dokumentation des Krankenhauses zum Nachweis der Beatmung bzw. dem Eintritt einer stabilen respiratorischen Situation. Das Krankenhaus hatte „T/B" als Kürzel für Tracheotomie im Unterschied zum Vermerk „I/B" für Intubation dokumentiert. Dies genügt nach Auffassung des Sozialgerichts Stuttgart, um den Beginn der Beatmung feststellen zu können. Die Eintragung „T/sp" für „spontane Atmung über Tracheostoma" ist nach Auffassung des Gerichts ausreichend, um das Ende der Beatmung feststellen zu können.
Aus prozessualer Sicht ist die Entscheidung vom 23.02.2016 zudem interessant, weil das Gericht der Krankenkasse weder aus materiellem Recht noch aus prozessualen Gründen einen eigenen Anspruch auf Einsicht in die vom Krankenhaus eingereichte Patientenakte ohne Zustimmung des betroffenen Versicherten einräumt. Die Krankenkasse könne vorgerichtlich wie auch gerichtlich den MDK mit der Auswertung der Patientenakte beauftragen, weshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg ein eigenes Einsichtsrechts der Krankenkasse in die Patientenakte zu verneinen sei.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
In zwei Urteilen vom 15.02.2016 - 1 VB 57/14 u. 1 VB 58/14 - hat der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg auf die von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner geführten Verfassungsbeschwerden eines privaten Schulträgers Beschlüsse des VGH Baden-Württemberg aufgehoben, weil sie die in Art. 67 Abs. 1 der Landesverfassung enthaltene Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzen.
Der von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner vertretene Schulträger hatte der Schulbehörde die Errichtung eines privaten Gymnasiums angezeigt, das als unselbständige Außenstelle eines bereits seit langem von ihm betriebenen und als Ersatzschule genehmigten Gymnasiums geführt werden sollte. Der Schulträgers hatte geltend gemacht, dass diese Schulerweiterung keiner erneuten Ersatzschulgenehmigung bedürfe und ohne Wartefrist von drei Jahren vom Land finanziell gefördert werden solle. Die insoweit von ihm erhobenen Klagen blieben beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erfolglos. Die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen die Urteile wurden vom VGH abgelehnt. Dies hat die Anwaltskanzlei Quaas & Partner mit den Verfassungsbeschwerden angegriffen.
Der Verfassungsgerichtshof gab den Verfassungsbeschwerden statt und bestätigte, dass die angegriffenen Beschlüsse des VGH die Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzen, weil er bereits im Zulassungsverfahren das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts mit Erwägungen verneint habe, die grundsätzliche Bedeutung haben. Grundsätzliche Bedeutung habe der Rechtssatz, dass „Schulerweiterungen, die nicht durch eine ‚Angliederung' unter Wahrung der Pausenabstandsregelung vorgenommen werden, als neue Schulen zu werten sind, die, wenn sie die Tätigkeit einer Ersatzschule entfalten, einer eigenen Genehmigungspflicht und, wenn sie staatlich bezuschusst werden sollen, einer eigenen Wartefrist unterliegen". Offen sei hier insbesondere die Frage, ob bei der Erweiterung einer genehmigten Ersatzschule an einem anderen Standort anstatt einer Genehmigung lediglich eine Anzeige erforderlich war. Der bloße Umstand, dass bezüglich einer Rechtsfrage eine langjährige Verwaltungspraxis bestehe, lasse die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage durch den VGH nicht entfallen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren an den VGH zur erneuten Entscheidung über die Zulassung der Berufung zurückverwiesen.
Ihre Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas & Dr. Moritz Quaas
Das Sozialgericht Karlsruhe ist mit Urteil vom 24.02.2016 unserer Argumentation gefolgt, ein Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens könne auch nach der Auswahlentscheidung noch zurückgenommen werden. Dies gelte laut Vorsitzendem jedenfalls dann, wenn der Praxisabgeber in seinem Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens lediglich die Absicht erklärt habe, spätestens vor Zulassung eines Nachfolgers auf seine Zulassung verzichten zu wollen. Der vom Zulassungsausschuss Ausgewählte habe nach Antragsrücknahme keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der VGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 24.02.2016 – 12 S 638/15 – die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung der Stadt Künzelsau gegen das Urteil des VG Stuttgart vom 06.02.2015 - 7 K 2071/13 – zurückgewiesen und damit bestätigt, dass ein von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner vertretenes Ehepaar gegen die Stadt Künzelsau dem Grunde nach einen Anspruch auf Bezuschussung der Elternbeiträge für die Betreuung ihrer Söhne in einem Waldorfkindergarten hat, weil die Stadt gleichheitswidrig die Betreuung in ihren städtischen Kindergärten beitragsfrei anbietet. Das VG Stuttgart hatte geurteilt, in der Entscheidung der Stadt, den Klägern einen Zuschuss zu den Elternbeiträgen für die Betreuung ihrer Kinder im Waldorfkindergarten zu versagen, liege eine gleichheitswidrige Benachteiligung. Die von der Stadt vorgenommene Beschränkung der Förderung in der Form eines Zuschusses zum Elternbeitrag für die Kindertageseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft widerspreche den Grundentscheidungen des Jugendhilferechts für ein dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern entsprechendes plurales Leistungsangebot. Diese Förderpraxis bevorzuge einseitig die Eltern, die für ihre Kinder kommunale Betreuungsangebote wählten, und benachteilige die Eltern, die sich in Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung für die Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertageseinrichtung eines freien Trägers entschieden hätten. Die Revision zum BVerwG wurde vom VGH nicht zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Mit zwei Urteilen vom 24.02.2016 stellt das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Rechtmäßigkeit des Investitionskostenabschlags analog § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V bei der Vergütung der Krankenhäuser für ambulante Notfallleistungen durch die KVBW in den Jahren 2005 bis 2007 sowie ab 2008 fest. Die Revision wurde jeweils nicht zugelassen. Sobald die schriftlich abgefassten Urteilsgründe vorliegen, werden wir berichten, insbesondere zur Frage, weshalb das Landessozialgericht eine Doppelfinanzierung der Investitionskosten durch eine Vergütung nach EBM annimmt, obwohl eine Förderung der der ambulanten Versorgung dienenden Einrichtungen der Krankenhäuser durch KHG ausgeschlossen ist.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
In einem aktuellen Urteil aus Januar 2016 befasste sich der BGH mit einem von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nach Abtretung durch die Versicherte behaupteten Anspruch auf Rückzahlung eines angeblich überhöhten Wahlarzthonorars. Den Anspruch machte die Versicherung gegenüber dem behandelnden Chefarzt geltend. Ihre Klage und ihre Rechtsmittel wurden in allen drei Instanzen zurückgewiesen. Im entschiedenen Fall lag die untypische Konstellation eines sogenannten gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrages vor. Das Universitätsklinikum, in welches die Patientin aufgenommen war, hatte mit dieser eine Wahlleistungsvereinbarung getroffen, in welcher lediglich die gesonderte Berechnung einer wahlärztlichen Leistung, nicht aber deren Erbringung durch das Klinikum (selbst) vereinbart wurde. Dazu hieß es in der Vereinbarung ausdrücklich: „Die wahlärztlichen Leistungen sind nicht Gegenstand des Vertrages mit dem Klinikum. Bei Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen (sog. Privatbehandlung) schließen Sie für die ärztlichen Leistungen einen gesonderten Behandlungsvertrag nur mit den Wahlärzten des Klinikums." Dieser gesonderte, sogenannte Arztzusatzvertrag kam im entschiedenen Fall indes nicht zustande. Der Chef- und Wahlarzt der aufnehmenden chirurgischen Klinik hatte mit der Patientin (selbst) keinen (ausdrücklichen) Vertrag geschlossen. Die Mitarbeiter des Klinikums besaßen keine Vertretungsmacht, um einen gesonderten Behandlungsvertrag mit Wirkung für und gegen den Chefarzt abzuschließen. Zwar könne ein Behandlungsvertrag – so der BGH – auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Die schlichte Leistungserbringung reiche dafür aber nicht. Ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch schied damit aus. Eine Rückzahlung auf Basis einer ungerechtfertigten Bereicherung kam ebenfalls nicht in Betracht. Der Chefarzt hatte kein Wahlarzthonorar liquidiert. Die Abrechnung erfolgte vielmehr durch das Klinikum, an welches die Patientin den Rechnungsbetrag auch überwiesen hatte. Werden also seitens eines Privatpatienten oder seitens eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung (nach Abtretung) Ansprüche auf Rückzahlung eines Wahlarzthonorars geltend gemacht, ist in jedem Einzelfall die ganz konkrete Vertragskonstruktion im Detail zu betrachten. Besser beraten ist der Krankenhausträger noch mit einer stimmigen Konstruktion bevor es zum Rechtsstreit kommt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
In der Berufungsverhandlung vom 21.01.2016 wies der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts Hamm einen Krankenhausmitarbeiter, der von seinem Arbeitgeber Schadensersatz wegen am Arbeitsplatz gestohlener Wertsachen forderte, darauf hin, dass seine Berufung keine Aussichten auf Erfolg habe. Wie das Arbeitsgericht Herne erstinstanzlich mit Urteil vom 19.08.2015 zutreffend festgestellt habe, ließen sich Schutzpflichten des Arbeitgebers bzgl. vom Arbeitnehmer in den Betrieb mitgebrachter Sachen regelmäßig nur dann begründen, wenn es sich um Gegenstände handele, die ein Arbeitnehmer zwingend, mindestens aber regelmäßig mit sich führe oder aber unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung benötige. Nur bezüglich solcher Gegenstände habe der Arbeitgeber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um dem Arbeitnehmer vor Verlust oder Beschädigung der eingebrachten Sachen zu schützen. Auf den Hinweis des Vorsitzenden nahm der Kläger im Termin seine Berufung im Verfahren zu Az. 18 Sa 1409/15 zurück dem Schmuck gestohlen wurde.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Am 17.12.2015 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) umfangreiche Beschlüsse zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) erlassen. In der Rahmenrichtlinie erleichtern nun verschiedene Klarstellungen und Neuformulierungen das Anzeigeverfahren. Darüber hinaus wurden erkrankungsspezifische Regelungen im Bereich der gynäkologischen Tumore angepasst. Auswirkungen hat dies unter anderem auf die Festlegung der Überweisungsdauer, den Umfang von Mindestmengen und die Definition des erforderlichen Behandlungsumfangs.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Ganze sechs Richtlinien widmete der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Konkretisierung des in § 39 Abs. 1 geregelten Entlassmanagements nach Krankenhausbehandlung. In Umsetzung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes ergänzte der G-BA am 17.12.2015 die gesetzlichen Regelungen zum Entlassmanagement. Danach können Krankenhäuser ihren Patienten bei Entlassung für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen häusliche Krankenpflege, Heilmittel, Hilfsmittel und Soziotherapie verordnen. Sie können eine etwaige Arbeitsunfähigkeit feststellen. Darüber hinaus können durch Krankenhausärzte Arzneimittel verschrieben werden. Dies war bislang niedergelassenen Vertragsärzten vorbehalten. Mit den neuen Richtlinien werden Versorgungslücken nach stationärer Behandlung geschlossen. Die Beschlüsse liegen dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vor und treten nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Zivilrechtliche Auseinandersetzungen über das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Praxiskaufvertrages haben keinen Einfluss auf den vor den Zulassungsgremien erklärten Zulassungsverzicht. Erklärt ein Vertragsarzt einen Verzicht auf seine Zulassung, so ist und bleibt diese auch dann wirksam, wenn sich der Übernehmer nach seiner Zulassung nicht mehr an den mit dem Abgeber geschlossenen Praxiskaufvertrag gebunden fühlt. Der vor dem SG Marburg gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die „alte" Zulassung des Abgebers zu „verlängern", wurde deswegen im Dezember 2015 zurückgewiesen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 07.01.2016 (S 11 KR 1630/15) eine Krankenkasse zur Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € verurteilt. Die Krankenkasse hatte die Zahlung verweigert unter Hinweis darauf, sie habe eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung durchgeführt. Dieser Auffassung folgte das Sozialgericht Gelsenkirchen nicht und verwies zur Begründung darauf, dass die Krankenkasse selbst die MDK-Prüfung auf Grundlage der Prüfverfahrensvereinbarung gemäß § 17 c Abs. 2 KHG eingeleitet hatte. Die Prüfverfahrensvereinbarung sei aber ausdrücklich eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 c SGB V, so dass bei fehlender Abrechnungsminderung eine Aufwandspauschale zu zahlen sei. Ungeachtet dessen folgt das Sozialgericht Gelsenkirchen auch nicht der Rechtsprechung des BSG zur sog. Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit für Abrechnungsfragen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae
Wir haben bereits kurz über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2015 (3 C 9.14) berichtet. In den zwischenzeitlich vorliegenden Entscheidungsgründen wird im Einzelnen zur Auslegung des Ausnahmetatbestands „zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung" nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG ausgeführt. Das Gericht stellt zunächst fest, dass sich eine zusätzliche Kapazität nicht nur aus der Aufstockung der Betten oder der Ansiedlung einer neuen Fachabteilung, sondern auch aus der Errichtung eines neuen Operationssaals ergeben kann. Der notwendige Zusammenhang der zusätzlichen Kapazitäten mit der Krankenhausplanung („aufgrund") erfordere nicht zwingend eine ausdrückliche Ausweisung im Krankenhausplan, sondern es genüge bereits eine sonstige Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich ihr Einverständnis mit der Kapazitätserweiterung ergebe. Es kommt demnach – entgegen der bisher von den Krankenkassen vertretenen Rechtsauffassung – nicht darauf an, ob die zusätzlichen Kapazitäten durch die Krankenhausplanung verursacht worden sind. Vielmehr ist es ausreichend, dass die zuständige Landesbehörde die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt und ausdrücklich bestätigt hat. Vor dem Hintergrund, dass der Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG mit seiner Ausnahmeregelung „bei zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung" nur noch im Entgeltzeitraum 2016 zum Ansatz kommt und danach der Fixkostendegressionsabschlag nach § 4 Abs. 2b KHEntgG gilt, sollten betroffene Krankenhäuser prüfen, ob für zusätzliche Leistungen im Kalenderjahr 2016 möglicherweise noch eine entsprechende Erklärung der Planungsbehörde eingeholt werden kann, so dass eine Befreiung vom Mehrleistungsabschlag in Betracht kommen kann.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Wird vom MDK bei Prüfung der Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung eine primäre Fehlbelegung festgestellt, wird häufig behautet, eine ambulante oder stationäre Reha-Behandlung wäre ausreichend gewesen. Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 17.12.2015 klargestellt, es komme nur bei abgeschlossener Diagnostik Reha in Betracht. Denn eine Reha-Einrichtung unterscheide sich von einem Krankenhaus mitunter dadurch, dass diese gerade keine diagnostischen Ressourcen vorhalten müsse und auch nicht auf die Erkennung von Krankheiten ausgerichtet sei. Sei die Diagnostik notwendig, handele es sich um Krankenhausbehandlung und nicht um Reha.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Zwischenzeitlich liegen einige Schiedsstellenentscheidungen zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen zum Mehrleistungsabschlag vor. Aktuell kann über eine Entscheidung der Schiedsstelle in Schleswig-Holstein vom 16.10.2015 berichtet werden. In diesem Verfahren machte das Krankenhaus den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG mit der Begründung geltend, zusätzliche Kapazitäten seien auf ein Investitionsprogramm des Landes zurückzuführen und seien daher vom Mehrleistungsabschlag befreit. Bei dem Krankenhaus wurden umfangreiche Baumaßnahmen im Rahmen des Anbaus eines Westflügels durchgeführt, um das Leistungsvermögen sowie die Versorgung der Patienten, insbesondere im Bereich der Intensivmedizin sowie der Geriatrie, weiter zu verbessern. Die Kosten der Baumaßnahmen wurden zu einem überwiegenden Anteil vom Land gefördert. Umstritten war die Abschlagsfreiheit zusätzlicher Krankenhausleistungen im Umfang von 340 BWR. Die Krankenkassen haben die Auffassung vertreten, die Mehrleistungen seien mit dem Anteil nicht abschlagsfrei, mit dem das Krankenhaus einen eigenen Finanzierungsanteil an der Investition geleistet habe. Eine weitere Kürzung sei im Umfang des Anteils vorzunehmen, der sich aus dem Verhältnis der in anderen Bereichen anzutreffenden zusätzlichen Leistungen zu der insgesamt erwirtschafteten zusätzlichen Leistungsmenge ergebe, so dass allenfalls 85 BWR abschlagsfrei sein könnten. Die Schiedsstelle ist der Auffassung der Krankenkassen nicht gefolgt. Ein Abschlag unter dem Gesichtspunkt der von dem Krankenhaus getätigten Eigeninvestitionen wurde abgelehnt. Auch der weiter geforderte Abschlag aus dem Gesichtspunkt der von den Krankenkassen eingewandten Multikausalität der Mehrleistungen in den unterschiedlichen Kliniken wurde für nicht stichhaltig erachtet. Letztlich wurden über 95 % der zusätzlichen Leistungsmenge von der Schiedsstelle abschlagsfrei festgesetzt. Die Schiedsstellenentscheidung wurde zwischenzeitlich auf Antrag des Krankenhauses von der zuständigen Landesbehörde genehmigt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 03.12.2015 (S 11 KN 314/13 KR) eine Krankenkasse zur Zahlung der vollständigen Behandlungskosten verurteilt. Weder die abgerechnete DRG noch die Verweildauer standen im Streit. Die Krankenkasse hatte allein mit der Begründung die Zahlung verweigert, die ihr mehrfach übersandte und von ihr stets zurückgewiesene Endabrechnung des klagenden Krankenhauses trage das falsche Rechnungsdatum. Das Sozialgericht hat in dem Urteil ausgeführt, dass allein die Fehlerhaftigkeit des Datums nicht dazu führe, dass die gesamte Rechnung nicht zur Zahlung fällig werde. Nach Rechtsprechung des BSG tritt Fälligkeit der Rechnung dann ein, wenn diese den Anforderungen des § 301 SGB V genügt. Dies war vorliegend der Fall. Außerdem verwies das Sozialgericht mit deutlichen Worten darauf, dass das wiederholte unkommentierte Zurückweisen der Rechnung per DTA, ohne sich hierüber telefonisch mit dem Krankenhaus ins Benehmen zu setzen, in erheblicher Weise gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen verstoße. Für das Gericht war in keinster Weise ersichtlich, warum es der Krankenkasse nicht möglich gewesen war, die lediglich formale Fehlerhaftigkeit der Rechnung außerhalb eines Gerichtsverfahrens zwischen den Beteiligten zu klären.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Heike Thomae
Krankenkassen sind in eng umgrenzen Fällen befugt, Eigeneinrichtungen zu betreiben, die den Sachleistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten erfüllen. Wird ein Versicherter in einer solchen Einrichtung (hier: Zahnzentrum der Krankenkasse) behandelt, soll nach BSG zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse als Rechtsträger der Eigeneinrichtung kein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag zustandekommen. Es bestehe nur ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, weshalb nach Auffassung des Gerichts der Anspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse auf Einsicht in seine Behandlungsakte vor dem Sozialgericht geltend zu machen sei. Ob die Sozial- und Zivilgerichtsbarkeit aus der Entscheidung des BSG vom 08.09.2015 folgern wird, auch Schadensersatzansprüche der Versicherten gegen die Krankenkassen seien bei Behandlungen in Eigeneinrichtungen der Kassen vor den Sozialgerichten zu verfolgen, bleibt abzuwarten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der BGH stellt mit Urteil vom 21.05.2015 fest, dass die von vielen Heimen geübte Praxis, eine von Dritten zu unterzeichnende Schuldbeitrittserklärung dem Heimvertrag als Anlage beizufügen, mit § 14 Abs. 1 WBVG unvereinbar ist. Aus Adressatensicht würde ein entsprechendes Vorgehen beim Heimbewohner den Eindruck erwecken, nur bei Unterzeichnung der Schuldbeitrittserklärung durch einen Dritten – in der Regel einen Angehörigen – erfolge die Aufnahme im Heim. Offen ließ der BGH, ob ein Schuldbeitritt im Heimvertrag selbst nach § 14 WBVG zulässig sei. Ebenso nahm sich das Gericht nicht der Frage an, ob in Bezug auf die Höhe der verlangten Sicherheit ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 2 WBVG vorliege, wenn der Umfang nicht auf das Doppelte des auf einen Monat entfallenden Entgelts beschränkt werde. Heime, die Schuldbeitrittserklärungen als Anlagen zu ihren Heimverträgen vorsehen, sollten dringend eine Überarbeitung ihrer Vertragswerke in Angriff nehmen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Mit Urteil vom 10.02.2015 modifizierte das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen für eine Anrechnung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers auf eine vom Arbeitgeber erklärte Freistellung. Das BAG nimmt nun eine Doppelnatur des Urlaubsanspruchs an. Nach § 1 BUrlG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt die bloße Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht. Das BAG schließt daraus, dass der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung nur dann wirksam Urlaub gewährt, wenn er den Arbeitnehmer nicht nur von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt, sondern ihm zusätzlich die Urlaubsvergütung entweder vor Antritt des Urlaubs zahlt oder aber vorbehaltlos zusagt. Das Ziel der Vermeidung von Urlaubsabgeltungsansprüchen im Rahmen einer vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erklärten Freistellung lässt sich damit nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll erreichen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
In einem Urteil vom 13.05.2015 hatte sich das BAG mit der Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung zu beschäftigten, welche ein Krankenhausträger gegenüber einer Reinigungskraft mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen hatte. Die Arbeitnehmerin hatte ihrer Vorgesetzten eine Ohrfeige angedroht. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Das LAG wies die Begründung des Krankenhausträgers zurück. Beide Gerichte argumentierten sinngemäß, ein Arbeitgeber, der mit sozialer Auslauffrist außerordentlich kündige, gebe zu erkennen, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar sei. Dann hätte er (auch) ordentlich kündigen können. Im entschiedenen Fall war die Reinigungskraft allerdings tariflich altersgesichert, die ordentliche Kündigung also ausgeschlossen. Das BAG hat den Rechtsstreit auf die Revision des Krankenhaus-trägers an das LAG zurückverwiesen. Dieses hat nun zu klären, ob ein Ausnahmefall der Gestalt vorliegt, dass während des Laufs der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe, wohl aber in der Zeit danach. Gegebenenfalls könnte die erklärte Kündigung (doch) wirksam sein. Eine solche Konstellation ist in der Praxis indes schwer vorstellbar. Angenommen hatte sie das BAG in einem 2011 entschiedenen Fall. Dort fielen die vom Arbeitnehmer mangelhaft erledigten Aufgaben erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (wieder) an. Das zweite Urteil des LAG erscheint danach vorhersehbar.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Auch das Sozialgericht Dortmund folgt nicht der BSG-Rechtsprechung zu § 275 Abs. 1 c SGB V, wonach es neben der Auffälligkeitsprüfung ein weiteres Prüfverfahren hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gebe, die nicht den Beschränkungen und Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1 c SGB V unterliege. Das Sozialgericht Dortmund schließt sich ausdrücklich der sich hierzu entwickelnden Gegenauffassung des Sozialgerichts Speyer an (SG Dortmund, Urteile vom 23.10.2015 – S 39 KR 33/13 und S 39 KR 31/13). Zuvor hatte schon die 40. Kammer des Sozialgerichts Dortmund mit Urteil vom 22.06.2015 (S 40 KR 867/13) ausgeführt, dass der BSG-Rechtsprechung keinerlei Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass und nach welchen Kriterien eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit erfolgen soll. Das Sozialgericht sieht eine von § 275 SGB V losgelöste Prüfung auch im Widerspruch zum Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen an ein Prüfverfahren unter Heranziehung des MDK sei es, der ungezielten und übermäßigen Prüfungstätigkeit der Krankenkassen entgegenzuwirken. Dieses Ziel laufe jedoch ins Leere, wenn insbesondere die Prüfung der Abrechnungen im Hinblick auf die Richtigkeit der Kodierung von der Regelung des § 275 SGB V nicht mehr erfasst sein soll. Das Sozialgericht verurteilte daher die beklagte Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale i. H. v. 300,00 €.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Der Urlaubsanspruch langzeiterkrankter Arbeitnehmern verfällt nach Rechtsprechung des BAG vorbehaltlich besonderer Absprachen erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Das Arbeitsgericht Stuttgart stellt nunmehr mit Urteil vom 29.10.2015 klar, dass (vorbehaltlich individueller Abreden oder besonderer tarifvertraglicher Bestimmungen) der Urlaub eines langzeiterkrankten auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum 31.03. verfällt, wenn er nach Beginn desselben Kalenderjahres arbeitsfähig wird und den bis dahin nicht verfallenen Urlaub hätte nehmen können. Abgelehnt wird die Ansicht des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber hätte ihn nach Genesung über das Risiko des Verfalls zum 31.03. aufklären müssen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das VG Koblenz hat mit Urteil vom 07.10.2015 die Klage der Krankenkassen gegen einen Bescheid des Landes Rheinland-Pfalz abgewiesen, mit dem die Voraussetzungen für die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags zu Gunsten eines Krankenhauses positiv festgestellt worden sind (sog. Grundlagenbescheid nach § 5 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG). Das Gericht weist zunächst die Auffassung der Krankenkassen zurück, die Vorschrift des § 5 Abs. 2 KHEntgG finde keine Anwendung, solange die bundeseinheitlichen Empfehlungen nach § 17b Abs. 1 Satz 6 KHG nicht vorliegen würden. Nach Auffassung des Gerichts ist die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags an drei Voraussetzungen geknüpft: Zum ersten muss im Einzugsbereich des Krankenhauses ein geringer Versorgungsbedarf für bestimmte Leistungen bestehen; zweitens muss dies dazu führen, dass eine kostendeckende Finanzierung dieser Leistungen mit den Fallpauschalen nicht möglich ist; zuletzt muss die Vorhaltung dieser Leistungen dieses Krankenhauses für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sein. Nach Auffassung des Gerichts ist das beklagte Land zutreffend vom Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen ausgegangen. Es sei auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Sicherstellungszuschlag für die gesamte Hauptfachabteilung Gynäkologie/ Geburtshilfe festgestellt wurde. In dieser Fachabteilung würden die Krankenhausleistungen in einem fachlich begründeten Leistungsverbund erbracht. Die Facharztanerkennung umfasse sowohl die Gynäkologie wie auch die Geburtshilfe. Grundsätzlich gehörten Leistungen der Gynäkologie und Geburtshilfe zu solchen der Grund- und Regelversorgung, die zur Versorgung der Bevölkerung vor Ort vorgehalten werden müssten. Der Einwand der Krankenkassen, die genannte Fachabteilung sei zu aufwendig und zu groß dimensioniert, greife nicht durch, weil ein Mindestpersonalbestand aus Qualitätsgesichtspunkten vorgehalten werden müsse. Bei der Prüfung, ob eine kostendeckende Finanzierung der jeweiligen Leistungen mit den Fallpauschalen wegen des geringen Versorgungsbedarfs möglich sei, müsse auf die betreffende Fachabteilung abgestellt werden. Überschüsse aus anderen Abteilungen seien für die defizitär wirtschaftende Abteilung nicht maßgebend und stünden der Feststellung, dass die Voraussetzungen für einen Sicherstellungszuschlag vorliegen würden, nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ein Schiedsstellenverfahren zur Festsetzung der Höhe des Zuschlags ist anhängig.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Die Anwaltskanzlei Quaas & Partner wurde vom Nachrichtenmagazin Focus (Spezial Oktober/November 2015: Deutschlands TOP-Anwälte) erneut als TOP-Wirtschaftskanzlei im Bereich Gesundheit und Pharmazie ausgezeichnet. Grund für die Aufnahme in die Liste der TOP-Wirtschaftskanzleien war die häufige Empfehlung von Experten und Mandanten sowie die Erwähnung in Fachpublikationen.
Die KBV hat jetzt ihre jüngsten Statistiken zu MVZ (Stand: 31.12.2014) vorgelegt. Danach befinden sich knapp 40 % aller MVZ (38,4 %) in der Trägerschaft von Krankenhäusern. Damit haben die Krankenhäuser zwischenzeitlich stark zu der bislang dominierenden Trägerschaft von Vertragsärzten (40,7 %) aufgeschlossen. Rund 20 % der MVZ befinden sich in „sonstiger" Trägerschaft. Insgesamt waren Ende 2014 2.073 MVZ zugelassen. Darin arbeiten 13.465 Ärzte, davon 12.119 im Anstellungsverhältnis. Die MVZ sind vorwiegend in der Rechtsform einer GmbH oder einer GbR organisiert. MVZ werden am häufigsten mit den Fachgruppen Hausärzte, fachärztliche Internisten, Chirurgen, Frauenärzte, Nervenheilkunde und Orthopädie betrieben. Die meisten Krankenhaus-MVZ befinden sich in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Arzt in Weiterbildung ist nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg nur wirksam, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages einen Weiterbildungsplan erstelle, der zeitlich und inhaltlich auf die konkrete Weiterbildung zugeschnitten sei. Nur wenn dies der Fall sei, diene die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung. Die Weiterbildungsplanung selbst müsse nicht nach Meinung des Berufungsgerichts schriftlich in der Befristungsabrede niedergelegt sein. Sie müsse jedoch objektiv vorliegen und im Prozess von der Arbeitgeberin dargelegt werden. Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 11.09.2015 zu.
Ihr Ansprechpartner Dr. Till Flachsbarth
Der pflegesatzrechtliche Mehrleistungsabschlag stellt derzeit in den Pflegesatz- und Schiedsstellenverfahren einen wesentlichen Streitpunkt dar. Häufig geht es um die Frage, ob zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigte Mehrleistungen der Krankenhäuser nach § 4 Abs. 2a Satz 3, 2. Alternative KHEntgG abschlagsfrei zu vereinbaren sind, weil das Krankenhaus den gesetzlichen Tatbestand „zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes" geltend macht. In einer aktuellen Entscheidung vom 16. September 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung des VG München bestätigt, wonach die Anwendung dieser Ausnahmeregelung verlangt, dass sich die kapazitätserweiternde Maßnahme der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde zurechnen lässt. Erforderlich hierzu ist nicht zwingend eine positive Festlegung durch Bescheid oder eine Ausweisung im Krankenhausplan, sondern es kann auch eine sonstige Äußerung der Planungsbehörde genügen, aus der sich das Einverständnis des Landes mit der Maßnahme des Krankenhauses ergibt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
In deutschen Krankenhäusern ist es heute weit überwiegende Praxis, dass die wahlärztlichen Leistungen nicht vom Wahlarzt selbst, sondern vom Krankenhaus bzw. einer vom Krankenhaus beauftragten Abrechnungsstelle liquidiert werden (sog. Krankenhausliquidation). Vertragspartner des Wahlleistungspatienten ist bei entsprechender vertraglicher Regelung das Krankenhaus und nicht der Wahlarzt selbst. Folgerichtig muss – so ausführlich das Amtsgericht Ludwigsburg mit Urteil vom 31.08.2015 bestätigend – der Wahlleistungspatient den Krankenhausträger auf Rückzahlung vermeintlich zu Unrecht abgerechneten Wahlleistungshonorars in Anspruch nehmen und nicht den Wahlarzt. Wird der Arzt auf Rückzahlung verklagt, so ist die Klage gegen ihn mangels Passivlegitimation unbegründet.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Kommunen, die Kindern berufstätiger Eltern keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen können, müssen nicht für den Verdienstausfall der Eltern aufkommen, wenn diese wegen der fehlenden Kita-Plätze länger als geplant zu Hause bleiben. Das hat das OLG Dresden mit Urteilen vom 26.08.2015 - 1 U 319/15, 1 U 320/15, 1 U 321/15 - entschieden und damit den Berufungen der Stadt Leipzig gegen drei Urteile des LG Leipzig vom 02.02.2015 - 7 O 1455/14, 7 O 1928/14, 7 O2439/14 - stattgegeben und die Klagen der Eltern abgewiesen. Das LG hatte einen Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG bejaht, da die Amtspflicht aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, den Kindern der klagenden Eltern ab Vollendeung des ersten Lebensjahres einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen, verletzt worden sei. Das OLG Dresden entschied nun jedoch, die Eltern seien nicht geschützte Dritte dieser Amtspflicht, zudem sei der Verdienstaufallsschaden nicht vom Schutzzweck dieser Norm umfasst. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OLG die Revision zum BGH zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) sind die Phasen der Entwöhnung bei der Bestimmung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen. Mit Urteil vom 06.08.2015 entschied das SG Ulm, dass einer erlösrelevanten Phase der Entwöhnung keine „Mindestbeatmungsdauer" einer non-invasiven Beatmung vorausgehen muss. Die Auffassung des MDK und der Kasse, eine erlösrelevante Phase der Entwöhnung könne nur nach einer Mindestbeatmungsdauer von 24 Stunden folgen, ergibt sich nach den zutreffenden Feststellungen des SG Ulm nicht aus einer eng am Wortlaut der DKR vorzunehmenden Auslegung.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 10.07.2015 das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) gebilligt. Durch die noch im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichende Neufassung verschiedener Regelungen des SGB V werden sich auch maßgebliche Änderungen für medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) ergeben. MVZ können zukünftig auch mit nur einem Fachgebiet gegründet werden. Das Adjektiv „fachübergreifend" wurde in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V gestrichen. Außerdem können MVZ-Gründer zukünftig auch verschiedene andere Sicherheitsleistungen als Bürgschaften für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen stellen. § 118 SGB V wird ein neuer Absatz 4 angefügt. Danach sind psychiatrische Fachkrankenhäuser und Krankenhäuser mit psychiatrischen Fachabteilungen vom Zulassungsausschuss auch dann zum Betrieb einer PIA zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolgt, soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine ausreichende PIA-Versorgung sicherzustellen. Damit ist der Weg für bedarfsabhängige PIAs auf der „grünen Wiese" gebahnt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 06.07.2015 - 1 VB 130/13 - auf die von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner geführte Verfassungsbeschwerde einer Freien Waldorfschule entschieden, dass sämtliche Fassungen der §§ 17 und 18 des Privatschulgesetzes von 1990 bis 2014 verfassungswidrig sind. Die Vorschriften werden den Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung Baden-Württemberg nicht gerecht. Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV begründet für bestimmte „mittlere und höhere" Privatschulen einen finanziellen Ausgleichsanspruch, wenn sie eine Befreiung von Entgelt für Unterricht und Lernmittel gewähren. Das Land Baden-Württemberg ist verpflichtet, für die Zeit ab 1. August 2017 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen; bis dahin sind die bisherigen Regelungen weiter anwendbar. Unter den folgenden Links sind die Pressemitteilung des Staatsgerichtshofs und das vollständige Urteil als PDF abrufbar.
Ihre Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas & Dr. Moritz Quaas
Pressemitteilung des Staatsgerichtshofs
Vollständiges Urteil als PDF
Aus dem Terminsbericht zur Verhandlung des BSG vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R) geht hervor, dass der 1. Senat des BSG offenbar von der Rechtsprechung des 3. Senats abweicht und die Auffassung vertritt, in allen Streitigkeiten über Krankenhausvergütung bis zu einer Höhe von 2.000,00 € setze nach § 17 c KHG eine statthafte Klage auf die streitig gebliebene Vergütung ab dem 01.09.2015 eine vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens voraus. Vorbehaltlich einer Auswertung der schriftlichen Urteilsgründe, die bislang noch nicht vorliegen, hat die überraschende Entscheidung des BSG zur Konsequenz, dass Krankenhäuser bis zu einer – bereits mit dem KHSG angekündigten - Abschaffung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens noch vor Ablauf des August 2015 Klage erheben müssen, wenn sie eine gerichtliche Klärung herbeiführen wollen. Dies gilt es besonders für die Fälle zu beachten, in denen mit Ablauf des Jahres 2015 Verjährung eintritt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das LSG Baden-Württemberg entschied auf unsere Berufung am 20.05.2015 im Verfahren zu Az. L 5 KR 3351/13, die von einem psychiatrischen Fachkrankenhaus erbrachten ergotherapeutischen Leistungen auf Verordnungen einer psychiatrischen Institutsambulanz, angesiedelt am selben Krankenhaus, seien von der Krankenkasse zu vergüten. Ihr Einwand, die Ergotherapie zähle zum Versorgungsauftrag einer psychiatrischen Institutsambulanz und sei daher bereits mit der in Baden-Württemberg vereinbarten Quartalspauschale je Patient abgegolten, verfange nicht. Die beklagte Krankenkasse, wie auch alle anderen Krankenkassen hätten über Jahre hinweg die verordneten und abgerechneten ergotherapeutischen Leistungen in Kenntnis der Verordnungen durch die psychiatrische Institutsambulanz bezahlt. Nach dem objektiven Empfängerhorizont sei die auslegungsbedürftige Vergütungsvereinbarung dahingehend zu verstehen, die Quartalspauschale für die psychiatrische Institutsambulanz umfasse nicht auch die ergotherapeutischen Leistungen. Gegen die aus Krankenhaussicht sehr erfreuliche Entscheidung hat das LSG nicht die Revision zum BSG zugelassen. Sollte das Urteil des LSG rechtskräftig werden, dürfte dieses eine Anpassung des bereits auf Landesebene verhandelten Rahmenvertrages über die psychiatrischen Institutsambulanzen zur Folge haben. Über die weitere Entwicklung werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das VG Stuttgart musste sich mit grundlegenden Fragen der Rechtmäßigkeit einer von der zuständigen Landesbehörde genehmigten Festsetzung der Schiedsstelle zu den Entgelten für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Abs. 2 KHEntgG beschäftigen. Die Krankenkassen haben vor dem Hintergrund neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) die Auffassung vertreten, das Krankenhaus müsse im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens die Wirksamkeit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode auf Grundlage klinischer Studien nachweisen. Auch im Krankenhaus gelte nicht die generelle Erlaubnis der Anwendung aller beliebigen Methoden, sondern ihr Einsatz erfordere den Beleg der Wirksamkeit auf Grundlage randomisierter kontrollierter Studien. Das Verwaltungsgericht ist in seinem Urteil vom 07. Mai 2015 der gegenteiligen Rechtsauffassung des von uns vertretenen Krankenhauses gefolgt. Demnach spricht gegen den von den Krankenkassen eingenommenen Rechtsstandpunkt bereits der Wortlaut des § 6 Abs. 2 KHEntgG, der die Verzahnung mit dem im SGB V geltenden Qualitätsgebot allein über den Verweis auf § 137 c SGB V gewährleistet. Der Grundsatz „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" wird bestätigt. Entscheidend sei die Absicht des Gesetzgebers, wonach die Vorschrift des § 6 Abs. 2 KHEntgG der Innovationsförderung diene. Ausdrücklich hat die Kammer die Frage offengelassen, ob über den Wortlaut hinausgehend eine eingeschränkte Qualitätsprüfung im Schiedsstellenverfahren erforderlich sein könne, wie sie von der Schiedsstelle in dem vorliegenden Verfahren tatsächlich durchgeführt worden ist. Jedenfalls müsse sich eine derartige eingeschränkte Überprüfung darauf beschränken, offensichtlich bestehende Gefahren auszuschließen und im Wege einer Evidenzkontrolle neue Methoden auf ihre Plausibilität, d. h. einen vermuteten Nutzen hin zu überprüfen. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das Gericht die Berufung zum VGH Baden-Württemberg zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Im Mai 2015 wurden auf dem 118. Deutschen Ärztetag Änderungen der MBO-Ä beschlossen. Unter anderem ist Patienten nach § 10 Abs. 2 S. 1 MBO nunmehr auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, sie betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Zulässigkeit von Teilberufsausübungsgemeinschaften (Teil-BAG) wurde liberalisiert. Gemäß § 18 Abs. 1 MBO sind künftig auch Teil-BAG zwischen medizinisch-technischen Disziplinen und patientenbezogenen Fachgebieten denkbar, soweit der Gewinn nach dem Anteil der persönlich erbrachten Leistungen oder mit besonderem Grund davon abweichend verteilt wird. Es ist mit einer zeitnahen Umsetzung in den regionalen Berufsordnungen zu rechnen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Mit Beschluss vom 17.04.2015 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Antrag u. a. der AOK Rheinland/Hamburg, des BKK-Landesverbandes und des Verbandes der Ersatzkassen auf Beiladung in einem Klageverfahren eines Krankenhausträgers auf Aufnahme einer beantragten Abteilung in den Krankenhausplan abgelehnt. Zur Begründung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass weder die Voraussetzungen für eine notwendige noch für eine einfache Beiladung erfüllt seien. Den Kassenverbänden stünde in einem Klageverfahren auf Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan keine eigene Rechtsposition zu. Auch gebe es kein rechtliches Interesse für eine Beteiligung am Klageverfahren, da den Kassenverbänden keine eigenen Mitwirkungsrechte an der Krankenhausplanung zukommen. Wirtschaftliche Interessen der Kassen könnten über ihre Beteiligung im Landesausschuss für Krankenhausplanung als unmittelbar Beteiligte an der Krankenhausversorgung geltend gemacht werden.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Mit Urteil vom 01.04.2015 stellt das Sozialgericht Freiburg klar, dass es sich nicht um eine unzulässige nachträgliche Rechnungskorrektur handelt, wenn ein Krankenhaus im Februar 38 Rechnungen aus dem Vorjahr – gerichtet an eine Krankenkasse – korrigiert und es sich dabei nur um 1,25 % der Schlussrechnungen des gesamten Jahres gegenüber dieser Krankenkasse handelt. Die Entscheidung des BSG vom 22.11.2012 zu Az. B 3 KR 1/12 R sei nicht dahingehend zu verstehen, die genannten Werte von 1 % der Schlussrechnungen und 0,5 % der Summe aller Ausgangswerte seien als „verbindliche" Grenzwerte zu verstehen. Wo die Grenze zu ziehen sei, ließ das SG Freiburg offen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Mit Urteil vom 10.03.2015 hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Auflagen in einem Feststellungsbescheid für ein Plankrankenhaus aufgehoben, mit dem das Krankenhaus verpflichtet wurde, eine von ihm betriebene Gefäßchirurgie sowie eine Stroke Unit zertifizieren zu lassen. Das VG sieht darin eine übermäßige Anforderung an die Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses, der die gesetzliche Grundlage fehle. Die Berufung zum Oberverwaltungsgericht wurde zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas
Am 15.04.2015 fand vor dem Europäische Gerichtshof die mündliche Verhandlung im Vorabentscheidungsverfahren C-20/13 (Unland) zu Fragen der Altersdiskriminierung in der Richterbesoldung statt; der klagende Berliner Richter wird von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner vertreten. Ein konkreter Verkündungstermin für das in wenigen Monaten erwartete Urteil des EuGH steht noch nicht fest; sobald die Entscheidung vorliegt, werden wir an dieser Stelle berichten. Auf vielfachen Wunsch und anlässlich eines Berichtes über den Verhandlungstermin in der Mai-Ausgabe der Deutschen Richterzeitung (DRiZ) stehen im folgenden unsere Schriftsätze im Ausgangsverfahren und im Vorlageverfahren zur Einsicht bereit.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Quaas_&_Partner_-_Unland,_Schriftsatz_vom_26.08.2014,_VG_Berlin.pdf
Quaas_&_Partner_-_Unland,_Schriftsatz_vom_16.09.2014,_EuGH.pdf
Quaas_&_Partner_-_Unland,_Schriftsatz_vom_01.10.2014,_EuGH.pdf
Das SG Karlsruhe entschied am 20.04.2015 über die Vergütung für nachstationäre Bestrahlungsleistungen. Die Krankenkasse wurde antragsgemäß in voller Höhe zur Zahlung verurteilt. Der Einwand der Kasse, es hätten sich im Lichte der Entscheidung des BSG vom 17.12.2013 um ambulante (vertragsärztliche) Leistungen gehandelt, wurde ebenso zurückgewiesen wie die Behauptung, poststationäre Bestrahlungen seien nicht bei der Bestimmung der Fallpauschale bei Leistungserbringung innerhalb der OGVD zu berücksichtigen. Das SG entschied vielmehr: Soweit und solange nachstationäre Bestrahlungen nicht gesondert gem. § 115 a Abs. 3 SGB V wegen Überschreitung der OGVD zu vergüten seien, müssten die poststationären Bestrahlungstage in die Bestimmung der Fallpauschale einfließen. Mit der Behauptung, eine ambulante vertragsärztliche Versorgung hätte genügt, sei die Beklagte nach vollständiger Übermittlung der Daten durch das Krankenhaus und unterlassener MDK-Überprüfungseinleitung ausgeschlossen. Die verbleibenden Zweifel, ob die Bestrahlungen hätten ambulant erbracht werden können, gingen zulasten der Kasse.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Die durch das erste Pflegestärkungsgesetz (2014) erfolgte Erstreckung des sog. Mehrleistungsabschlags nach § 4 Abs. 2 a KHEntgG auf das Kalenderjahr 2015, rückwirkend für den Entgeltzeitraum 2013, ist nach Auffassung von Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Quaas verfassungswidrig. Sie verletzt das im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes enthaltene Verbot der Rückwirkung von Gesetzen. Dadurch werde zugleich in die Grundrechte der Krankenhausträger aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum) unzulässig eingegriffen.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas
Der VGH Baden-Württemberg hat mit einem von den Rechtsanwälten Quaas & Partner erstrittenen Urteil vom 16.04.2015 eine Entscheidung des Sozialministeriums Baden-Württemberg aufgehoben, mit der einem Klinikträger die Aufnahme seines Krankenhauses im Fachgebiet Neurologische Frühreha Phase B in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg verweigert wurde. Nach Auffassung des VGH ist die von der Planungsbehörde getroffene Auswahlentscheidung zu Gunsten anderer Krankenhäuser, die in diesem Fachgebiet in den Plan aufgenommen wurden, fehlerhaft. Darüber hinaus ergäben sich grundsätzlich Zweifel an der dem Fachgebiet zugrunde liegenden Kapazitätsberechnungen.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas
Die CPAP-Maskenbeatmung ist auch bei einem intensivmedizinisch versorgten Patienten keine maschinelle Beatmung im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der Version des Jahres 2009. So entschied das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 21.03.2015 zu Az. B 1 KR 82/14 B. Bei der CPAP handele es sich um einen Modus, bei dem die Beatmungsmaschine nur einen gewissen Druck in den Atemwegen aufrecht erhalte, die Atembewegung jedoch nicht aktiv unterstütze. Es würden daher nicht im Sinne der Definition in den DKR Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt, um die Atmung zu verstärken oder zu ersetzen. Der Patient leiste bei CPAP die Atemarbeit selbst.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das VG Stuttgart hat mit Urteil vom 06.02.2015 - 7 K 2071/13 - der Klage eines von der Kanzlei Quaas & Partner vertretenen Ehepaares gegen die Stadt Künzelsau stattgegeben, und einen Anspruch auf Bezuschussung der Elternbeiträge für die Betreuung ihrer Söhne in einem Waldorfkindergarten dem Grunde nach bejaht, weil die Stadt gleichheitswidrig die Betreuung in ihren städtischen Kindergärten beitragsfrei anbietet. In der Entscheidung der Stadt, den Klägern einen Zuschuss zu den Elternbeiträgen für die Betreuung ihrer Kinder im Waldorfkindergarten zu versagen, liege eine gleichheitswidrige Benachteiligung. Die von der Stadt vorgenommene Beschränkung der Förderung in der Form eines Zuschusses zum Elternbeitrag für die Kindertageseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft widerspreche den Grundentscheidungen des Jugendhilferechts für ein dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern entsprechendes plurales Leistungsangebot. Diese Förderpraxis bevorzuge einseitig die Eltern, die für ihre Kinder kommunale Betreuungsangebote wählten, und benachteilige die Eltern, die sich in Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung für die Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertageseinrichtung eines freien Trägers entschieden hätten. Das Gericht hat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Stadt Künzelsau hat bereits Berufung zum VGH Baden-Württemberg eingelegt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas
Mit Beschluss vom 03.03.2015 – 2 S 138/15 – hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entsprechend der von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner im Verfahren vertretenen Auffassung bestätigt, dass für die Kalkulation von Wasserversorgungsgebühren nur solche Beiträge „gebührenmindern zu berücksichtigen [sind], als mit ihrem Eingang im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich zu rechnen ist". Hintergrund war eine Auseinandersetzung um die Beitragserhebung für „Altfälle", in denen der Eintritt der Vorteilslage lange zurückliegt, aufgrund einer erst später wirksam gewordenen Abwasserbeitragssatzung jedoch noch möglich ist. Die beklagte Kommune hatte mit der Beitragserhebung noch gewartet, um eine etwaige gesetzliche Regelung berücksichtigen zu können, mit der eine zeitliche „Höchstgrenze" für eine solche Beitragserhebung für „Altfälle" geregelt werden könnte. Bis heute gibt es eine solche Regelung noch nicht. Die Klägerseite rügte, die unterbliebene Beitragserhebung habe in der Wassergebührenkalkulation berücksichtigt werden müssen. Der VGH hat dem eine Absage erteilt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Alexander Kukk
Das LSG Hamburg hat mit Urteil vom 18.12.2014 (L 1 KR 60/14) ein erstinstanzliches Urteil des Sozialgerichts Hamburg bestätigt, wonach ein Krankenhaus im Rahmen seiner Inneren Medizin auch ohne Ausweisung einer Fachabteilung Geriatrie im Hamburger Krankenhausplan den Versorgungsauftrag für die Erbringung geriatrischer frührehabilitativer Komplexbehandlungen hat. Darüber hinaus hat das LSG bestätigt, dass der OPS 8-550 nicht das tatsächliche Vorhandensein aller im OPS genannten vier Bereiche (Physiotherapie/physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/Fazioorale Therapie und Psychologie/Neuropsychologie) im Sinne eigener Abteilungen fordert, sondern lediglich den Einsatz von mindestens zwei der vier genannten Bereiche verlangt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae
Im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen war die Berücksichtigung von kardiologischen Behandlungsfällen im Erlösbudget umstritten, soweit bei ihnen auch Linksherzkatheterleistungen angefallen sind. Die Krankenhausschiedsstelle in Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 14.11.2014 antragsgemäß diese Krankenhausleistungen bei Festsetzung der Entgelte berücksichtigt. Ein Krankenhaus mit ausgewiesenem Schwerpunkt Kardiologie müsse diese Versorgung in seiner Region sicherstellen. Aber auch ein Krankenhaus ohne ausgewiesenen Schwerpunkt sei nicht daran gehindert, kardiologische Krankenhausleistungen im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit freiwillig zu erbringen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz
Das LSG Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 21.01.2015 – L 5 KR 699/12, dass eine unter ambulanten Bedingungen durchgeführte Portimplantation im Krankenhaus im Nachgang eines stationären Krankenhausaufenthalts keine nachstationäre Leistung ist, wenn der Port der ambulant durchzuführenden Chemotherapie dient. Die Portimplantation ist vom Krankenhaus als AOP-Leistung abzurechnen. Das LSG hob die anders lautende Entscheidung des SG Stuttgart vom 20.12.2011 – S 10 KR 7524/10 – auf und ließ die Revision nicht zu.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 15.01.2014 – 12 U 384/14 – entschieden, eine Zusammenführung mehrerer stationärer Krankenhausaufenthalte habe nur dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen von § 2 FPV 2013 erfüllt seien. Anders als die PKV argumentiere, sei zudem von einer Beurlaubung im Sinne von § 1 Abs. 7 FPV 2013 nur dann auszugehen, wenn der Patient eigentlich noch im Krankenhaus im Rahmen einer stationären Behandlung verbleiben müsse, er aber aus anderen, nicht medizinischen Gründen, die Klinik mit Zustimmung des behandelnden Arztes vorübergehend verlässt. Würden die kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen, scheide eine Beurlaubung aus. Die Revision wurde vom OLG gegen die sehr erfreuliche Entscheidung nicht zugelassen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
In Anlehnung an die sozialpädiatrischen Zentren für Kinder sollen im Rahmen von § 119 c SGB V (neu) auch volljährige Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung eine adäquate ambulante gesundheitliche Versorgung finden. Die Zulassungsausschüsse sollen dazu bedarfsabhängige Ermächtigungen erteilen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Jens-M. Kuhlmann
Mit Beschluss vom 12.12.2014 – 1 A 287/14 – wird festgestellt, ein Krankenhausträger habe einen Anspruch auf Feststellung der Aufnahme seines Krankenhauses in den Krankenhausplan nur dann, wenn das Krankenhaus zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung geeignet und leistungsfähig sei, sowie wirtschaftlich arbeite und die Zahl der Betten in den Krankenhäusern die Zahl der benötigten Betten nicht übersteige. Im vorliegenden Fall sei davon nicht auszugehen, da die psychosomatische Fachplanung des Saarlands gerichtlichen Bedenken nicht unterliege.
Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Quaas
Wir trauern um unseren langjährigen Kooperationspartner, Herrn Prof. Dr. Arnulf von Heyl, der am 20.12.2014 verstorben ist. Sein unerschütterlicher Humor, sein stets vor Ideen sprühender kluger Kopf, seine Expertise und seine langjährige Erfahrung nicht nur im Stadtplanungsrecht werden uns fehlen.
Stuttgart, 29.12.2014, Anwaltskanzlei Quaas & Partner
Eine Wahlleistungsvereinbarung ist – beschränkt auf die Wahlleistung Unterkunft – nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts selbst dann unwirksam, wenn der Beihilfeberechtigte die Wahlleistungsvereinbarung auch abgeschlossen hätte, wäre er ordnungsgemäß über die Wahlleistung Unterkunft belehrt worden. Die fehlende Kausalität der unzureichenden Aufklärung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 2. HS KHEntgG für den Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung führt nicht zur Wirksamkeit der Vereinbarung. Die anders lautende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hob das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 09.10.2014 auf.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Das LSG Niedersachsen Bremen hat auf unsere Berufung hin am 23.07.2014 die Anfechtungsbefugnis eines Inhabers einer Dialysegenehmigung gegen die einem Konkurrenten von der KV erteilte Dialysegenehmigung in Abkehr von der Rechtsprechung des BSG vom 07.02.2007 bejaht. Da die Voraussetzungen zur Erteilung einer Dialysegenehmigung nicht vorlagen, hob das Gericht die anderslautende erstinstanzliche Entscheidung sowie die Genehmigung selbst auf. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ es die Revision zum BSG zu. Über den Fortgang der Angelegenheit werden wir berichten.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Baden-württembergische Krankenhäuser sind in zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen mit privaten Krankenversicherungsunternehmen anlässlich der Behandlung ihrer Versicherten im Rahmen des Klinik-Card-Vertrages von den Gerichtskosten befreit. Dies hat das Landgericht Konstanz mit Beschluss vom 24.07.2014 feststellt. Damit sinkt das Prozesskostenrisiko der Krankenhäuser bei Auseinandersetzungen mit privaten Krankenversicherungen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Till Flachsbarth
Die Schiedsstelle in Schleswig-Holstein hat für das von Quaas & Partner vertretene Krankenhaus auch für den Entgeltzeitraum 2012 antragsgemäß einen Sicherstellungszuschlag in Höhe von über 1,5 Mio. € festgesetzt. Der von den Krankenkassen gestellte Antrag, den Sicherstellungszuschlag auf 0,00 € festzusetzen, wurde mit überzeugender Begründung abgewiesen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Ulrich Trefz